XXIII.

[77] Es war einmal ein Fürst, der hatte drei Söhne. Er riet denselben zu heiraten, aber sie entgegneten: »Wir wollen nicht heiraten«. »Warum nicht?« fragte er. »Wenn wir nicht drei Schwestern heimführen können, wollen wir nicht heiraten, sonst geht unsre Familie ganz auseinander«.

Da schickten sie einen Mann ihres Gesindes aus mit dem Befehl: »Geh, treibe dich in der Welt herum und suche drei Schwestern; wenn du welche gefunden hast, so wollen wir um dieselben[77] freien«. Der Diener machte sieh auf und suchte, bis er in eine Stadt gelangte, wo er einen Fürsten fand, der drei Töchter besass. Diesen fragte er: »Willst du deine Töchter nicht verheiraten?« »An wen?« »An die drei Söhne des Fürsten von Ḥâch«, entgegnete jener. »Ja, ich will sie ihnen geben, aber geh, hole Geld und komm wieder«. Der Diener kam nach Hause und berichtete dem Fürsten, dass er drei Mädchen gefunden habe. »Wo hast du sie gefunden?« »In einer Stadt«. Da liess er Soldaten mit sich ausrücken, belud Maultiere mit Geld und Gut, und sie reisten ab. Sie holten die drei Mädchen; aber unterwegs, als sie einmal Nachts auf einer Wiese gelagert waren, fiel sie eine grosse Schlange an. Die Leute gingen mit den Säbeln auf sie los; indessen so viel sie auf dieselbe eintrieben, sie liess sich nicht tödten, sondern wurde immer grösser und dicker. Der Fürst fragte sie: »Was ist dein Wunsch?« »Ich verlange«, antwortete sie, »die jüngste Braut«. »Ich gebe sie dir nicht«. »So nehme ich sie mir mit Gewalt«. Da gab er sie ihr, und die Schlange führte sie weg und setzte sie in ein hohes Schloss. Sie selber aber verwandelte sich in ein Weib und redete mit dem Mädchen.

