[133] 41. Maiuag und Korotoiko

In alter Zeit war Maiuag verheiratet mit einer Schwester der Frau von Korotoiko. Was machte nun Korotoiko? Er ging des Morgens sehr früh weg und schlug mit der Axt einen einzigen Baum nieder. Dann setzte er sich auf den Stumpf und fing an zu schlafen. Erst nachmittags kam er wieder nach Hause zurück. Maiuag ging des Morgens sehr früh weg und kehrte schon um Mittag wieder nach Hause zurück. Die Schwiegermutter sagte zu ihrer Tochter, der Frau von Maiuag: »Mein Schwiegersohn Korotoiko arbeitet mehr als Maiuag! Laß deinen Mann laufen! Er taugt nichts! Korotoiko arbeitet mehr als dein Mann. Deshalb habe ich ihn lieber.« Da sagte die Frau[133] von Maiuag: »Du hast niemals die Pflanzung meines Mannes gesehen. Wenn du willst, wollen wir die Pflanzung deines Schwiegersohnes Korotoiko besichtigen!«

Die Alte gab Korotoiko bessere Nahrung als Maiuag, und Korotoiko verlebte gute Tage. Maiuag ging morgens weg, schlug sein Waldmesser in einen Strauch und setzte sich hin. Das Waldmesser arbeitete allein weiter, schlug viel Unterholz nieder und kehrte dann zu Maiuag zurück. So machte Maiuag in zwei Tagen eine große Rodung. Am anderen Tag ging Maiuag wieder zu seiner Pflanzung, um die Bäume niederzuhauen. Er schlug seine Axt in einen Baum und setzte sich hin. Die Axt schlug allein weiter. Sie schlug alle Bäume um in einem Tag, eine große Rodung, und kehrte dann zu Maiuag zurück. Korotoiko brauchte zwanzig Tage, um eine ganz kleine Rodung zu schlagen. Zehn Tage brauchte er, um das Unterholz abzuhauen, zehn Tage, um die Bäume niederzuschlagen. Dann warteten beide, bis das Holz trocken war, um zu brennen. Maiuag wartete fünf Tage. Korotoiko wartete nur zwei Tage. Darauf brannten sie. Das Holz, das Korotoiko geschlagen hatte, war noch ganz grün. Nur die Blätter brannten! – Maiuag brannte seine Rodung, die gut trocken war. Am anderen Tag reinigte Maiuag seine Rodung. Er schlug seine Axt in einen halbverbrannten Baumstamm und setzte sich dann hin. Die Axt schlug allein weiter alle Baumstämme klein und schaffte das ganze Holz an den Rand der Rodung. In zwei Tagen war die ganze Rodung gereinigt. Korotoiko hatte nur ein ganz kleines Stück gereinigt. Er setzte sich auf einen Baumstamm und fing an zu schlafen. Am anderen Tag ging Maiuag mit dem Grabscheit zu seiner Rodung, um zu pflanzen. Er stieß das Grabscheit in die Erde und setzte sich hin. Das Grabscheit arbeitete allein weiter. Es ging aus seiner Hand und grub Löcher in den Boden und kehrte um Mittag zu Maiuag zurück. Maiuag hatte Maniok-Stecklinge mitgebracht. Er schlug sein Messer in einen Steckling. Das Messer arbeitete allein weiter und schnitt einen ganzen Haufen Stecklinge. Alle seine Werkzeuge[134] arbeiteten. Dann stieß er einen Steckling in ein Loch. Der Steckling ging aus seiner Hand, und alle Stecklinge pflanzten sich selbst.

Maiuag kehrte gegen Abend nach Hause zurück. Seine Frau fragte ihn: »Was hast du bis jetzt gemacht?« Maiuag antwortete: »Nichts! Ich war mißmutig!« Da erwiderte seine Frau: »Niemals habe ich etwas gesagt, was dich mißmutig machen könnte!« Darauf sagte Maiuag: »Eines Tages werde ich mich davonmachen!« Dann ging Maiuag wieder frühmorgens zu seiner Rodung, um fertig zu pflanzen, und nahm seine Frau mit, daß sie die Pflanzung sähe. Niemals hatte er vorher seine Frau mitgenommen. Er stieß sein Grabscheit in den Boden. Das Grabscheit ging aus seiner Hand und arbeitete allein weiter. Die Frau sah es. Um Mittag kam das Grabscheit zu ihm zurück. Dann schlug er sein Messer in einen Steckling, und das Messer arbeitete weiter und schnitt alle Stecklinge. Darauf steckte er einen Steckling in den Boden, und die Stecklinge gingen alle dahin und pflanzten sich selbst. Am Abend war die Pflanzung fertig. Dann kehrte Maiuag mit seiner Frau nach Hause zurück.

