[288] Eines Tages bat Maui seine Brüder, sie möchten ihm verraten, wo ihre Eltern wohnten; er bat sie inständig, sie sollten es ihm doch sagen, denn er wollte ausziehen und den Ort besuchen, wo die beiden Alten lebten; aber sie antworteten ihm: »Wir wissen es nicht! Wir wissen nicht, ob sie über der Erde oder unter der Erde, oder nur ein wenig von uns entfernt wohnen.« Darauf entgegnete er ihnen: »Schön, ich werde sie schon finden«; aber seine Brüder sagten zu ihm: »Unsinn! Wie kannst du Kleinster von uns so etwas ausfindig machen – wenn wir Älteren nicht einmal wissen, wo sie sich verborgen halten? Du weißt wohl noch, als du zu uns kamst und dich uns und der Mutter als unser Bruder zu erkennen gabst, daß die Mutter jeden Abend zu uns kam und bei uns schlief und, sobald es Tag werden wollte, immer wieder verschwunden war. Sieh, niemand schlief sonst im Hause, und Abend um Abend pflegte es so zu sein, und nun sollen wir wissen, wohin sie ging oder wo sie sich aufhält?« Doch er antwortete: »Gut, bleibt hier und wartet ab; ihr werdet schon von mir zur rechten Zeit hören.«
Denn wie Mutter, Verwandte und Brüder ihn entdeckten, hatte auch er etwas ausfindig gemacht. Als sie alle eines Abends im großen Versammlungshause tanzten, war er gefunden worden. Während seine Verwandten tanzten, bekam man auf folgende Weise heraus, wer er war. Als der kleine Maui, noch ein Kind, ins Haus gekrochen war, hockte er sich hinter einen seiner Brüder nieder und verbarg sich dort; wie die Mutter nun ihre Kinder zählte, damit sie sich zum Tanze bereit machten, sagte sie: »Eins, da ist Maui-taha; zwei, da ist Maui-roto; drei, da ist Maui-pae; vier, da ist Maui-waho,« und nun bemerkte sie noch einen und rief: »Hallo! woher kommt der fünfte?« Da antwortete Klein-Maui, [289] das Kind,: »O, ich bin auch dein Kind.« Die alte Frau zählte sie nochmals und sprach: »O nein, es dürfen nur vier von uns sein; und ich sehe dich zum ersten Male.« Klein-Maui und seine Mutter zankten sich eine ganze Weile darüber mitten zwischen den Tänzern.
Zuletzt wurde sie ärgerlich und sagte: »Marsch, hinaus mit dir; mach, daß du sofort zum Haus hinauskommst; du bist nicht mein Kind, du gehörst jemand anders!« Klein-Maui antwortete aber tapfer: »Schön, dann gehe ich fort, denn wenn du es sagst, muß ich wohl das Kind von jemand anders sein; aber ich glaubte, wirklich dein Kind zu sein, als ich das sagte, weil ich weiß, daß ich am Strande des Meeres geboren bin; nachdem du dir dein Haar abgeschnitten und mich darin eingewickelt hattest, wurde ich in den Gischt der Brandung geworfen. Das Seegras formte und bildete mich, die brechenden Seen hüllten mich in das Tanggewirr ein und rollten mich von einer Seite auf die andere; schließlich trieben mich die Winde, welche über das Wasser hinstrichen, wieder ans Land; weiche Quallen bedeckten und schützten mich auf dem sandigen Strande; ungeheure Fliegenschwärme ließen sich auf mich nieder, sie summten um mich herum und legten Eier, damit die Maden mich auffräßen; Scharen von Vögeln sammelten sich um mich und wollten mich in Stücke hacken; da erschien aber auch mein großer Ahnherr Tamanui-ki-te-Rangi; er bemerkte die Fliegen, die zu Haufen versammelten Vögel und die Massen von Quallen; jetzt eilte der alte Mann, so schnell er nur konnte, herbei, löste die Quallen ab und schaute nun in ihnen ein menschliches Wesen; da hob er mich auf, trug mich in sein Haus und hing mich unterm Dach auf, damit ich den warmen Rauch und die Hitze des Feuers spürte – und so rettete mich die Freundlichkeit des alten Mannes. Ich wuchs heran und vernahm den Ruhm von den Tänzen in diesem großen Versammlungshause. Der zog mich hierher. Seit der Zeit, wo ich noch in deinem Leibe wohnte, hörte ich die Namen deiner früher geborenen Kinder, ich hörte sie ebenso nennen, wie [290] du sie heute abend aufriefest, und du sie nochmals wiederholtest. Zum Beweis, Brüder, will ich euch beim Namen nennen. Du bist Maui-taha, und du bist Maui-roto, und du bist Maui-pae, und du bist Maui-waho, und ich bin Maui der Kleine und sitze hier vor euch.«
Als seine Mutter, Taranga, das hörte, rief sie: »Du liebes gutes Kind, du bist wirklich mein letztgeborener Sohn, die Sonne meines Alters, daher will ich dich Maui-tiki-tiki-a-Taranga, ›Maui, geformt im heiligen Haarknoten Tarangas,‹ nennen,« und so hieß er fortan.
Nach diesem Wortstreit rief Taranga ihren Letztgeborenen herbei und sagte: »Komm her, mein Kind, du sollst bei deiner Mutter schlafen, die dich geboren hat; ich will dich küssen,« und er eilte zu seiner Mutter, um mit ihr zu schlafen. Da wurden seine älteren Brüder eifersüchtig und murrten: »Das ist ja gut, uns lädt die Mutter niemals ein, mit ihr zu schlafen; und uns Kinder hat sie doch wirklich zur Welt kommen sehen, und über unsere Geburt herrscht kein Zweifel. Als wir noch kleine Wesen waren, hat sie uns genährt, und sanft auf weiche, ausgebreitete Matten gebettet – nun, warum fordert sie uns denn nicht auf, bei ihr zu schlafen? Als wir klein waren, hatte sie uns sehr lieb, nun wir größer sind, liebkost sie uns nie oder behandelt uns freundlich. Aber der kleine Bengel, der nicht einmal sagen kann, ob ihn der Seetang oder sonst jemand nährte, der vielleicht jemand anders Kind ist, der darf nun bei unserer Mutter schlafen. Wer hätte das je geglaubt, daß eine unreife Frucht, die ins Meer geworfen wurde, je wieder als menschliches Wesen sich auf die Welt zurückfindet!? – und nun besitzt der Frechling auch noch die Unverschämtheit und nennt sich einen Verwandten von uns.«
Doch die beiden älteren Brüder sprachen zu den jüngeren: »Es macht nichts, er soll uns trotzdem ein lieber Bruder sein; denkt in friedlichen Tagen an das Sprichwort – im Frieden lege deine Zänkereien in Ruhe bei, im Kriege mußt du Beleidigungen mit Gewalt wettmachen. Brüder, es ist [291] besser für uns, gegen andere Leute freundlich zu sein; wie man Einfluß auf die Menschen erhält? man sorgt für reichliche Nahrung, um auch anderen zu essen zu geben – man sammelt Schätze, um sie anderen mitzuteilen, und wie ihr anderen Gutes tut, so breitet auch der Friede sich über die Welt aus. Wir wollen dafür sorgen, daß wir nicht wie die Kinder von Rangi-nui und Papa-tu-a-nuku werden, denen nur Gedanken im Kopf herumgingen, wie sie ihre Eltern erschlagen könnten; vier willigten ein, doch Tawhiri-ma-tea zeigte wenig Verständnis dafür, denn er liebte seine Eltern; aber die übrigen Brüder kamen überein, sie zu töten; als dann Tawhiri sah, daß der Gatte weit von der Gattin getrennt wurde, dachte er an seine Pflicht und kämpfte gegen seine Brüder. So entstand auch der Anlaß, der Tu-matauenga zum Kriege gegen Bruder und Eltern verführte; so wurde nun auch der Zwiespalt in unser eigen Geschlecht hineingetragen, und ein Mensch bekämpft den andern. Wir wollen uns daher sorgfältig hüten, solche Zwiespälte zwischen uns zu nähren, damit nicht solche verruchte Gedanken entstehen, die den einen zum Feind des andern machen und wir wie die Kinder von Rangi-nui und Papa-tu-a-nuku werden.« Als die beiden jüngeren Brüder das gehört hatten, antworteten sie: »Ja, ja, ältere Brüder, ihr habt ganz recht; wir wollen auch nicht mehr murren.«
Es war jetzt Nacht; doch Taranga stand früh morgens auf und plötzlich, im Nu, war sie aus dem Hause heraus, wo sich ihre Kinder aufhielten. Sobald sie erwachten, schauten sie sich überall um, doch ohne Erfolg; sie konnten sie nicht sehen; die älteren Brüder wußten, daß sie sie verlassen hatte und waren daran gewöhnt; aber das jüngste Kind machte ein höchst betroffenes Gesicht; nun dachte es: »Es ist schon wahr; vielleicht ist sie nur hinausgegangen, um uns etwas zu kochen.« – Doch nein – nein – sie war weit weg, weit weg.