Der Fürst liess einen Sarg anfertigen; den lud er dem Maultiere auf und kam nach Hause. Seine Söhne blickten durch das Fernrohr und sahen, dass die Soldaten ihres Vaters heranzogen. Man liess die Bräute von den Tieren heruntersteigen. Da fragte der jüngste Sohn: »Wo ist denn meine Braut?« Der Vater sagte: »Sie ist gestorben«. »Wohin habt ihr sie getan?« »In dem Sarge da ist sie«. Er sprach: »Oeffnet den Sarg, damit ich sie mir ansehe«. »Nein«. »Doch«. Man öffnete den Sarg; er sah, dass er leer war, und sprach: »Was ist ihr zugestossen?« Man erzälte ihm: »Die Schlange hat sie zu sich genommen«. »Wohin ist die Schlange gegangen?« fragte er. »Den und den Weg hat sie genommen«, antwortete man ihm. Da stieg er zu Pferde und ging sie suchen; er zog in's Land, bis er das Schloss fand. Er sah, dass Weiber droben waren. Die Schlange sagte dem Mädchen an: »Dein Mann ist gekommen«. Das Mädchen ging hinunter und öffnete die Thüre, und auch die Schlange kam und fragte: »Was willst du?« Er sagte: »Ich bin wegen meiner Frau gekommen«. »Ich will sie dir nicht geben«, antwortete jene. »Warum?« fragte er. Sie sagte: »Geh, hole mir das Schwert und den Schild Ḥût's des siebenköpfigen«. »Woher sollte ich wissen, wo der ist«, sagte er. »Suche es zu erfahren«, antwortete sie. – Da stieg er zu Pferde und machte sich auf den Weg; unterwegs im Gebirge[78] fand er eine Ruine und Weiber, welche Kleider wuschen. Er dachte: »Es ist nicht recht, wenn ich zu ihnen gehe, ich will eine Weile hier bleiben, bis sie fertig gewaschen haben«. Er stieg auf einen Baum und sah sich um; da kam der Wolf, packte einen Knaben, welcher an dem Baume in einer Hängewiege sich befand, und trug ihn weg. Der Mann stieg vom Baume, lief hinter dem Wolfe her, nahm ihm den Knaben ab und legte ihn wieder an seinen früheren Platz. Das Kind sagte: »Was hast du getan, du Unvernünftiger?« »Wie so?« sagte er »ich habe dich doch dem Wolfe aus dem Rachen gerissen«. »Du hättest mich auf den Schoss meiner Mutter bringen sollen, dann hätte sie gesagt: Verlange was du willst von mir zum Lohne, ich gebe es dir«. – [Das tat er nun] und bat sie um die Tarnkappe und den fliegenden Teppich. Sie sagte: »O hättest du doch diese Dinge nicht gefordert und mir mein Söhnchen lieber nicht gebracht; aber nun nimm sie dir«. Er setzte sich auf den Teppich und sprach: »O Teppich, wo ist die Höle Ḥût's des siebenköpfigen? ich wünsche dorthin zu fliegen«. Im Nu gelangte er an die Oeffnung der Höle und fand Ḥût den siebenköpfigen drinnen sich ausruhen, wärend ein eiserner Balken auf seiner Brust lag. »Was willst du, Mann?« sprach er. »Das Schwert und den Schild«. »Geh«, antwortete jener, »und hole mir das Kopftuch der Tochter des Königs der Elfen«. »Ich weiss ja nicht, wie dorthin gelangen«. »Freilich weisst du's«. Hierauf setzte er sich auf den Teppich und fuhr zum Schlosse der Tochter des Elfenkönigs. Vor dem Hoftore sah er einen Dämon stehen; da zog er die Tarnkappe an und ging hinein. Er fand die Prinzessin auf einem Bette sitzen und schlüpfte unter dasselbe. Als der Dämon hineinkam, sagte er: »Ohf, es riecht hier nach Menschenfleisch«. Sie sagte: »Woher soll es hier nach Menschen riechen; sassest du denn nicht am Tore; wer soll da hineingekommen sein?« »Ich habe mich getäuscht«, sagte er. Als es Nacht wurde, brachte man die Malzeit; der Prinz zog seine Kappe an und ass mit ihr, so dass sie von dem Male nicht satt wurde. Dann legte sie sich schlafen, und der Dämon verriegelte hinter ihr sieben Thüren. Nun zog der junge Mann die Tarnkappe an griff nach dem Kopftuch und steckte es in seine Tasche. Sie merkte es, blickte hin, sah aber Niemand; das Kopftuch aber war verschwunden. Sie legte sich wieder schlafen. Jetzt griff er nach ihren Füssen und liess einen derselben auf das Lager fallen; sie erwachte davon und vernahm ein Geräusch; da rief sie: »Komm hervor, wer du auch seist; ich gelobe dir Sicherheit, habe keine[79] Angst!« Er kam hervor und sie blickte ihn an; er setzte sich auf das Bett; sie tranken Wein und Brantwein und vergnügten sich; dann schlief er in ihrer Umarmung. Darauf setzten sie sich auf den Teppich und fuhren davon. Sie gelangten an die Oeffnung einer Cisterne und sahen, dass Jemand unten in derselben sass, und zwar der Bruder des Dämons. Er rief ihnen aus der Cisterne zu, und bat: »Reiche mir deine Hand«. Das Mädchen riet ihm aber davon ab; er reichte ihm jedoch die Hand und zog ihn heraus; darauf kämpften sie mit einander, und er tödtete den Bruder des Dämons. Von hier begaben sie sich zur Höle Ḥût's des siebenköpfigen. Nachdem er von diesem Schwert und Schild [vergebens] verlangt hatte, tödtete er auch ihn und nahm diese Waffen mit. So kam er zum Schlosse der Schlange; die Schlange erblickte ihn und sah, dass er die Tochter des Elfenkönigs mitgebracht hatte. »Da nimm das Schwert und den Schild«, sagte er, sie aber erwiderte: »Was soll ich damit tun? Mir lag nur daran, dass du die Tochter des Elfenkönigs holtest«. Da nahm der junge Mann die beiden Mädchen und führte sie nach Hause. Auf dem Wege stiess er auf den Dämon und den Riesen; er stieg ab, tödtete beide und langte endlich mit seinen zwei Weibern zu Hause an; daselbst veranstaltete er ein Hochzeitsgelage. Sein Vater war unterdessen alt und sein Bart weiss geworden; da holte die Tochter des Elfenkönigs drei Trauben hervor und gab sie seinem Vater zu essen. Als er dieselben gegessen hatte, ward er wieder zum Jüngling, und nun ist's aus.

Quelle:
Prym, E./Socin, A.: Syrische Sagen und Märchen aus dem Volksmunde. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprechts Verlag, 1881, S. 77-80.
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