CLXXX.

[303] Ein Moslim, ein Christ und ein Jude reisten zusammen. Auf dem Wege fanden sie einen Dukaten. Sie wurden darüber uneins, wie sie denselben theilen sollten. Der Jude machte den Vorschlag, man solle darum Mehl, Butter und Zucker kaufen, um eine Art von Halwa oder Zuckerwerkes daraus zu verfertigen, was sie dann gemeinschaftlich verzehren würden. Der Vorschlag ward mit Beyfall angenommen. Als das Halwa fertig war, sprach der Jude: da wird es wieder Streit geben, über die größeren oder kleineren Theile. Ich denke, meine Freunde, wir thäten am besten, wenn wir uns niederlegten,[303] schliefen und träumten. Das Halwa werde dann demjenigen, der am schönsten geträumt, zuerkannt. Die andern Zwey giengen auch diesen Vorschlag ein Während sie schliefen, aß der Jude das Halwa auf, und legte sich dann ruhig nieder. Nachdem sie aufgewacht waren, erzählte der Moslim: ihm sey der Prophet im Traume erschienen, habe ihn ins Paradies geführt, und ihm alle Herrlichkeiten desselben gezeiget. Bey dieser Gelegenheit machte er eine lange und breite Beschreibung der Rosenmatten, der Wohlgerüche, der Milch und Honigquellen, der schönen Knaben und der Huris, mit schwarzen Augen und immer erneuter Jungfräulichkeit. Das ist prächtig, schrie der Jude, du hättest verdient das Halwa zu essen. Der Christ erzählte hierauf, wie ihm der Herr Jesus erschienen, ihn für seine Sünden zur Hölle verdammt, und ihm die Peinen derselben gewiesen habe, die er denn auf das schaudervollste beschrieb. Das ist ein sehr interessanter Traum, rief der Jude aus, und welcher des Halwa nicht unwürdig gewesen wäre. Mir aber, meine Freunde, erschien Moses und sprach zu mir: dein Reisegefährte, der Moslim, ist im Paradiese, und der andere, der Christ, in der Hölle, woraus man nicht wieder auf Erden zurückkehrt. Iß dann immer das Halwa auf, damit es nicht verderbe, und diesem Rathe bin ich treulich nachgekommen.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 303-304.
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