LXXX.

[337] Es war einmal ein Mann, einen stärkern als ihn gab's nicht, er suchte um eines Pfennigs willen Streit mit den Leuten. Mit seinem Säbel und seiner Flinte zog er einst des Weges, da gesellte[337] sich eine Frau zu ihm und fragte ihn: »Wohin, gehst du?« »Zu diesem Dorfe gehe ich«, antwortete er. »Dann will ich mit dir gehen«, versetzte sie, »aber ich fürchte mich.« »Komm nur«, sagte er, »fürchte dich nicht.« So ging sie mit ihm. Als sie das Dorf erreicht hatten, hob sie an: »Bürschchen, Gott bewahre dich vor Weiberbosheit!« »Pest!« rief er, »ich sage dir, hundert Männer vermögen nichts über mich.« »Sprich nicht so«, warnte sie ihn. »Doch wol!« trotzte er. »Die Bosheit des Weibes ist schlimm«, versetzte sie. »Lass sie schlimm sein!« Da rief sie Halloh und wandte sich mit Hilfegeschrei an die Bewohner des Dorfes. Diese fragten: »Was willst du, Frau?« »Dieser hat sich an mir vergriffen«, antwortete sie. Da kamen sie heran, schlugen ihn und nahmen ihm den Säbel und die Flinte ab und wollten ihn tödten, aber das liess die Frau nicht zu, sondern sie nahm ihnen den Säbel und die Flinte weg, gab sie ihm zurück und sprach: »Geh nach Hause; ich habe es dir ja gesagt: Weiberbosheit ist schlimm, du aber wolltest nichts davon wissen.« »Ich hatte Un recht«, sagte er, »Gott möge mich vor Weiberbosheit bewahren.« Als er nach Hause kam, wo er einen Weingarten hatte, legte er sich angesichts dieses Weingartens zur Ruhe, nachdem er eine Falle aufgespannt hatte. – Nun waren da auch drei Füchse, drei Brüder waren es, die sagten: »Kommt zu den Trauben«, und gingen dorthin, um Trauben zu fressen. Einen von ihnen schickten sie aus, er solle die Trauben stehlen. Dabei geriet er aber in die Falle und fing sich in ihr. Da dachte der andere Bruder: »Mein Bruder ist nicht zurück gekommen«, ging nach ihm sehen und fand ihn gefangen. »Was ist dir, mein Bruder?« fragte er. »Ich habe mich in der Falle gefangen«, antwortete er. Da plante jener: »Ich werde mich neben dich legen; wenn dann der Herr der Falle kommt und sieht, dass du gefangen bist, ich aber nicht gefangen bin, so wird er deinen Fuss aus der Falle herausziehen, um uns beide mit dem eisernen Pflock zu schlagen, dann fliehen wir; denn ich fürchte, auf andere Weise würde ich dich nicht befreien können.« Der andere war mit diesem Plane einverstanden, and jener legte sich neben ihn hin. Darauf kam auch der dritte Fuchs, ihr Bruder, und fragte: »Wie kommt es, dass ihr gefangen seid?« Sie erzälten es ihm und sagten: »So ist es uns ergangen.« Auch er legte sich zu ihnen: ein Fuchs war gefangen, die beiden andern aber nicht. Als nun der Herr des Weingartens zu der Falle kam und die drei Füchse in dieser Lage fand, zog er den Fuss des einen Fuchses aus der Falle heraus und schlug mit dem[338] eisernen Pflocke nach ihnen: da entflohen sie. »Ich Blinder!« rief der Mann »was habe ich getan? ich habe den einen aus der Falle befreit, da sind sie alle drei entflohen.« – »Hast du gesehen, Bruder«, sagte der eine Fuchs, »ich habe dich befreit.« Darauf schlugen sie vor: »Kommt, lasst uns nach Hause gehen«, der Fuchs aber, welcher gefangen gewesen war, sagte: »Geht nur, ich komme nicht mit, ich will mich etwas in der Welt herumtreiben.«