Als die Mutter gegen Abend wieder zurückkam, sangen und tanzten die Kinder wie gewöhnlich. Als sie fertig waren, [292] rief sie den Letztgeborenen herbei: »Komm her, mein Kind, wir wollen zusammen schlafen.« Und sie schliefen nebeneinander; aber sobald es Tag werden wollte, verschwand sie; dem kleinen Kerl kam dies Verhalten der Mutter sehr sonderbar und verdächtig vor. Als er eines Nachts wieder bei der Mutter schlief und auch die übrigen Brüder in dieser Nacht bei ihnen ruhten, da kroch der Kleine heimlich hervor, nahm seiner Mutter den Schurz, den Gürtel und den Mantel weg und versteckte sie; darauf verstopfte er den winzigsten Spalt im Fenster und in der Tür, so daß kein Lichtstrahl ins Haus hineindringen und die Mutter zum Aufstehen anspornen konnte. Als er das getan, schlug ihm das Herz doch nicht wenig, und er fühlte sich sehr unbehaglich bei dem Gedanken, daß die Mutter sich doch vielleicht noch in der Dunkelheit erheben und seine Pläne zuschanden machen könnte. Die Nacht schlich langsam dahin, und die Mutter rührte sich nicht; schließlich drang doch ein schwacher Lichtschein vom frühen Morgen in das Haus, und man konnte von dem einen Ende des Hauses aus die Beine der Schläfer am andern Ende deutlich erkennen; doch die Mutter schlief weiter; dann ging die Sonne auf und stieg weit über den Horizont hinauf; da erwachte schließlich die Mutter; sie dachte so bei sich: »Weshalb dauert denn diese Nacht so lange?« und als sie das gedacht hatte, schlief sie wieder ein. Sie wachte wieder auf und machte sich wieder ihre Gedanken, aber sie konnte nicht sagen, ob draußen schon heller Tag war, denn Fenster und Tür waren im Hause fest verschlossen und verstopft.
Endlich stand sie auf; und da sie ganz nackt war, suchte sie nach ihrem Mantel, nach dem Gürtel und dem Schurze; aber sie konnte nichts finden; dann eilte sie und zog die Sachen heraus, mit denen Fenster und Tür verstopft waren, und als sie das tat – oh weh! oh weh! da sah sie, daß die Sonne schon hoch am Himmel stand; sie raffte da einen alten Flachsmantel, mit dem die Haustür verstopft gewesen war, vom Boden auf und eilte damit als einziges Bekleidungsstück[293] davon und zum Hause hinaus; sie war tief betrübt, daß ihre Kinder sie so schlecht behandelt hatten.
Sobald sie zum Hause hinaus war, sprang Klein-Maui auf, kniete nieder und schaute durch die Türritze ins helle Tageslicht. Während er sie beobachtete, hatte die alte Frau ein Binsendickicht erreicht; sie zog es beiseite und stieg in ein darunter befindliches Loch hinab; darauf verdeckte sie wieder die Öffnung mit dem Binsendickicht und verschwand. Klein-Maui sprang auf und lief so schnell, wie er konnte, aus dem Hause, riß die Binsen fort und schaute darunter – und entdeckte eine wunderbare große Höhle, die weit in die Erde hinabführte.
Er bedeckte das Loch wieder und kehrte nach Hause zurück. Dann weckte er seine Brüder auf, die noch immer schliefen, und sagte: »Kommt, kommt, Brüder, steht auf, ihr habt lange genug geschlafen; kommt, steht auf; Mutter hat uns die längste Zeit beschwatzt.« Da standen die Brüder schnell auf; aber, ach, ach! die Sonne stand schon hoch am Himmel.
Klein-Maui fragte die Brüder wieder: »Was glaubt ihr wohl, wo unser Vater und unsere Mutter wohnen?« und sie antworteten: »Das wissen wir nicht, das haben wir nie gesehen; obwohl wir Maui-taha, Maui-roto, Maui-pae und Maui-waho sind, haben wir niemals den Ort gesehen; glaubst du denn, daß du den Ort finden kannst, den du so gern sehen möchtest? Was soll das bedeuten? Warum kannst du nicht ruhig bei uns bleiben? Was kümmern wir uns denn um Vater und Mutter? Haben sie uns zu essen gegeben, bis wir erwachsen waren? – niemals, nicht einen Happen. Nun, gewiß ist Rangi oder der Himmel unser Vater; er sandte uns freundlich seine Nachkommen: Hauwhenua, den sanften Wind, um die Erde und die jungen Pflanzen zu kühlen; Hau-ma-ringiringi, den Nebel, um sie zu befruchten; Hau-ma-roto-roto, das Schönwetter, um sie wachsen zu lassen; Tou-a-rangi, den Regen, um sie zu bewässern; Toma-i-rangi, den Tau, um sie zu nähren; diese [294] Sprößlinge sollten unsere Nahrung wachsen lassen; darauf sandte Papa-tu-a-nuku, die Erde, Samen, der sollte keimen und gedeihen und ihre Kinder auf dieser lange währenden Welt mit Unterhalt versehen.«
Klein Maui entgegnete darauf: »Euer Reden ist ganz richtig; aber solche Gedanken und Aussprüche stehen mir besser an als euch, denn ich wurde in dem dampfenden Gischt der See aufgezogen und genährt; es würde mir weit mehr gefallen, wenn ihr darüber nachdächtet und euch daran erinnertet, wie ihr an der Brust der Mutter genährt wurdet; erst als ihr damit aufhörtet, euch von der Mutter Milch zu nähren, konntet ihr doch an alle die schönen Sachen denken, die ihr mir da eben aufzähltet; aber ich, oh! Brüder, ich habe weder etwas von ihrer Milch noch von ihrer Nahrung erhalten! und doch habe ich sie lieb, liebe ich sie nur deswegen – weil ich in ihrem Leibe war; und weil ich sie liebe, will ich wissen, wo Vater und Mutter wohnen.«
Seine Brüder waren ganz überrascht und freuten sich über ihren kleinen Bruder, als sie ihn so reden hörten. Als sie sich von ihrem Erstaunen erholt hatten, versprachen sie ihm, daß sie ihm helfen wollten, Vater und Mutter zu suchen und zu finden. Da sagte er, sie wollten losgehen. Es war schon lange her, daß er sein erstes Meisterstück gezeigt hatte, denn als er zum ersten Male bei seinen Verwandten im Sing- und Tanzhaus erschien, hatte er sich bei der Gelegenheit in alle Arten von Vögeln verwandelt, in jeden Vogel der Welt, und doch hatte keine Gestalt, die er annahm, seinen Brüdern gefallen; als er sich ihnen aber jetzt als Taube zeigte, da sagten seine Brüder: »Ah! fürwahr, oh! Bruder, jetzt siehst du hübsch aus! Jetzt siehst du prächtig aus, wirklich herrlich, wunderbar schön, viel schöner als in den früheren Verwandlungen, die du uns vorführtest und in denen du dich uns zeigtest, als du dich uns entdecktest!«