Korotoiko aber schlief den ganzen Tag in seiner kleinen Pflanzung und duldete nicht, daß seine Frau mit ihm ging. Er war eifersüchtig auf Maiuag. Als er feine Tapiokafladen aß, die ihm seine Schwiegermutter vorgesetzt hatte, sagte er: »Ich möchte Maniokfladen aus der Pflanzung von Maiuag essen!« Er hatte gar keine Zuneigung zu Maiuag und wollte ihn verspotten, da er glaubte, Maiuag habe nichts in seiner Pflanzung.

So verging ein Monat. Korotoiko arbeitete noch immer in seiner Rodung. Maiuag hatte schon Mais aus seiner Pflanzung. Da sagte die Schwiegermutter: »Ich will die Pflanzung von Maiuag sehen!« Sie ging hin mit ihrer Tochter, der Frau von Maiuag. Da sagte Maiuag: »Verirrt euch nicht in der Pflanzung!« Als sie dorthin kamen, sagte die Alte: »Alle Wetter!« Sie erstaunte über die Pflanzung.[135]

Die Alte ging mitten in die Pflanzung hinein und rief: »he!« Die Tochter blieb da und antwortete: »he!« Die Alte ging und ging und ging weit in die Pflanzung hinein. Sie rief immer: »he–! he–! he–!« Da veränderte sich allmählich ihr Ruf, und sie verwandelte sich in die Taube Weludschi. Die Tochter rief: »Mama! Mama!«, aber die Mutter antwortete nicht mehr. Da verwandelte sich die Tochter in eine kleine, braune Taube.

Was tat nun Korotoiko? Er ging über den Fluß und tötete einen Hirsch. Korotoiko hatte zwei Schwäger, die mit seinen Schwestern verheiratet waren. Er fing auf dem anderen Ufer des Flusses an zu schreien: »Bring mein Wildbret hinüber, Schwager!« Er schrie und schrie, aber die Schwäger antworteten ihm nicht. Da veränderte sich allmählich sein Schrei, und er wurde in eine Eule verwandelt.

Maiuag wartete auf Korotoiko. Die Schwäger wußten, daß Maiuag eine Axt hatte, die selbst arbeitete. Sie waren böse auf ihn, weil sie ihre Mutter verloren hatten, obwohl Maiuag keine Schuld daran hatte. Die Schwäger gingen aus, um zu sehen, wo die Axt war. Sie fanden die Axt und das Waldmesser. Sie wußten aber nicht, wie sie die Sachen gebrauchen mußten. Sie wußten nicht, wie Maiuag zu der Axt sagte. Sie schlugen das Waldmesser in einen Strauch. Es entschlüpfte ihrer Hand und ging fort. Dann schlugen sie die Axt in einen Baum. Sie wollten sie am Stiel festhalten, aber die Axt entschlüpfte ihrer Hand und ging fort. Die Axt verwandelte sich in den Specht. Das Waldmesser verwandelte sich in den Käfer, der Äste abschneidet. Das Grabscheit verwandelte sich in das kleine Tier, das im Fußboden der Häuser und in den Sandbänken Löcher macht.

Dann ging Maiuag aus, seine Axt zu suchen, fand sie aber nicht mehr. Er dachte, die Schwäger wollten ihn töten, wegen ihrer Mutter. Deshalb machte er sich davon. Die Schwäger kamen hinter ihm her, um ihn zu töten. Da sagte Maiuag zu einer kleinen, stacheligen Palme: »Schließt die Schwäger ein, die hinter mir herkommen!« Die Schwäger[136] kamen in die Stacheln hinein und konnten nicht weiter. Sie erstiegen einen Baum, um über die Stacheln wegzukommen. Da wurden sie in Affen verwandelt und blieben Affen bis auf den heutigen Tag. Maiuag kam an einen großen Fluß und sagte: »Was soll ich nun machen? Jetzt werden sie mich töten!« Die Affen kamen schon hinter ihm her auf den Bäumen. Er wußte, daß es die Schwäger waren. Sie waren schon nahe. Da stürzte er sich ins Wasser und tauchte unter. Mitten im Fluß tauchte er wieder auf und verwandelte sich in eine Ente bis auf den heutigen Tag. – Das ist das Ende der Geschichte.

Wenn sich Korotoiko nicht mit Maiuag gestritten hätte, und wenn die Schwäger nicht so schlecht gewesen wären, so wären die Axt, das Waldmesser und das Grabscheit für uns geblieben bis auf den heutigen Tag, und wir brauchten nicht so viel zu arbeiten.

Quelle:
Koch-Grünberg, Theodor (Hg.): Indianermärchen aus Südamerika. Jena: Eugen Diederichs, 1927, S. 133-137.
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