Er zog hin und kam zu einer Wiese, auf welcher ein Pferd weidete; neben dieses setzte er sich. »Was sitzest du da, Fuchs?« fragte das Pferd. »Ich betrachte dich«, gab er zur Antwort. »Wie?« versetzte das Pferd, »hast du noch nie Pferde gesehen?« »Nein! die Pferde, welches Geschäft treiben die?« »Die Menschen besteigen sie und lassen sie galopiren.« »So lass mich mal auf dich steigen«, bat er. »Komm.« Der Fuchs vermochte aber nicht aufzusteigen, daher sagte er: »Pferd, ich kann nicht aufsteigen.« »Aber was soll ich denn tun?« entgegnete dieses. »Kauere nieder, damit ich aufsteige, und dann steh mit mir auf wie ein Kamel.« Das Pferd kauerte nieder, und der Fuchs stieg auf. »steigen so die Menschen auf?« fragte er. »Ja.« »Nun galopire mal, damit ich sehe, wie das Galopiren ist.« »So halte dich auf meinem Rücken fest, Fuchs, jetzt galopire ich.« »Ich halte mich fest.« Das Pferd fing an zu galopiren, der Fuchs aber fiel herab; er verletzte sich am Rücken und begann zu weinen. »Wesshalb weinst du, Fuchs?« fragte das Pferd. »Du hast mich hingeworfen und hast mir Rückenschmerzen verursacht.« »Ich habe dir nicht gesagt, dass du fallen solltest.« »Als ich fiel, hättest du mich halten sollen.« »Ich! wie hätte ich dich halten können, du fielst ja von meinem Rücken.« Darauf ging das Pferd zurück auf die Weide, der Fuchs stand auf und sagte: »Ich gehe mich nach einem Arzte umsehen, bleib du hier, Pferd!« »Ja, geh«, antwortete das Pferd. Der Fuchs ging und traf einen Wolf. »Wolf!« sagte er. »Ja!« »Ich habe ein fettes Pferd gesehen; wenn ich es dir zeige, lassest du mich davon mitfressen?« »Ja, ich lasse dich davon fressen.« »Schwöre!« »Gott sei Zeuge, dass ich dich davon fressen lasse.« »So warte hier.« »Ja, wohin gehst du denn?« »Ich gehe, ich hatte einen Vetter hier, ich will sehen, ob er noch wartet oder nicht.« »Verzieh aber nicht zu lange!« Der Fuchs ging hin und traf einen Eber. »Eber!« rief er. »Ja!« »Bist du hungrig? bist du satt?« »Seit drei Tagen habe ich nichts gefressen.« »Wenn ich dir ein Pferd zeige,[339] lässest du mich davon mitfressen?« »Ich lasse dich davon fressen und gebe dir die Hode und die Rute noch obendrein.« »So schwöre mir's!« »Du weisst, wir Eber lügen nicht, unsere Rede und unser Körper sind gerade aus.« »Gut!« erwiderte der Fuchs und ging mit dem Eber, bis sie den Wolf trafen, der in Erwartung des Fuchses dastand. »Bist du da, Fuchs?« sagte er. Der aber wollte mit dem Wolfe nicht reden, sondern ging mit dem Eber weiter; der Wolf schloss sich ihnen an. »Wohin, Wolf?« fragte der Eber. »Es gibt ein Pferd.« »Zu dem geh' ich und der Fuchs, mach dich weg!« »Aber der Fuchs hatte es mir versprochen!« »Dann hat er dich belogen.« »Nein, er lügt nicht.« Darauf fuhren die beiden auf einander los. Der Wolf rief: »Fuchs, hilf mir!« Der aber versetzte: »Geh zum Teufel, wir und ihr sind Feinde.« Der Eber tödtete den Wolf, dann ging er mit dem Fuchse weiter. »Ich will vorgehen«, erklärte der Fuchs, »damit ich es dem Pferde sage; ich will ihm sagen: leg dich hin und stelle dich todt, denn damit meine Brüder keine Klage gegen dich erheben, habe ich dem Arzte erzält, wir seien beide gefallen.« »Geh!« versetzte der Eber. Der Fuchs ging darauf zum Pferde und sprach: »Pferd, ich habe den Arzt mitgebracht; ich habe ihm gesagt, wir seien beide gefallen, damit meine Brüder keine Klage gegen dich erheben; leg dich nun hin, der Arzt wird Zeuge.« »Gut!« erwiderte das Pferd und legte sich hin. Der Eber kam. »Stell dich todt!« sagte der Fuchs; das Pferd stellte sich todt. Da fuhr ihm der Eber mit der Schnauze in den Bauch, und mit einem Bisse riss er ihm alle Eingeweide heraus. »Eber!« bat der Fuchs, »gib mir die Hode und die Rute, die du mir besonders versprochen hast.« Der Eber gab sie ihm, und darauf frassen die beiden zusammen das Pferd auf. Dann sagte der Fuchs: »Eber, ich gehe und suche noch mehr.« »Geh!« antwortete er. –

Der Fuchs ging und nahm die Hode und die Rute mit; Die Hode frass er, die Rute aber nicht, sondern wickelte sie in einen Lappen und steckte sie in seinen Gürtel. Wenn die Leute fragten: »Was ist das da, Fuchs, in deinem Gürtel?« so antwortete er: »Das ist meine Pfeife!« Er ging zu einem Hause und bat um Brot; als die Frau des Hauses ihn aber mit leeren Ausflüchten hinhielt, zog er seine vorgebliche Pfeife aus dem Lappen und verübte mit derselben einen losen Streich gegen die Frau, so dass diese laut aufschrie. Da fragte der Mann der Frau: »Fuchs, was hast du getan?« »Was soll ich getan haben? ich sah deinen Tabaksbeutel und holte meine Pfeife heraus, um sie aus ihm zu[340] füllen; dabei stiess ich deine Frau, was kann ich dafür?« »Heb deine Pfeife in die Höhe«, versetzte der Mann, »damit ich sie sehe.« »Nein, du liessest mich sie nicht füllen, ich zeige sie dir auch nicht.« Damit war er weg, sie liefen ihm nach, aber er entkam. –