Warum er so schön aussah? Das machten der Gürtel und der Schurz, die er der Mutter fortgenommen hatte, während sie schlief; denn was auf der Taubenbrust so schön [295] glänzt, ist der breite Gürtel der Mutter; auch trug er ihren kleinen Schurz aus glänzendem Hundeschwanzhaar; die Gürtelschnalle war zu den prächtigen schwarzen Federn an ihrer Kehle geworden. Er hatte schon früher vor langer Zeit diese Gestalt angenommen, als er Vater und Mutter suchte, und er hatte seine Brüder verlassen, um die Gestalt einer Taube anzunehmen; nun nahm er dieselbe Gestalt wie früher an, und als seine Brüder ihn so wiedersahen, sagten sie: »O, Bruder! o Bruder, du siehst wirklich wunderschön aus!« und als er auf einem Zweige saß, mein Gott, nochmal! er bewegte sich gar nicht, er sprang nicht von Ast zu Ast, sondern saß ganz still und girrte vor sich hin, so daß jeder, der ihn so sitzen sah, unbedingt an das Sprichwort denken mußte: »Die dumme Taube sitzt auf einem Zweig und hüpft nicht von Ast zu Ast.«
Nun, früh am nächsten Morgen, sagte er zu seinen Brüdern, wie schon vorher erzählt wurde: »Gut, bleibt hier und wartet ab, ihr werdet schon zur rechten Zeit von mir hören. Die große Liebe für meine Eltern zwingt mich, nach ihnen zu suchen; nun hört zu, und dann sagt, ob meine letzten Taten bemerkenswert waren oder nicht. In Vögel verwandeln kann sich nur jemand, der in der Zauberei Bescheid weiß, und doch habe ich, der Jüngste von euch, beinahe alle Vogelgestalten angenommen; aber jetzt werde ich vielleicht meine ganze Kunst verlieren und auf der langen Reise nach dem Orte, wohin ich will, alt und schwach werden.« Seine Brüder antworteten ihm folgendermaßen: »Das mag schon wahr sein, wenn du auf einen Kriegszug ausgehst, doch nun willst du ja nur die Eltern suchen, die wir alle so gerne sehen möchten; wenn du sie findest, dann werden wir alle glücklich beieinander wohnen, unsere jetzigen Sorgen werden zu Ende sein, wir werden stets zwischen ihrer und unserer Wohnung hin und her wandern und ihnen fröhliche Besuche abstatten.«
Er antwortete ihnen: »Sicherlich veranlaßt mich ein guter Grund zu dieser Reise, und wenn ich an den Ort komme und dort alles schön und angenehm finde, dann werde ich mich [296] wohl darüber freuen, finde ich ihn aber häßlich, so werde ich sehr enttäuscht sein.« Sie entgegneten ihm: »Was du sagst, ist vortrefflich; reise also los mit deinen großen Kenntnissen und Geschick in der Zauberei.« Dann ging ihr Bruder in den Wald und kehrte wieder zu ihnen zurück; nun sah er wie eine Taube aus. Seine Brüder waren ganz entzückt, aber sie konnten nichts anderes tun, als ihn nur bewundern.
Darauf flog er fort und kam zur Höhle, wo die Mutter hinabgeeilt war, er schob das Binsendickicht beiseite; er flog hinunter, verschwand in der Höhle und verschloß die Öffnung, um den Eingang zu verbergen; er flog sehr schnell; zweimal senkte er die Flügel, denn die Höhle war sehr eng; bald erreichte er den Boden der Höhle und flog darauf entlang; weil die Höhle so eng wurde, senkte er erst den einen und darauf den anderen Flügel; dann erweiterte sie sich aber, und er flog eilends geradeaus.
Endlich bemerkte er eine Anzahl Leute, die unter eine Baumgruppe zogen; er flog weiter und ließ sich im Wipfel eines Baumes nieder, unter den sich die Leute gesetzt hatten; und als er seine Mutter da unten im Grase neben ihrem Gatten liegen sah, erriet er sogleich, wer sie waren und dachte: »Ah! Vater und Mutter sitzen hier unter mir!« Bald hörte er auch von den Fremden, die daneben saßen, ihre Namen nennen; nun hüpfte die Taube einen Zweig niedriger und pickte an eine Beere, ließ sie sanft fallen und traf damit den Vater auf die Stirn; einige Leute sagten: »Welcher Vogel hat die Beere heruntergeworfen?« Der Vater sagte: »Oh nein, die Beere ist nur zufällig herabgefallen.«
Nun pickte die Taube noch mehr Beeren vom Baum und warf sie mit aller Gewalt hinunter; Vater und Mutter wurden getroffen und richtig verletzt; da schrien sie auf, und die ganze Runde erhob sich und sah zum Baum hinauf; und als nun die Taube zu girren anfing, erkannten sie bald am Geräusch, wo sie saß, und alle, Häuptlinge und gemeine Leute, nahmen Steine auf und warfen damit nach der Taube; lange Zeit warfen sie und trafen nicht; schließlich versuchte[297] es der Vater; ah, er traf sie; denn Maui hatte es fertig gebracht, daß nur der Stein vom Vater ihn treffen konnte; sonst hätte ihn, ohne seinen Willen, niemand getroffen; er wurde gerade am linken Bein getroffen; er fiel hinunter; und als er da nun flatternd und strampelnd am Boden lag, eilten sie alle herbei, aber siehe da – die Taube war zum Menschen geworden.
Alle, die ihn anschauten, erschraken über seine wilden, glühenden Augen, die so rot waren, als wären sie mit roter Farbe bestrichen; und sie sagten: »O, das ist kein Wunder, daß er so lange ruhig im Baum saß; ein Vogel wäre längst davongeflogen, aber es war ja ein Mensch«; und andere sprachen: »Nein, eher ein Gott – seht euch doch einmal seine Gestalt und sein Aussehen an; so etwas hat man nicht geschaut seit Rangi und Papa-tu-a-nuku auseinandergerissen worden sind.« Da sprach Taranga: »Ich habe jemand wie diesen jeden Abend gesehen, wenn ich meine Kinder besuchte; doch was ich da sah, übertrifft noch das, was ich jetzt sehe; aber hört nur zu. Einst wanderte ich am Ufer des Meeres, da gebar ich vorzeitig ein Kind; ich schnitt meine langen Haarenden ab und wickelte es darin ein; dann warf ich es in den Gischt der See und einer seiner Ahnherren Tama-nui-ki-ta-Rangi fand es auf.« Darauf berichtete sie fast mit denselben Worten die Geschichte, die Maui, das Kind, ihr und seinen Brüdern erzählt hatte; und als sie die Geschichte beendet hatte, schloß Taranga die Unterhaltung mit ihrem Gatten und den Freunden.
Darauf fragte die Mutter Maui, der neben ihr saß: »Woher kommst du denn? vom Westen?« Er antwortete: »Nein!« – »Dann vom Osten?« – »Nein.« –»Vielleicht vom Südosten?« – »Nein.« – »Aber vom Süden?« – »Nein.« – »Nun, welcher Wind hat dich denn zu mir hierher geführt?« – Als sie so fragte, öffnete er den Mund und sagte: »Ja.« Und sie rief: »O, das ist mein Kind!« und sie fuhr fort: »Bist du Maui-taha?« Er antwortete: »Nein.« Dann sagte sie: »Bist du Maui-tikitiki-o-Taranga?« [298] und er erwiderte: »Ja!« Da rief sie laut: »O, es ist wirklich mein Sohn. Winde, Stürme und die wellenpeitschenden Brisen haben ihn gebildet, er wurde zum Menschen; willkommen, mein Kind, willkommen; du sollst über die Schwelle des Hauses deiner großen Ahnherrin Hine-nui-te-po schreiten, und dann soll der Tod keine Macht mehr über den Menschen haben.«
Nun führte ihn der Vater zum Wasser, benetzte ihn damit, die Weihegebete machten ihn heilig und befreiten ihn von allen Unvollkommenheiten; als man fertig war, befiel seinen Vater Makea-tu-tara ein großer Schrecken, denn er erinnerte sich nun daran, daß er aus Versehen in der Eile einen Teil der Weihegebete ausgelassen hatte, der Weihen, um Maui zu reinigen; er wußte, daß die Götter den Fehler sicherlich ahnden würden; sie würden Maui sterben lassen, und seine Aufregung und Angst waren darum nicht gering. Gegen Abend begaben sich alle ins Haus.
Maui kehrte aber danach zu seinen Brüdern zurück, um ihnen zu erzählen, wie er die Eltern gefunden hatte, und ihnen zu erläutern, wie sie wohnten.
Bald nach seiner Rückkehr erschlug Maui seinen ersten Menschen, eine Tochter des Maru-te-whare-aitu; hinterher vernichtete er noch obendrein durch Zaubersprüche die Ernten des Maru-te-whare-aitu, so daß sie welken mußten.
Er besuchte darauf wieder seine Eltern und blieb einige Zeit bei ihnen. Während seines Aufenthalts bemerkte er, daß einige Leute täglich etwas Essen fortbrachten, mit dem sie jemand beschenkten; und da ihm das auf die Dauer auffiel, fragte er sie eines Tages: »Zu wem bringt ihr eigentlich jeden Tag das Essen?« Die Leute, welche gerade etwas fortbrachten, antworteten ihm: »Das ist für deine Ahnfrau Muri-ranga-whenua bestimmt.« Er fragte weiter: »Wo wohnt sie denn?« Sie erwiderten: »Da hinten!« Worauf er fortfuhr: »Schon gut; laßt das Essen nur hier, ich werde es ihr selbst hinbringen.«
Seit dem Tage brachte Maui die täglichen Essensgeschenke [299] seiner Ahnin selber; aber er tat es gar nicht, er gab sie ihr nicht zu verspeisen, sondern trug sie still beiseite. Und so machte er es viele Tage hindurch. Schließlich schöpfte Muri-ranga-whenua Verdacht; irgend etwas mußte nicht mit rechten Dingen zugehen; und als er das nächste Mal mit dem Essen des Weges kam, da schnüffelte und schnupperte die alte Frau immer und immer wieder, bis sie meinte, daß doch etwas käme; sie war sehr erregt und ihr Magen begann sich schon zu weiten, damit sie Maui verschlingen könnte, sobald er nur da wäre. Sie wandte sich gegen Süden und roch und schnüffelte, aber kein Düftchen drang ihr in die Nase; sie wandte sich gegen Norden, nach Osten, sie streckte die Nase weit in die Luft hinein und roch und schnüffelte, langsam drehte sie sich dabei, aber sie konnte auch nicht die geringste Spur eines menschlichen Wesens wahrnehmen; und schon meinte sie, sie hätte sich vordem getäuscht; da machte sie noch einen Versuch und schnüffelte nun in den Wind, der vom Westen herstrich. Ah! da roch sie deutlich einen Mann, und sie rief laut: »An dem Geruch erkenne ich, daß irgend jemand ganz in meiner Nähe ist,« und Maui sagte ja. Da erkannte die Alte, daß er einer ihres Geblüts war, und ihr Magen, der sich schon ganz weit ausgedehnt hatte, schrumpfte sofort wieder zusammen und wurde wieder klein. Hätte der Westwind ihr den Geruch des Maui nicht entgegengetragen, sie hätte ihn sicherlich aufgefressen.
Als der Magen von Muri-ranga-whenua seine natürliche Größe wieder bekommen hatte, hörte man sie sprechen: »Bist du Maui?« und er antwortete: »Jawohl.«
Nun fragte sie ihn: »Warum hast du denn deine alte Ahnin in so häßlicher Weise betrogen?« Da antwortete Maui: »Ich fürchtete, daß ich deinen Kinnbacken, mit dem man so gewaltige Zauberkünste verrichten kann, nicht bekommen würde.« Sie erwiderte: »Hier, nimm ihn; ich habe ihn für dich aufbewahrt.« »Maui nahm ihn und kehrte darauf zu seinen Brüdern zurück.«
[300] Maui, der junge Held, war noch nicht lange wieder bei seinen Brüdern gewesen, da begann er schon darüber nachzudenken, daß die Nacht denn doch zu früh wieder nach dem Aufgang der Sonne eintrat, und die Sonne täglich weit unter den Horizont versank; ihm erschienen die Tage zu kurz. So sprach er schließlich eines Tages zu seinen Brüdern: »Nun wollen wir die Sonne in einer Schlinge fangen, wir wollen sie zwingen, langsamer zu gehen, damit die Menschheit lange Tage bekommt, und besser ihrer Arbeit für des Lebens Notdurft und Nahrung nachgehen kann.«; doch sie entgegneten ihm: »O, niemand vermag sich ihr zu nahen, sie ist so heiß; glühend ist ihre Hitze.« Doch der junge Held sagte zu ihnen: »Habt ihr denn nicht gesehen, was ich schon alles fertig bekommen habe? Habt ihr nicht gesehen, daß ich mich in jeden Vogel verwandeln kann; ihr und ich haben wohl das Aussehen und die Erscheinung von Menschen, doch vermochte ich mich mit meinen Zauberkünsten in einen Vogel zu verwandeln, und jeweilig wie es mir gefiel, nahm ich die Gestalt dieses oder eines andern Vogels an, bis ich schließlich so ziemlich sämtliche Vögel der Welt dargestellt hatte; und bin ich dann nicht wieder zum Menschen geworden? Nun, Brüder, diese Tat vollführte ich einzig und allein mit meinen Zauberkünsten, und damit werde ich auch alles andere bewerkstelligen, was mir in den Sinn kommt.« Als die Brüder das vernahmen, ließen sie sich überzeugen und versprachen ihm ihre Hilfe bei der Besiegung der Sonne.
Nun fingen sie an zu spinnen und Taue zu drehen, um die Schlinge zu machen, in der die Sonne eingefangen werden sollte; dabei erfanden sie die Art, den Flachs zu vierkantigen, flachen und runden Tauen zu flechten; und schließlich hatten sie alle Taue fertig, die zu ihrem Vorhaben nötig waren. Dann nahm Maui seine Zauberwaffe in die Hand; seine Brüder gingen mit; und alle trugen Lebensmittel und andere Sachen, die ihnen notwendig waren. Sie wanderten die ganze Nacht hindurch, und gegen Morgen machten sie [301] in der Wüste halt; dort versteckten sie sich, damit die Sonne sie nicht zu sehen bekam; nachts wanderten sie weiter; vor Tagesanbruch machten sie wieder halt und versteckten sich; schließlich kamen sie weit, weit weg nach Osten und erreichten die Stelle, wo die Sonne aufgeht.
Nun gingen sie an die Arbeit und errichteten auf beiden Seiten der Stelle einen hohen Erdwall; darauf bauten sie Laubhütten, um sich darin zu verstecken; als sie fertig waren, machten sie die Schlinge klar; Mauis Brüder legten sich an der einen Seite der Stelle, wo die Sonne herauskommen mußte, auf die Lauer. Maui lag auf der andern.
Der junge Held hatte seine Zauberwaffe, den Kinnbacken seiner Ahnin Muri-ranga-whenua, in der Hand und sagte zu seinen Brüdern: »Paßt auf, haltet euch verborgen, und zeigt euch nicht unnütz der Sonne; tut ihr das, dann erschreckt ihr sie; wartet geduldig, bis der Kopf und die Arme in die Schlinge gegangen sind; dann rufe ich, und dann zieht ihr so schnell wie möglich auf beiden Seiten an den Tauen; ich stürze alsdann hervor und greife sie an; aber wenn ich sie angreife, haltet die Taue gut fest, so lange, bis sie beinahe tot ist, dann wollen wir sie laufen lassen; aber Brüder, hört gut zu, laßt euch nicht durch ihr Ächzen und Stöhnen erweichen.«
Schließlich stieg die Sonne hervor und weithin leuchtete ihr Feuer über Berge und Wälder; sie stieg empor, ihr Kopf ging durch die Schlinge; da zogen sie alle die Taue fest an; das Ungetüm wehrte sich und schlug um sich, und die Taue schlenkerten nach vorn und hinten, während sie sich zur Wehr setzte. Aber ach! sie saß in den Schlingen ihrer Feinde fest.
Da stürzte der kühne Held hervor, Maui-tikitiki-o-Taranga, und in der Hand hielt er die Zauberwaffe. Ach! Die Sonne schrie laut auf; sie brüllte; Maui versetzte ihr gehörige Streiche; lange hielten sie ihr Opfer fest, und schließlich ließen sie die Sonne gehen – und nun kriecht die Sonne, durch ihre Wunden geschwächt, langsam des Weges weiter. Damals erfuhren die Menschen ihren zweiten Namen, denn [302] in ihrer Todesangst rief die Sonne aus: »O weh! warum schlagt ihr mich? oh, Mensch, weißt du, was du tust? Willst du Tama-nui-te-Ra töten?« So erfuhr man ihren anderen Namen. Endlich ließen sie sie gehen. Und fortan, oh, wandert Tama-nui-te-Ra sehr langsam und müde weiter.
Maui-taha kehrte hiernach mit seinen Brüdern nach Hause zurück, und sie blieben fortan dort wohnen; eine lange Zeit war schon wieder verstrichen, da gingen die Brüder fischen, während Maui-tikitiki-o-Taranga zu Hause faulenzte, obschon ihm Frauen und Kinder genügend in den Ohren lagen und ihm seine Faulheit vorwarfen, daß er nicht auch auf den Fischfang gegangen war. Da entgegnete er den Frauen: »Mütter und Kinder, ihr braucht euch nicht zu fürchten. Ich habe doch alles fertig gekriegt? und nun diese Läpperei! Es ist ja eine Kleinigkeit für mich, euch etwas zum Essen zu besorgen! Glaubt ihr denn etwa, ich kann das nicht? Schön! ich will euch einen so großen Fisch fangen, daß ihr ihn nicht aufessen könnt; die Sonne wird darauf scheinen, und er wird stinken, ehe ihr ihn verzehrt habt.« Danach zog Maui durch seinen Zauberfischhaken ein Band; der Kinnbacken von Muri-ranga-whenua bildete die Spitze; und als er das getan hatte, befestigte er den Haken an einer kräftigen Fischleine.
Seine Brüder hatten inzwischen die Bindungen an ihren Booten geprüft, um einen guten Fischzug zu tun. Als alles fertig war, schoben sie ihr Boot ins Wasser; und sobald es flott war, sprang Maui hinein. Seine Brüder fürchteten sich vor seinen Zaubereien und riefen: »Komm, steig wieder aus, du sollst nicht mit uns fahren; deine Zauberkünste bringen uns in Ungelegenheiten.« Er mußte also zurückbleiben, und die Brüder fuhren ab; als sie auf den Fischgründen angelangt waren, legten sie die Paddeln ins Boot und fischten; dann kehrten sie abends mit einem glücklichen Fang zurück.
In tiefdunkler Nacht schlich Maui sich zum Strand; er stieg ins Boot seiner Brüder und versteckte sich unter den Bodenbrettern. Am folgenden Vormittag kamen auch die Brüder [303] an den Strand herab, um wiederum zu fischen; sie schoben das Boot ins Wasser und fuhren auf die See hinaus; sie bemerkten Maui nicht, der unten am Boden in einem Versteck lag. Sie hatten schon das hohe Meer erreicht, da kroch Maui hervor; und als seine Brüder ihn sahen, sagten sie: »Wir fahren wohl am besten schleunigst wieder zum Lande zurück, denn der Bursche ist ja doch an Bord.« Maui vermochte es aber mit seinen Zaubersprüchen, daß das Land sofort weit entschwand, und ehe sie sich überhaupt nur umwenden konnten, war die Küste schon ganz außer Sicht gekommen. Maui sprach nun zu ihnen: »Ihr laßt mich doch lieber bei euch; ich will mich nützlich machen und das Wasser aus dem Boot schöpfen.« Sie willigten ein und ruderten weiter; und schnell erreichten sie die Fanggründe, wo sie sonst zu fischen pflegten. Sobald sie dort anlangten, sagten die Brüder: »Laßt die Anker fallen, nun wollen wir fischen«; aber er erwiderte: »O nein, tut es nicht; rudert lieber noch ein bißchen weiter.« Sie ruderten weiter und immer weiter, bis sie den letzten Fischgrund erreichten; sie waren schon sehr weit aufs Meer hinausgekommen; und nun sprachen seine Brüder schließlich: »Komm, jetzt müssen wir den Anker fallen lassen und hier fischen.« Er antwortete: »Ich glaube gern, die Fische sind hier vorzüglich; aber wir tun besser, noch weiter in die See hinauszurudern und dort zu ankern. Wenn wir dort hinausfahren, wohin ich euch rate, werdet ihr mit eurem Haken, ehe er überhaupt den Boden berührt, einen Fisch ins Boot ziehen. Ihr braucht dort nicht einmal solange zu bleiben, wie ihr ein Auge öffnen und schließen könnt, und euer Boot wird brechend voll mit Fischen ans Land zurückfahren können.« Als sie das hörten, ruderten sie weiter; sie ruderten eine lange Strecke weiter, dann sagten seine Brüder: »Nun sind wir doch weit genug!« er entgegnete aber: »Nein, nein; wir müssen ganz außer Sehweite vom Lande kommen; wenn wir es nicht mehr sehen können, dann wollen wir den Anker fallen lassen; aber das ist noch weit draußen, auf hoher See!«
[304] Schließlich gelangten sie ins offene Meer, und seine Brüder begannen zu fischen. Nun sprachen die Brüder: »Bruder, wir wollen jetzt umkehren.« Er sagte darauf zu ihnen: »Wartet noch ein wenig; ich will meinen Haken auch auswerfen.« Und seine Brüder erwiderten: »Woher hast du denn einen Haken?« Er sprach: »Ach, darum kümmert euch nur nicht, ich habe meinen eigenen Haken.« Und wieder sagten seine Brüder: »Nun beeil dich und wirf ihn aus!« Und als er ihn unter seinen Kleidern hervorzog, da ging ein strahlendes Leuchten von der herrlichen Perlmuttereinlage am Halse des Hakens aus; seine Brüder bemerkten auch, daß der Haken reich beschnitzt und mit Haarbüscheln aus einem Hundeschwanz verziert war; er sah herrlich aus. Maui bat seine Brüder um einen Köder, um ihn am Haken zu befestigen; doch sie lehnten es ab; »Wir geben dir nichts von unserm Köder ab.« Da ballte er die Faust und hieb sich auf die Nase; das Blut stürzte hervor; und er beschmierte damit den Haken; so ersetzte er den Köder. Den Haken warf er ins Meer, er sank unter und tiefer und immer tiefer, bis er schließlich die kleine geschnitzte Dachfigur eines Hauses am Grunde des Meeres berührte; er glitt an der Figur ab, rutschte über die geschnitzten Dachbalken hinweg und fiel vor der Tür des Hauses nieder; da verfing sich der Haken von Maui-tikitiki-a-Taranga an der Türschwelle. Als er merkte, daß etwas am Haken saß, holte er die Leine ein. O! O! da kam mit dem Haken das Haus des alten Tonganui in die Höhe. Es stieg empor, höher und höher; und als es emporkam, Bester, wie war die Leine da von dem großen Gewicht straff geworden! Gurgelnd und zischend stiegen Schaum und Blasen empor, gerade als ob eine Insel emportauchen wollte; die Brüder öffneten den Mund und schrien laut auf.
