VIII.

[10] [Rand: Alaim.] Moawia, der Sohn Ebn Sofians, der erste Chalife aus der Familie Ommia, saß an einem der heißesten Sommertage auf dem umschatteten Balkon seines Pallastes zu Damask, den die Luft von vier Seiten durchstrich. So genoß er einiger Kühle in der größten Hitze des Mittags.[10]

Er sah hinaus in's Freye und hinunter in die Stadt. Dort sah er nichts als den Wasserschein1, der von den Feldern aufstieg, hier den Sonnenglanz, der von den weissen Mauren und Terrassen der Häuser wiederschien. Endlich erblickte er einen Mann, der allein in den leeren Gassen heraufkam gegen den Pallast. Mit großen Schritten arbeitete er sich durch den Staub, den er mit seinem Schweiße begoß.

Habt ihr etwas Elenderes gesehen, sprach der Chalife zu den Hofleuten, die ihn umgaben, als in dieser Stunde des Tages auszugehen. Einer der Anwesenden bemerkte unvorgreiflichst, daß dieser arme Mensch sich in großer Noth befinden, und gekommen seyn dürfte, um eine Gnade beym Chalifen zu suchen. In diesem Falle soll er sogleich hereingelassen werden, sprach Moawia.

Er erschien, und warf sich nieder zu den Füßen des Chalifen, der ihn fragte, woher er sey und was er wolle. Es war ein Araber, aus dem Stamme Temim; er war gekommen, Gerechtigkeit zu suchen am Fuße des Thrones, wider die Ungerechtigkeiten und die Unterdrückungen des Statthalters Merwan's, des Sohn's Alhokm's. Ich hatte, sprach er weinend, ein Weib, das ich von ganzer Seele liebte. Sie war die Freude meiner Augen, und mir mehr werth,[11] als alle meine Kameele. Die Hungersnoth des letzten Jahres fraß mein Haab und Gut auf; mir blieb nichts übrig, meine Freunde zu bewirthen. Als mein Schwiegervater die schlimme Lage, in die ich gerathen, vernommen hatte, nahm er seine Tochter mit Gewalt zurück. Ich brachte meine Klage an bey deinem Statthalter Merwan, dem Sohne Alhokm's. Statt mir Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, schickte er mich in's Gefängniß, und begehrte, daß ich mich von meinem Weibe schiede, damit er dasselbe nehmen könne. Ich weigerte mich standhaft; deß ungeachtet nahm er sie mit Gewalt zur Frau, und erst nach vollbrachter Hochzeit, und nachdem ich tausend Foltern ausgestanden hatte, ließ er mich wieder los.

Der erste Gebrauch, den ich von meiner Freyheit mache, ist, daß ich, o Fürst der Rechtgläubigen, zu deinen Füßen um Gerechtigkeit flehe. Moawia konnte die Regungen eines gerechten Zornes wider seinen Statthalter nicht unterdrücken. Er schrieb ihm eigenhändig einen strengen Verweis, und sandte einen besondern Abgeordneten, das Weib des Arabers zu holen. Merwan, der Sohn Alhokm's, vergoß Thränen bitterer Reue beym Empfange des Handbillets, er schied sich sogleich von der Beduinin, und flehte um Verzeihung des Chalifen. Dieser verzieh, und befahl, die Beduinin vorzuführen.

Er sah ein Weih von außerordentlicher Schönheit; er sprach mit ihr, und ward bezaubert von ihrem[12] Geiste und ihrer Wohlredenheit. Er machte dem Araber den Vorschlag, sein Weib mit der schönsten Sklavin des Harems zu vertauschen, und obendrein eine ansehnliche Summe Geldes zu nehmen. Der Araber stieß ein erbarmungswürdiges Geschrey aus: Um die Schätze des Chalifates, sprach er, würde ich mein Weib nicht geben; – über die Ungerechtigkeit des Statthalters habe ich beym Chalifen geklagt, und der Fürst der Rechtgläubigen ist noch ungerechter! Ich suche wider ihn Zuflucht am Throne des Richters der Welten.

Ich will dir kein Unrecht thun, sprach Moawia; ich will die Wahl deinem Weibe Saad lassen, sie selbst soll entscheiden zwischen mir und dir. Sprich denn Saad, was du lieber willst, den Fürsten der Rechtgläubigen in aller seiner Macht und Herrlichkeit, oder Merwan den Statthalter mit seiner himmelschreyenden Ungerechtigkeit, oder den Beduinen mit seiner Armuth, und mir dem Elend der Wüste. Fürst der Rechtgläubigen, antwortete die Beduinin: mich blendet nicht der Schimmer des Throns, wo ich keinen Freund finden würde. Mein Gemahl ist mein alter und treuer Freund, mit dem ich die Tage des Unglücks verleben will, wie ich mit ihm die Tage des Glücks verlebt.

Der Chalife, gerührt von der Treue dieses Beduinenpaars, schenkte ihnen tausend Dirhems, und sandte sie vergnügt und glücklich zurück in die Wüste.

1

Sirab, auf französisch Mirage. Ein besonders in Egypten häufiges Phänomen, das in den Memoires de L'Institut du Caire umständlich beschrieben worden.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 10-13.
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