LXXIII.

[134] Eine ähnliche Anekdote hat uns aufbehalten: Hamad, der Geschichterzähler, mit den folgenden Worten:

Ich befand mich eben, sagte er, zu Bassora, bey Dschafer, dem Sohne Suleimans, als man einen schönen, jungen Menschen mit einem Mädchen vorführte, deren schlanke Gestalt den schlanken Wuchs des Rohres Ban zu Schanden machte. Der Präfekt der Polizey stattete seinen Bericht ab, er habe diese beyden jungen Leute beysammen gefunden, da ihnen doch die Gesetze kein Recht gäben, in so großer[134] Vertraulichkeit zu leben. Dschafer fragte den Jüngling, was er zur Anklage sage? Sie ist wahr, sprach er, aber Gott sey mein Zeuge, daß ich sie schon seit drey Jahren unaussprechlich liebe, und nie einen Augenblick mich mit ihr allein finden konnte, als grade diesen, wo man mich mit ihr fand. Dann improvisirte er:


Ich wandte mich zum Herrn mit heißem Flehen,

Daß ich sie möchte einmal nur erspähen;

Dann gieng es zu, bey Gott! mit rechten Sachen,

Mit Kosen, Singen, Scherzen, und mit Lachen.

Wir haben uns ja nicht davon gestohlen.

Nicht viel geschieht des Bösen unverhohlen.


Bey Anhörung dieser Verse fieng das Mädchen an bitter zu weinen. Großer Gott! rief sie, wie sind wir doch unverschuldet in dieses Unglück gekommen! Dschafer fragte sie: bist du eine Hurre1 (Freye), oder eine Mamelukin (Sklavin)? Ich habe, antwortete das Mädchen, nicht das Glück eine Hurre zu seyn, sondern ich bin eine Mamelukin.

Dschafer ließ ihren Herrn vorrufen, und kaufte sie los um zwey hundert Dukaten, kleidete sie, und gab ihr noch obendarein hundert Dukaten zur Mitgift.

1

Hurre, von der Wurzel Harre, ein freyes Weib, ist nicht zu vermischen mit Huri, den schwarzäugigten Mädchen des Paradieses. In wie weit das deutsche Freudenmädchen mit dem arabischen freyen Weibe, oder mit den Paradiesesnympfen verwandt sey, ist hier nicht der Ort zu untersuchen.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 134-135.
Lizenz:
Kategorien: