Die Schöpfung.

Das Werk der Schöpfung vollendete der Gütigste der Götter, der im siebenten Himmel wohnende Allah. Denn sieben Schichten hatte der Himmel und sieben Schichten führten herab zur Erde: in die Heimat der bösen Geister. An den Wegen der Himmel wohnten die Peris (die guten Geister), im Dunkel der Erde die Dews (die bösen Geister). Und im Kampfe stand das Licht der Himmel mit dem Dunkel der Erde, die Peris mit dem Dew. Die Peris flogen bis zu den Himmeln hinauf hoch über die Erde hinweg; der Dew sank in das Dunkel hinab unter die Erde. Berge standen den Himmeln im Wege und nur die guten Geister konnten hingelangen zu den Kupfergebirgen, von den Kupfergipfeln zu den silbernen Bergen und von den Silberhügeln zu den Goldbergen. Die bösen Geister wären im grossen Glanze erblindet. Ihr Wohnort ist die Tiefe der Erde und der Eingang dazu der Spund des Brunnens; dort harrte ihrer das schwarze und auch das weisse Schaf. In die Wolle des schwarzen Schafes krallten sie sich ein und sanken so hinab in den Grund der Erde, in ihr Reich der sieben Schichten. Auf dem weissen Schafe kehrten sie auf die Oberfläche der Erde zurück. Mächtig waren beide, die Peris sowohl, als auch die Dews, und sie waren Zeugen der Erschaf fung des neuen Erdbewohners, des ersten Menschen.

Allah erschuf den ersten Menschen und wies ihm die Erde[1] zum Wohnsitz an. Und als auf Erden der erste Sterbliche erschien und sich die Himmlischen ob Allahs wunderbarer Schöpfung freuten, kam der Urahne der bösen Geister hinzu und Neid umnachtete seine Seele. Verderbnis wollte er bringen über die erste gütige Schöpfung und er spie seinen verdammnisvollen Speichel auf den reinen Leib des ersten Menschen. Mit seinem Speichel traf er ihn gerade in der Gegend des Nabels und wollte hiedurch die Sünde in ihn hineinpflanzen. Aber herbei eilte des Menschengeschlechtes Verteidiger, der allgütige Allah, heraus riss er das Fleischstück, an dem der Speichel haftete und warf es auf den Erdboden hin. So entstand des Menschen Nabelstelle. Das Fleischstück aber und der daran haftende Speichel erwachte im Staube zu neuem Leben und fast gleichzeitig mit dem Menschen wurde der Hund erschaffen, zur Hälfte aus dem Körper des Menschen, zur Hälfte aber aus dem Speichel des Teufels.

Daher kommt es, dass der Moslim dem Hunde nie etwas zu Leide tut, aber ihn trotzdem in seinem Hause nicht duldet. Er entstammt menschlichem Fleische, darum beschützt der Moslim ihn; er entstammt aber auch dem Speichel des Teufels, desshalb verachtet er ihn. Was von Anhänglichkeit und Treue in ihm ist, das hat der Hund vom Menschen geerbt, was aber an Wildheit und massloser Wut in ihm steckt, das macht in ihm den Anteil des Satans aus. So wie im Morgenland, hat sich der Hund nirgends vermehrt, denn sein Feind war ihm zugleich sein Verteidiger, sein Beschützer, – dies war der Moslim.

Quelle:
Kúnos, Ignaz: Türkische Volksmärchen aus Stambul. Leiden: E.J.Brill, (1905), S. 1-2,32.
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