Maui fuhr unterdessen in seinen Beschwörungen fort; seine Brüder murrten und klagten, sie weinten und jammerten: »Schaut jetzt, er hat uns auf das hohe Meer hinausgeführt, damit wir hier unser Leben verlieren und von einem Fisch [305] verschlungen werden.« Doch er erhob seine Stimme und sprach die Beschwörung, welche alle schweren Dinge federleicht macht; der Fisch sollte schneller an die Oberfläche kommen; er sprach den Spruch, der also beginnt:
»Nun? warum denn, Tonganui
Hälst du ihn dort unten fest?«
Als er seinen Spruch beendet hatte, da tauchte Mauis Fisch auf, er hing an der Leine; es war ein Stück Land von Papa-tu-a-nuku, der großen Mutter Erde. Ach! ach! ihr Boot saß jetzt auf dem Trocknen.
Maui ließ seine Brüder beim Boote zurück und begab sich wieder ins Dorf; vor dem Fortgang sagte er zu ihnen: »Wenn ich weg bin, seid mutig und unverzagt; eßt nicht eher, als bis ich wieder da bin, nehmt die Fische nicht aus, sondern laßt sie so, wie sie sind, bis ich den Göttern gedankt habe, die uns die reiche Fischbeute bescherten; wartet, bis ich einen Priester gefunden habe, der die Gebete spricht und die Opfer darbringt und die richtigen Weihen abhält. Dann werden wir alle rein werden. Ich werde wiederkommen, und dann können wir in Ruhe die Fische zubereiten; sie sollen ehrlich verteilt werden, dem dieser, jenem der und dem Dritten ein anderer Anteil; so soll jeder bei meiner Rückkehr sein Recht bekommen, und wir wollen fröhlich wieder nach Hause ziehen. Was wir zurücklassen, wird sich halten, und was wir bei der Heimfahrt mitnehmen, wird vortrefflich sein.«
Kaum war Maui verschwunden, da kümmerten sich seine Brüder nicht im geringsten um die Worte, welche er zu ihnen gesprochen hatte. Sofort begannen sie zu essen und nahmen den Fisch aus. Als sie das taten, hatte Maui noch nicht die heilige Stätte erreicht, war er noch nicht vor die Götter getreten; wäre er eher zur Stätte gekommen, so hätte die Gottheit sich wohl mit einem Anteil an den Fischen zufrieden gegeben, den ihre Schüler gefangen hatten, und alle Götter und Göttinnen hätten ihr Teil davon abbekommen. Aber[306] ach! ach! Die törichten, dummen Brüder nahmen den Fisch aus; da luden sie den Zorn der Götter auf sich, weil sie ihn verzehren wollten und ihnen davon nichts abgaben! Da drehte der Fisch den Kopf, er schlug mit dem Schwanze; es bewegten sich die Flossen auf seinem Rücken und der Unterkiefer. O! o! Tangaroa, dein Werk ist gut! er bewegt sich auf dem Lande so munter wie im Wasser.
Daher ist diese Insel jetzt so bergig und uneben – hier erhebt sich ein Berg – dort liegt eine Ebene – hier senkt sich ein Tal – dort fällt ein Kliff steif ab. Wenn Mauis Brüder nicht so dumm gewesen wären, wäre der gewaltige Fisch glatt und ruhig liegen geblieben.
Nun gedachte der Held, seiner Ahnfrau Mahu-ika das Feuer auszulöschen. Er stand eines Nachts auf und machte heimlich in jedem Kochhause der Dorfbewohner die Feuer aus; früh am Morgen rief er laut die Diener: »Ich bin hungrig, ich habe Hunger; flink, kocht mir etwas zu essen.« Ein Diener eilte fort, um das Kochfeuer anzufachen; aber das Feuer war aus; und als er sich etwas Feuer aus einem andern Hause borgen wollte, da bekam er es nirgendwo; überall waren die Feuer erloschen.
Als das Mauis Mutter vernahm, rief sie die Diener herbei und sagte: »Einige von euch müssen jetzt zu meiner Ahnfrau Mahu-ika gehen; erzählt ihr, daß auf der Erde alles Feuer erstorben ist, und bittet sie, daß sie der Welt neues Feuer schenkt.« Doch die Diener fürchteten sich und wollten den Befehlen ihrer Herrschaften nicht gehorchen; das mochten noch so angesehene und heilige alte Leute sein, sie verharrten bei ihrer Weigerung, so oft die Alten sie auch von neuem wieder aufforderten.
