[231] Als nach Kiomori's Tode Yoritomo und dessen Anhänger siegreich vorrückten und den langen Streit, der das Reich so lange verwüstet, zur Entscheidung brachten, geschah es, daß von ihnen eine Festung, Ischitani, belagert wurde; die Besatzung derselben leistete jedoch heldenmüthigen Widerstand und machte den Belagerern viel zu schaffen. Diese hielten deshalb eifrig Wacht, und so kam es, daß Nawozane, ein erprobter, älterer Krieger, derselbe, der einstmals Yoritomo's Leben auf der Flucht hatte retten helfen, auf seinem Pferde die Festungsgräben entlang ritt und auf alles spähete, was an den Thoren und innerhalb der Wälle vorging. Da sah er einen Krieger mit den Feldzeichen der Gegner aus der Festung hervorreiten und, sein Pferd am[231] Zügel haltend, in ein Boot steigen, das augenscheinlich im Festungsgraben auf ihn gewartet hatte. Nawozane rief ihn alsogleich an und forderte ihn zu einem Zweikampf heraus. Der andere nahm dies, wie es sich geziemte, an, landete und führte sein Pferd aus dem Boote; dann schwang er sich in den Sattel und drang auf Nawozane ein. Der Kampf hatte noch nicht lange gewährt, als Nawozane sah, daß sein Gegner, ein junger Krieger, Namens Atsumori, ihm an Geschicklichkeit in der Führung der Waffen und an Kraft durchaus nicht gewachsen sei, und da der Muth und die Tapferkeit seines Gegners ihm hohe Achtung einflößten, so warf er großmüthig sein Schwert weg. Atsumori aber wollte ihm nicht nachstehen; er folgte seinem Beispiel und begann, indem er sein Pferd hart neben das des Gegners trieb, einen Ringkampf im Sattel. Wiederum stritt Atsumori entschlossen und mit Aufgebot aller Kräfte, und als er endlich sich nicht länger halten konnte und zu Boden stürzte, riß er den Nawozane mit sich. Nawozane aber lag obenauf, und bald glückte es ihm, den goldverzierten Helm Atsumori's abzureißen. Da sah er nun das bleiche Gesicht eines Jünglings, der kaum dem Knabenalter entwachsen war, und mit Schaudern dachte er seines eigenen Sohnes, der ebenfalls am Kriegszuge Theil nahm und vielleicht zur selben Zeit in ähnlicher Weise einem übermächtigen Gegner erliegen mußte. Thränen entquollen seinen Augen, und mit Klagen gegen das Verhängniß stand er ab von der Tödtung Atsumoris, der wehrlos vor ihm lag. Dieser aber war viel zu stolz, das Leben als Geschenk aus der Hand eines Feindes anzunehmen und rief: »Schmach über dich, Nawozane, wenn du zögerst, mir den Tod zu geben, der mich allein von Schimpf und Ehrlosigkeit erretten kann! Willst du mich als Feigling, als Flüchtigen brandmarken, nachdem ich doch als tapferer Krieger dich bekämpft habe, so lange ich vermochte?« Das sah Nawozane wohl ein, und blutenden Herzens schnitt er dem mannhaften Gegner, der den Tod der Unehre vorzog, das Haupt ab. Er kam mit dem Siegeszeichen heim ins Lager;[232] aber weder das Zujauchzen der Kameraden, noch der Lohn, den ihm der Feldherr verhieß, vermochten ihn zu trösten. Sogar die Würde eines Generals, die so lange sein Streben gewesen und die ihm nun angeboten ward, schlug er aus und begab sich als Mönch in ein buddhistisches Kloster, der Sekte angehörig, welche ihre Lehre den Weg zur Seligkeit nennt. Und um dieser Seligkeit sicher theilhaftig zu werden, ritt Nawozane auf seinem Esel stets verkehrt, das Gesicht dem Schwanze zugewandt, und sagte: »So habe ich allem irdischen Ruhme den Rücken gekehrt und hoffe dafür dereinst vom erhabenen Buddha meinen Lohn zu erhalten und zu der Seligkeit zu gelangen, zu der ich den Weg betreten habe.«