Auf seinem Wege traf er eine Wildkatze, die fragte ihn: »Wohin gehst du, Fuchs?« »Ich gehe in diesem Dorfe die Geschirre verzinnen«, antwortete er. »Verstehst du das denn, Fuchs?« »Ja freilich!« »Dann gehe ich als Geschäftsgenosse mit dir.« »So komm!« Sie setzten zusammen ihren Weg fort und trafen einen Teufel, der fragte sie: »Wohin geht ihr?« »Wir gehen Geschirre verzinnen«, war die Antwort. »Versteht ihr das denn?« »Ja freilich«, sagte der Fuchs. »Dann gehe ich mit euch.« »So komm!« Da holte er die Rute des Pferdes hervor und sagte: »Trag das, Teufel!« »Was ist das?« fragte der Teufel. »Das ist der Ambos.« Der Teufel lud ihn auf, und sie zogen weiter, bis sie einen Schmied trafen. »Schmied«, sagten sie, »mach uns Werkzeug zum Kesselflicken, wir bezalen dich dafür; einen Ambos haben wir, du brauchst also keinen Ambos zu machen.« »Gut!« antwortete der Schmied und verfertigte das Werkzeug. Jene steckten die Werkzeugsgeräte in den Ranzen, der Schmied aber sagte: »Gib mir das Geld!« Der Fuchs antwortete: »Lass meinen Freund bei dir bleiben, ich nehme das Werkzeug mit und hole das Geld.« So liess er den Teufel als Bürgen für das Werkzeug beim Schmied und zog mit dem Kater weiter. Bald nachher verschwand der Teufel aus der Wohnung des Schmieds; der Schmied suchte nach ihm, aber er konnte ihn nicht finden. Der Teufel hingegen erreichte den Kater und den Fuchs wieder und ging mit ihnen zu dem Dorfe. Da fragten die Leute: »Was für ein Handwerk treibt ihr?« »Wir sind Kesselflicker«, antworteten sie. Sie stellten nun ihre Werkzeuge auf, um an die Arbeit zu gehen, die Rute des Pferdes steckte der Fuchs in die Erde und machte sie zum Ambos. Der Fuchs verzinnte, der Teufel führte den Blasebalg und die Katze scheuerte; das Geld, welches als Lohn für das Verzinnen einkam, gaben sie dem Fuchse in Verwahr. Darauf sagte der Teufel: »Fuchs!« »Ja!« »Du verzinnst, du könntest das Geld in's Feuer fallen lassen, gib es lieber mir in Verwahr.« Der Fuchs liess sich überreden und gab es ihm. Als sie mit dem Verzinnen fertig waren, hatte der Teufel das Geld und verschwand damit. Der Kater und der Fuchs stritten mit einander und verwundeten sich gegenseitig. Als sie ihre Strasse weiter zogen,[341] kam der Teufel, in einen Esel verwandelt, ihnen auf dem Wege entgegen. »Wir wollen bei dem Esel unsern Streit schlichten«, erklärten sie. »Sprecht!« sagte jener. Sie erzälten es ihm, wie es sich zugetragen hatte. Darauf fragte der Esel: »Seid ihr das Geld für das Werkzeug noch schuldig?« »Ja«, antworteten sie. »Der Schmied hat den Teufel gefasst und ihm das Geld abgenommen und dann ihn selbst gefangen setzen lassen.« Da schlug der Fuchs dem Kater vor: »Komm, wir wollen zum Schmied gehen, wir geben ihm von dem Gelde, was ihm zukommt, und nehmen den Rest.« »Voran!« rief der Kater. Sie gingen zum Schmied; als dieser aber des Fuchses ansichtig wurde, nahm er ihn fest. »Wesshalb hast du unsern Bruder festgenommen?« fragte ihn der Fuchs. »Ich habe euren Bruder nicht gesehen«, antwortete der Schmied. Da baten sie: »Lass uns los!« »Gebt erst das Geld für das Werkzeug, dann lasse ich euch frei«, entgegnete er. »Verflucht!« riefen sie, »was hat der Esel mit uns angefangen!« So blieben sie gefangen, und der Teufel trug das Geld davon.

Quelle:
Prym, E./Socin, A.: Syrische Sagen und Märchen aus dem Volksmunde. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprechts Verlag, 1881, S. 337-342.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Die Narrenburg

Die Narrenburg

Der junge Naturforscher Heinrich stößt beim Sammeln von Steinen und Pflanzen auf eine verlassene Burg, die in der Gegend als Narrenburg bekannt ist, weil das zuletzt dort ansässige Geschlecht derer von Scharnast sich im Zank getrennt und die Burg aufgegeben hat. Heinrich verliebt sich in Anna, die Tochter seines Wirtes und findet Gefallen an der Gegend.

82 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon