[140] 44. Epeping-Orion

Man erzählt, daß es drei Brüder gab, zwei ledige und einen verheirateten, der eine Frau hatte; die beiden wohnten weit weg von dem verheirateten. Von jenen beiden war der eine häßlich, und sie sagen, daß der schöne Bruder ihn schief ansah; deshalb sann er auf Mittel, ihn zu töten.

Eines Tages verfertigte er eine Stange und spitzte sie gut zu. Darauf sagte er zu dem Bruder: »Mein Bruder, wollen wir Uruku suchen, um unsere Körper zu bemalen?« – »Gut, gehen wir!« – Darauf, erzählt man, kamen sie an den Urukubaum, und er sagte zu seinem Bruder: »Mein Bruder, steige du hinauf, um für uns zu holen!« – Man erzählt, daß dann der häßliche Bruder hinaufstieg und oben auf einem Aste die Beine spreizte. Da[140] spießte ihn der Bruder von unten. Er starb gleich und fiel auf die Erde. Der Bruder schnitt die Beine ab, ließ den Leichnam liegen, wandte sich um und ging.

Man sagt, daß gleich darauf die Schwägerin kam, um sie zu sprechen: »Wie geht es dir, mein Schwager?« – »Wie soll es mir gehen? Gut.« – »Wie geht es meinem anderen Schwager?« – »Der ist hinaus, spazieren gegangen.« – »Ei! das ist möglich.« –

Man erzählt, daß die Schwägerin in den Wald spazieren ging, und als sie um das Haus bog, fand sie die Leiche ihres Schwagers mit abgeschnittenen Beinen. Darauf kam auch der andere Schwager: »Wozu dienen mir die abgeschnittenen Beine? Zu nichts. Jetzt sind sie nur noch gut, sie den Fischen zu fressen zu geben.« – Dann, sagen sie, nahm der Bruder die Beine und warf sie in den Fluß. Der Körper wurde in die Erde begraben, aber die Seele ist fortgegangen in den Himmel.

Als sie in den Himmel kam, verwandelte sie sich in ein Gestirn. Der Körper blieb in der Mitte und die Beine zu beiden Seiten. Er wurde so der Epeping, Orion. Der Brudermörder aber wurde in den Stern Kaiuanon, Venus, verwandelt, und der verheiratete Bruder in den Itenya, Sirius. Beide kamen gegenüber dem Bruder zu stehen, den sie getötet hatten, um zur Strafe ihn ewig anschauen zu müssen.

Quelle:
Koch-Grünberg, Theodor (Hg.): Indianermärchen aus Südamerika. Jena: Eugen Diederichs, 1927, S. 140-141.
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