CXVI.

[245] [Rand: Alaim.] In der Geschichte von Bagdad, und in den Biographieen berühmter Männer von Ibn Chalegan steht die folgende Anekdote:

Ebu Hanife, der große Imam, hatte zum Nachbar einen Schuster, der den ganzen Tag hindurch fleißig arbeitete, den größten Theil der Nacht aber mit Trinken und Singen zubrachte, während der Imam betete. Eines Nachts nahm die Polizeywache den Schuster, als einen Störer der nächtlichen Ruhe, in Verhaft, und führte denselben ab.

Am folgenden Morgen bestieg Ebu Hanife seinen Maulesel und ritt nach Hofe, um dort, ans nachbarlicher Freundschaft, die Loslassung des Schusters zu erflehen. Er ward losgegeben mit allen seinen Spießgesellen. Ebu Hanife ritt davon, und der Schuster hinter ihm her zu Fuß. – Nun wirst du wohl nicht mehr singen und trinken, Nachbar, redete ihn der Imam an. – Ey, warum nicht? da hättest du mir einen größern Dienst erwiesen, mich im Gefängniß zu lassen, wo ich singen konnte, als mich frey nach Hause zu senden, um mir das Singen einzustellen.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 245-246.
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