Yoschiiÿe.

[215] Der Nordosten der Hauptinsel Nippon blieb trotz der Heldenthaten Yamatodakes noch lange Zeit der Schauplatz vieler Empörungen, und oft wußten mißvergnügte Große die nur halb unterworfenen barbarischen Stämme zum bewaffneten Widerstande gegen die Kaisermacht aufzureizen. Namentlich war das elfte Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung reich an solchen Aufständen, und einer der kaiserlichen Feldherrn, Yoriyoschi, legte bei einer solchen Gelegenheit den ersten Grund zu dem hohen Ansehen, zu dem die Familie der Minamoto, welcher er angehörte, sich erhob. Schon seinem Sohne, Yoschiiye, war es beschieden, noch höheren Ruhm zu erlangen. Gegen Ende des elften Jahrhunderts brach im fernen Norden eine abermalige, gewaltige Empörung aus und Yoschiiye hatte den Oberbefehl über die kaiserlichen Truppen. Trotz der vielen Wunder der Tapferkeit, die Yoschiiye verrichtete, kostete es drei Jahre der Mühen und Gefahren, bevor er völlig Herr des Aufstandes wurde.

Einstmals kam er auf diesen Kriegszügen im wilden Gebirge der Landschaft Nambu sammt seinem ganzen Heere in die Gefahr, vor Durst zu verschmachten, denn weit und breit sah man nirgends auch nur eine Spur von Wasser, und alle bewohnten[215] Plätze waren viele Meilen weit entfernt. Da erhob Yoschiiye seine Lanze und wandte sich mit heißem Gebet an den Gott Hatschiman, den Hort und Helfer der Krieger Japans, und stieß alsdann, wie von göttlichem Geiste beseelt, mit der Spitze der Lanze gegen einen Felsen. Sofort drang sie tief in das harte Gestein, und als er sie herauszog, folgte ihr ein klarer, lebendiger Quell, so reich an Wasser, daß er das ganze Heer tränkte und dem mächtigen Kitakami-Strome seinen Ursprung gab.

Diese That vor allem verschaffte dem Yoschiiye den Beinamen Hatschimantaro, Jünger des Hatschiman, und gleich dem Hatschiman oder Yabata selber wird er als Kriegsgott von den Japanern verehrt. Oft sieht man ihn in solcher Gestalt abgebildet, auf schnellem Rosse dahinstürmend und mit den Häuptern erschlagener Feinde beladen.

Quelle:
Brauns, David: Japanische Märchen und Sagen. Leipzig: Verlag von Wilhelm Friedrich, 1885, S. 215-216.
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