Ein Gespenst auf dem Friedhof.

[412] Einst sahen Leute, welche zufällig bei Nachtzeit in der Nähe einer Begräbnisstätte vorbeikamen, einen jungen Mann, der trauernd daselbst gestanden, plötzlich auffahren und mit Eifer hinter einer Erscheinung hergehen, die sie alsobald auch bemerkten, und die, wie sie sehr wohl sahen, nichts anderes war als ein mit halbvermoderten Lappen umhängtes Gerippe, das in der einen Hand eine Laterne trug. Sie gingen rasch dem jungen Manne nach und fragten ihn, weshalb er denn so sehr eile, und er erwiderte ihnen, vor ihm her ginge eine Gestalt, welche ganz seiner kürzlich verstorbenen Braut gliche, nach der er beim Vorübergehen an dem Friedhofe unaussprechliche Sehnsucht gehabt habe. Nun sagten sie ihm, was sie selber gesehen, und schaudernd sah er nun ein, daß ein Gespenst seine Gemüthsstimmung benutzt und ihn in eine große Gefahr gelockt habe, aus welcher er nur durch die Dazwischenkunft der anderen Leute gerettet ward.

Quelle:
Brauns, David: Japanische Märchen und Sagen. Leipzig: Verlag von Wilhelm Friedrich, 1885, S. 412.
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