Schließlich sagte Maui zu seiner Mutter: »Schön, dann will ich das Feuer herunterholen; aber sage mir, welchen Weg muß ich gehen?« Seine Eltern wußten gut Bescheid und sprachen: »Wenn du wirklich gehen willst, so schlage jene breite Straße dort ein; dann kommst du schließlich an das Haus unserer Ahnfrau; wenn sie dich fragt, wer du bist, [307] dann sag es lieber; dann weiß sie, daß du ihr Enkel bist, sei vorsichtig, treib' keinen Schabernack mit ihr, wir haben erfahren, daß du ganz hervorragende Taten verrichtet hast, wie sie ein Mensch nicht vollbringen kann, aber du magst andere Leute gern foppen und ärgern; da hast du vielleicht gar die Absicht, auch deiner alten Großmutter einen Possen zu spielen, bitte, hüte dich und tue es nicht.«
Aber Maui antwortete: »Nein, ich will für die Menschen nur Feuer holen, und ich werde so schnell wie möglich wiederkommen.« Dann zog er ab und kam zur Hütte der Feuergöttin. Eine lange Zeit vermochte er kein Wort hervorzubringen, so war er von alledem benommen, was er da zu sehen bekam. Schließlich sagte er: »Liebe Frau, steh' doch bitte auf. Wo bewahrst du dein Feuer auf? Ich kam hierher, um dich um etwas Feuer zu bitten.«
Die alte Frau erhob sich und sagte: »Hallo! wer ist denn dieser Sterbliche?« und er antwortete: »Ich bin es.« – »Woher kommst du denn?« und er erwiderte: »Ich gehöre in dieses Land.« – »Du bist nicht aus diesem Lande,« sagte sie, »du siehst nicht so aus wie die Leute hier. Kommst du vom Nordosten?« – »Nein.« – »Kommst du vom Südosten?« – »Nein.« – »Kommst du vom Süden?« – »Nein.« – »Kommst du vom Westen!« – »Nein.« – »Hat dich der Wind, der hier vorüberstreicht, hergebracht?« Da sagte er: »Ja.« – »O,« erwiderte sie nun, »dann bist du mein Enkelkind; was wünschst du denn?« Er antwortete: »Ich möchte dich um etwas Feuer bitten.« Sie sagte: »Willkommen, willkommen! hier hast du Feuer.«
Die alte Frau zog ihren Fingernagel heraus; als sie es tat, sprang dort Feuer hervor, und sie gab es ihm.
Als Maui sah, wie sie ihren Fingernagel herauszog, um ihm Feuer zu schenken, dünkte ihm das eine höchst wunderbare Sache! Er ging ein wenig abseits und machte das Feuer aus; dann kam er wieder und sagte: »Das Feuer, was du mir gabst, ist wieder ausgegangen; bitte, schenke mir neues.« Nun zog sie einen anderen Nagel heraus und [308] gab ihm wieder Feuer; er ging wieder abseits und machte auch dies Feuer aus; dann ging er wieder zurück und sprach: »Liebe Frau, bitte, schenkt mir ein neues Feuer, das andere ist auch verlöscht.« Und so ging es weiter, bis sie schließlich alle Fingernägel einer Hand herausgezogen hatte; dann nahm sie die Nägel der andern Hand; die wurden auch alle; nun kamen die Fußnägel an die Reihe, und schließlich war nur noch der Nagel an einer großen Zehe übrig. Da sprach die alte Frau zu sich selbst: »Ich glaube, der Bursche treibt mit mir seine Possen.«
Zuletzt zog sie auch ihren letzten Nagel heraus; er fing Feuer, und als sie ihn zu Boden warf, stand die ganze Umgebung in hellen Flammen. Sie rief dem Maui zu: »So, nun hast du Feuer!« Maui lief fort und wollte entfliehen, aber das Feuer folgte ihm auf den Fersen; da verwandelte er sich in einen schnellbeschwingten Adler und flog in rasender Eile weiter; doch das Feuer folgte ihm und erwischte ihn fast im Fluge. Nun stürzte sich der Adler in einen Teich; aber als er im Wasser untertauchte, siedete es nahezu; die Wälder fingen Feuer; nirgendwo konnte er sich niederlassen, und Erde und Wasser gerieten in Brand; Maui kam beinahe in den Flammen um.
Da flehte er zu seinen Ahnen Tawhiri-ma-tea und Whatirimatakataka und bat sie, sie möchten doch Wasserfluten herunterstürzen. Laut schrie er: »O, sendet Wasser und löscht das Feuer, das mich verfolgt.« Und sieh' da, schwere Regenschauer fielen herab; Tawhiri-ma-tea ließ es lange regnen und das Feuer erlosch; und noch bevor Mahu-ika ihre Behausung erreichen konnte, wäre sie beinahe in den Fluten umgekommen; und ihr Geschrei und Stöhnen war ebenso laut, wie das von Maui, als er vom Feuer versengt wurde; so endete dies Abenteuer des Maui. Und so wurde das Feuer von Mahu-ika, der Göttin des Feuers, verlöscht; sie rettete nur wenige Funken; die steckte sie zum Schutz in den Kaikomako-Baum und noch einige andere Bäume; darin sind sie heute noch verborgen; und wenn die Menschen heute Feuer [309] machen wollen, dann benutzen sie dazu Splitter von diesen Bäumen.
Dann kehrte er ins Dorf zurück; Vater und Mutter sagten zu ihm: »Wir haben dich gewarnt, als du fortgingst, und trotzdem hast du mit der alten Ahnin Possen getrieben; es geschah dir ganz recht, daß du so in die Klemme kamst;« worauf der Bursche seinen Eltern erwiderte: »O, was kümmert mich das! Glaubt ihr etwa damit meinen Neigungen Einhalt zu tun? Da irrt ihr euch gewaltig; ich werde so bleiben wie ich bin, heute und immer und immer.« Sein Vater sagte zu ihm: »Schön, tu was du willst, wenn du mir bloß gehorchen wolltest, dann wirst du leben bleiben; aber wenn du mir nicht folgst, dann wird es dir noch schlecht ergehen.« Die Unterhaltung war knapp beendet, da machte sich der junge Bursche auch schon aus dem Staube, um sich neue Genossen für seine Streiche zu suchen.
Maui hatte eine junge, wunderschöne Schwester, die hieß Hina-uri, und heiratete den Irawaru. Eines Tages ging Maui mit seinem Schwager ans Meer, um zu fischen. Maui fing mit seiner Angel keinen einzigen Fisch, denn sie hatte keinen Widerhaken; Irawaru fing jedoch einen Fisch nach dem andern; da dachte Maui so bei sich: »Nanu, was ist denn das? wie geht das zu, daß der Kerl so viele fängt, während bei mir kein einziger anbeißt?« Er hatte den Gedanken noch nicht ausgedacht, da biß schon wieder einer bei Irawaru an; der holte nun schleunigst die Leine ein; aber sie verwickelte sich in die Leine von Maui; Maui meinte, bei ihm hätte ein Fisch angebissen, und zog die Leine vergnügt ein; und er hatte schon ein gutes Stück aufgewickelt, da merkten sie beide, daß sie ihre Leinen nach ganz entgegengesetzten Richtungen einholten; der eine zog zum Bug, der andere nach dem Heck des Bootes hin.
Maui, der sowieso über sein Pech erzürnt war, und den das Glück des Schwagers ärgerte, rief wütend: »Marsch, laß meine Leine los, der Fisch sitzt an meiner Leine.« Doch Irawaru antwortete: »Nein, das ist nicht wahr, er hat bei [310] mir angebissen.« Maui rief nochmals: »Marsch, laß meine Leine los, ich sage dir doch, daß er bei mir angebissen hat.« Da ließ Irawaru seine Leine fallen und Maui die Angel einholen; kaum hatte er sie im Boote drin, da merkte Maui, daß Irawaru doch recht gehabt hatte, der Fisch hing an seiner Leine; und als Irawaru das sah, da sagte er: »So, nun laß du meine Leine und meinen Haken los.« Maui erwiderte ihm: »Warte doch einen Augenblick, bis ich den Haken vom Fisch befreit habe.«
Als er den Haken aus dem Maule des Fisches gelöst hatte, sah er nach und bemerkte, daß er einen Widerhaken hatte; wie Maui das sah, da kannte seine Wut über den Schwager keine Grenzen; er mußte einsehen, daß er mit seiner Angel ohne Widerhaken niemals soviel Fische fangen konnte wie sein Schwager, und so sprach er: »Nicht wahr? nun fahren wir wohl besser wieder an Land?« Irawaru erwiderte: »Schön, dann fahren wir an Land.«
Sie ruderten wieder ans Land, und als sie es erreichten und das Boot am Strande aufholen wollten, sagte Maui zu seinem Schwager: »Steig' unter den Ausleger und nimm ihn auf den Rücken.« Da kroch er unter den Ausleger des Bootes; und kaum hatte er es getan, als Maui oben hinaufsprang; er drückte das ganze Gewicht des Bootes auf ihn nieder und tötete so beinahe den Irawaru.
