LXXVI.

[323] Es war einmal ein Kaufmann, der hatte viel Geld und Gut; einst fiel er vom Dach herunter und brach den Arm; die herbeigerufenen Aerzte verordneten: »Bringt das Fell eines Fuchses, damit wir seinen Arm damit überziehen.« Es begaben sich daher einige Leute in's Gebirge, einen Fuchs zu suchen. Als sie einen antrafen, fragte sie dieser: »Wonach sucht ihr?« »Wir suchen dich«, antworteten sie. »Wesshalb?« »Wir haben einen Schmaus hergerichtet und Leute eingeladen, zu kommen und zu essen; aber es fehlt Jemand, der das Fleisch zerteilt.« »Ich will kommen und das Fleisch zerteilen«, versetzte jener. »So komm!« Als er aber mit ihnen ging, packten sie ihn. »Warum fasst ihr mich so an?« fragte er. »Wir wollen dich umbringen«, antworteten sie. »O bringt mich nicht um«, bat er, »ich habe einen blinden Bruder, den will ich herbeirufen, den schlachtet.« »Gut«, entgegneten sie, »auf, zeige uns deinen Bruder!« »Schön«, sagte er, ging zu seinem Bau und rief in denselben hinein; aber es war Niemand darin, sondern es war alles Verstellung. »Lasst mich doch frei, dass ich hineingehe und ihn heraushole«, bat er, »denn er schläft.« Da liessen sie ihn frei; er jedoch machte sich aus dem Staube und trotz aller Verfolgung konnte man seiner nicht wieder habhaft werden.

Nun ging der Fuchs unter die Bären; dort packte ihn eine Bärin und rief: »Willkommen, Fuchs! komm, werde mein Mann.« »Ich bin ein Geistlicher«, versetzte er. »Geht's denn nicht an, dass du bei mir schläfst?« meinte jene. »Komm zur Bärenfürstin«, erwiderte der Fuchs, »wenn sie es zugibt, so will ich dein Mann werden.« Sie gingen zur Bärenfürstin und legten ihr die Sache vor. »Ist es wahr, dass du ein Geistlicher bist?« fragte sie. »Ja.« »So werde unser Pfaffe!« »Topp«, erwiderte der Fuchs, wurde Pfaffe und wohnte in der Kirche. Wenn die Bärinnen bei ihm beichteten und eine derselben schön war, so bat er sie: »Lass mich bei dir liegen«, und wenn sie sagte: »Es ist Sünde«, so antwortete er: »Den Pfaffen ist dies keine Sünde«, dann ergaben sie sich ihm, Auch lehrte er ihre Mädchen lesen. Mit einem derselben trieb er Unzucht; da lief diese weinend zu ihrer Mutter und erzälte es derselben. Die Mutter kam auf den Fuchs los und fragte: »Warum hast du das an meiner Tochter getan, Pfaffe?« »Die Teufelin wollte nicht lesen lernen«, antwortete er,[324] »da schlug ich sie, und sie lief ärgerlich weg.« Jene schwieg. Ein schönes Mädchen war krank geworden, zu ihr ging der Fuchs und zwang sie, ihm zu Willen zu sein. Da schrie sie und weinte, so dass die Bärinnen herbeikamen und fragten: »Warum beträgst du dich so, Pfaffe?« »Sie ist krank geworden«, erwiderte er, »da bin ich gekommen, um über ihrem Haupte zu beten, dass sie gesund werde; daher weinte sie.« Wiederum schwiegen jene; aber einmal kam die Bärenfürstin zum Fuchs und klagte ihm: »Ich bin krank.« »So gestatte mir, dass ich dir beiwohne, dann wirst du gesund werden«, antwortete er. Jene aber rief den Bärinnen und sprach: »Kommt, wir wollen ihn tödten; unser Pfaffe ist ein Kuppler.« Da stürzten sie sich auf ihn, er aber entfloh; jene verfolgten ihn, jedoch ohne ihn fangen zu können.

Hierauf ging der Fuchs unter die Katzen. »Warum fliehst du?« fragte man ihn. Er erzälte: »Ich bin ein Diakon, die Bischöfe schlugen mir vor, Mönch zu werden«; ich aber antwortete: »Ich will's nicht werden.« Da sagten jene: »So bleibe doch bei uns und lehre unsere Kinder lesen.« »Glut«, versetzte der Fuchs. Jene aber hatten einen Kater zum Pfaffen; der Fuchs dachte: »Bei Nacht soll der Pfaffe nicht schlafen, sondern beten«, und fing einen Mistkäfer. Dann holte er eine Kerze und befestigte dieselbe auf dem Rücken des Käfers; darauf zündete er sie an und steckte den Käfer unter der Hausthüre des Pfaffen durch; so kam derselbe in's Zimmer, wärend die Kerze auf seinem Rücken brannte. Als der Pfaffe dies sah, erschrak er und sagte zu seiner Frau: »Steh auf, der Todesengel ist gekommen.« »Wo denn?« fragte Jene. »Dort ist die Kerze, die er in der Hand hält«, sagte der Pfaffe und starb vor Entsetzen. Die Katze aber ergriff die Kerze, welche auf dem Rücken des Käfers brannte, und tödtete diesen, indem sie sagte: »Das ist der Todesengel des Pfaffen; der Mistkäfer hat den Pfaffen getödtet, und ich will ihn tödten.« So tödtete sie denselben; als es aber Tag wurde, hiess es: »Der Pfaffe ist gestorben.« »Wen wollen wir nun zum Pfaffen machen?« fragte man. »Hier ist ja der Kirchensänger, der Fuchs«, antworteten andere, »den wollen wir zum Pfaffen machen.« So machten sie ihn zum Pfaffen; er unterrichtete die Kinder und bediente die Kirche, so dass sie sagten: »Wir haben einen guten Pfarrer.« Auch heiratete er die Katze, die Frau des verstorbenen Pfaffen. Aber einmal sah er eine schöne Katze und rief ihr: »Komm doch zu uns, ich habe[325] ein Geschäft für dich.« Sie kam zu ihm in's Haus; er jedoch ergriff sie und wohnte ihr bei. Unterdessen kam seine Frau hinzu, und wie sie sah, dass er bei der Katze lag, rief sie den Katzen und sprach: »Da liegt der Pfarrer eben bei einer Katze.« Darauf ergriffen sie ihn, zündeten ein Feuer an und warfen ihn lebendig hinein. Wärend er im Feuer sass, rief er noch: »In's Feuer der Hölle und nicht in dieses Feuer,« Sie aber verbrannten ihn.

Quelle:
Prym, E./Socin, A.: Syrische Sagen und Märchen aus dem Volksmunde. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprechts Verlag, 1881, S. 323-326.
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