33. Der geprellte Fuchs

[154] Es war einmal ein Fuchs, der mit seinen Jungen fast vor Hunger starb. Eines Tages ging er auf die Suche nach etwas Eßbarem. Da begegnete er einem Schafe. Flugs packte er es.

»Was willst du von mir?« frug das Schaf.

»Fressen will ich dich.«

»O,« entgegnete das Schaf, »roh hat mein Fleisch ja doch keinen Geschmack. Geh, hol' einen Kessel und koche mich; ich warte schon, bis du zurückkommst.«

Der Fuchs lief auch wirklich nach Hause, um einen Kessel zu holen. Als er aber zurückkam, konnte er das Schaf nicht wiederfinden. Am nächsten Tag zog er wieder auf die Suche aus und fing auch glücklich eine Ziege.

»Was willst du denn von mir?« frug diese den Fuchs.

»Fressen will ich dich!«

»So? Mit allen Haaren? Hol' doch eine Schere und schere mich zuerst. Ich warte schon, bis du zurückkommst!«

Der Fuchs lief heim, um die Schere zu holen; die Ziege aber machte sich gleich aus dem Staube.

Am folgenden Tag trieb der Hunger den Fuchs wieder aus seiner Höhle in den Wald. Bald kam ihm ein Wolf entgegen.

»Wohin des Wegs?« frug der Wolf.

»Ich sterbe Hungers mit meinen Kindern,« sagte der Fuchs, »und suche nach Futter.«

»Komm mit!«

Ein Stück Wegs weiter trafen sie einen Hengst. Der Wolf stellte sich ihm entgegen, schüttelte sich und frug den Fuchs:

»Rollen meine Augen? Sträuben sich die Haare auf meinen Rücken?«[155]

»Ja«, sagte der Fuchs. Kaum hatte er geantwortet, so saß der Wolf schon an der Kehle des Hengstes und erwürgte ihn. Dann teilten sie sich in die Beute; der Fuchs nahm auch etwas für seine Jungen mit. Lange aber reichte das nicht, der Hunger hielt bald wieder Einzug in der Höhle des Fuchses und trieb ihn wieder hinaus auf die Suche. Da begegnete ihm ein Hase.

»Wohin gehst du?« frug der Fuchs.

»Futter such' ich«, antwortete der Hase.

»Komm mit!« sagte der Fuchs, denn er hatte eine Idee im Kopfe. Er wollte es nämlich bei der nächsten Gelegenheit geradeso machen wie der Wolf. Es dauerte auch nicht lange, da trafen sie ein Pferd. Der Fuchs stellte sich davor, schüttelte sich und frug den Hasen:

»Rollen meine Augen?«

»Nein!«

»So sag' doch ja!« herrschte der Fuchs ihn an, »sonst schlag' ich dich tot.«

»Nun gut, ja.«

Hupp, sprang der Fuchs dem Pferde an die Kehle.

»Was willst du?« frug dieses.

»Dich fressen.«

»Das wird dir nicht viel nützen,« antwortete das Pferd, »hol' dir lieber das Gold heraus, das in meinem Hufe verborgen ist und kauf dir was!«

Das leuchtete dem Fuchse ein. Kaum aber hatte er unter den Huf geschaut, als ein furchtbarer Schlag ihn in die Luft schleuderte.

Arg zerschlagen verkroch er sich in einen Graben und hielt Zwiegespräch mit sich: »Ein Schaf hab' ich gefangen und es nicht gleich gefressen. Recht geschieht mir! Wozu brauch' ich einen Kessel. Bin auch der rechte Koch! Und die Ziege! Zu dumm! Als ob ich hätte Stricke drehen können aus ihrer Wolle. Und das Gold im Pferdehufe! Was soll ein Fuchs mit Gold anfangen?«

Oben aber am Graben stand ein Hirt, den der Fuchs[156] nicht gesehen hatte. Der schleuderte ihm auch noch einen tüchtigen Stein auf den Pelz.

»Unglück über Unglück!« sagte der Fuchs. »Sogar da, wo gar keine Menschen sind, kriege ich Steinwürfe ab.«

Sprachs und lief davon.

Quelle:
Dirr, A.: Kaukasische Maerchen.Jena: Eugen Diederich, 1922, S. 154-157.
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