Als er schon am Hinscheiden war, trat Maui auf dem Körper herum und zog ihm mit seinen Zaubersprüchen das Rückgrat in die Länge, so daß es zum Schwanz wurde; er verwandelte Irawaru in einen Hund und fütterte ihn mit Abfällen.
Danach ging Maui nach seiner Hütte zurück und tat so, als ob nichts vorgefallen wäre; als seine Schwester, die auf ihren Gatten wartete, ihn sah, lief sie zu ihm hin und fragte: »Maui, wo ist dein Schwager?« Maui antwortete: »Ich habe ihn beim Boot gelassen.« Doch seine Schwester fuhr fort: »Warum seid ihr beide denn nicht zusammen nach Haus gekommen?« Maui entgegnete: »Ich soll dir [311] sagen, du möchtest an den Strand herabkommen und ihm die Fische nach Hause tragen helfen; geh' daher sogleich; und wenn du ihn nicht siehst, dann rufe ihn; und antwortet er nicht, dann rufe: mo-i, mo-i, mo-i.«
Als Hina-uri das gehört hatte, lief sie so schnell wie sie konnte zum Strand hinab; und als sie nichts von ihrem Gatten sah, rief sie ihn bei seinem Namen; aber er antwortete nicht; nun rief sie ihn, wie Maui es sie gelehrt hatte: »Mo-i, mo-i, mo-i!« Da kam Irawaru, der in der Nähe als Hund herumstreifte, auf das Rufen von Hina-uri herbeigelaufen und antwortete: »Wau! wau! wau! wau!« er heulte und bellte wie ein Hund und folgte ihr ins Dorf; fröhlich hüpfte er vor ihr hin und wedelte mit dem Schwanze, denn er freute sich über das Wiedersehen; von ihm stammen alle Hunde ab, und er gilt als ihr Ahnherr; und alle Neu-Seeländer rufen noch heute ihre Hunde: »Mo-i, mo-i, mo-i!«
Als Hina-uri sah, daß ihr Mann in einen Hund verwandelt war, verzehrte sie sich vor Kummer und weinte bitterlich auf dem Nachhauseweg; sie ging in ihr Haus und holte einen Zaubergürtel hervor; damit lief sie zum Meer zurück; sie wollte sich in die Fluten stürzen, und die Drachen und Meerungeheuer sollten sie verschlingen. Als sie ans Meer kam, ließ sie sich auf den äußersten Felsen nieder; sie beklagte noch einmal ihr grausames Schicksal, wiederholte den Beschwörungsgesang und stürzte sich dann von den Felsen herab. Die Wellen entführten sie weit in den Ozean hinaus.
Maui hielt es jetzt für besser, dem Dorfe, wo Irawaru gelebt hatte, den Rücken zu wenden; er kehrte zu seinen Eltern heim; und als er dort einige Zeit gewesen war, sagte sein Vater zu ihm: »Lieber Sohn, deine Mutter und auch andere Leute haben mir von deinen tapferen Taten erzählt, die du alle in deinem eigenen Lande vollbrachtest; jetzt bist du aber im Lande deines Vaters, und ich fürchte, jetzt wirst du doch noch deinen Meister finden.« Maui fragte ihn: »Wie meinst du das? Wer kann mich denn besiegen?« Sein Vater erwiderte: »Deine Ahnin Hine-nui-te-po; schau, dort, [312] wo der Himmel am Horizont die Erde berührt, kannst du sie funkeln sehen.« Aber Maui entgegnete: »Denk' nicht solch törichtes Zeug! Furchtlos wollen wir beide nun ergründen, ob die Menschen sterben oder ewig leben sollen.« Doch der Vater sagte: »Kind, es war ein schlechtes Zeichen; als ich dich weihte, da vergaß ich einige Gebete, und nun fürchte ich, wird das dein Unglück sein.«
Doch Maui fragte den Vater: »Sag, wie sieht meine Ahnfrau Hine-nui-te-po denn aus?« Und er antwortete: »Schau, was dort hinten so rötlich funkelt, das sind ihre Augen, ihre Zähne sind so hart und scharf wie Feuerstein; nur ihr Körper hat menschliche Gestalt; die Pupillen ihrer Augen schimmern grün, sie bestehen aus Grünstein; ihre Haare sind wie das Seegras auf den Meeren, und ihr Mund ist fürchterlich wie das Maul des Hornhechtes.« Darauf entgegnete ihm sein Sohn: »Glaubst du, daß sie so stark ist, wie Tama-nui-te-Ra, die Menschen, Erde und Wasser mit ihren wilden Gluten verzehrte? Hätte die Welt früher bestehen können, wenn sie nicht so schnell gelaufen wäre? Als sie noch ihre volle Kraft und Stärke besaß, wäre kein Mensch am Leben geblieben, wenn sie so langsam wie heute weitergekrochen wäre; nein, nichts hätte leben, nichts atmen, nichts bestehen können. Doch ich faßte Tama-nui-te-Ra an; nun geht sie langsam, denn wieder und immer wieder schlug ich sie; jetzt ist sie schwach und zieht bedächtig ihres Wegs; jetzt strahlt sie nur wenig Hitze aus, denn ich habe sie mit meiner Zauberwaffe geschwächt; an vielen Stellen habe ich sie getroffen, aus den Wunden leuchten ihre Strahlen hervor und breiten sich nach allen Richtungen hin aus. Ich fand auch heraus, daß die See viel größer als das Meer war; aber durch die Macht und Kraft deines Jüngstgeborenen wurde ein Teil der Erde wieder emporgeholt und wurde zum trocknen Land.« Sein Vater antwortete: »Alles ist wahr, mein Sohn, mein Jüngstgeborener, du Stärke und Stütze meines Alters; schön, sei tapfer, geh' und besuche [313] deine Ahnherrin, die dort drüben am Horizonte lauert und mit den Augen wild funkelt.«
Kaum war die Unterhaltung mit dem Vater beendet, da zog der junge Held auch schon aus, um sich nach Gefährten umzutun, die ihn bei dieser Reise begleiten sollten. Es schlossen sich ihm an die kleine und die große Wanderdrossel, die Singdrossel, die Goldammer, viele andere kleine Vögel und die Bachstelze. Sie versammelten sich alle und zogen dann gegen Abend mit Maui los. Und als sie zum Hause der Hine-nui-te-po kamen, lag sie in tiefem, festem Schlafe.
Maui hielt ihnen eine Rede und sagte: »Liebe kleine Freunde, lacht nicht, wenn ihr mich in diese alte Dame hineinkriechen seht. Nein, nein, bitte, lacht nicht! Aber wenn ich in ihr ganz drin bin und wieder zum Vorschein komme, dann könnt ihr lachen soviel ihr wollt.« Seine kleinen Freunde erschraken darüber und sagten: »Lieber Herr, du wirst gewiß getötet werden.« Aber er entgegnete ihnen: »Wenn ihr zu lachen anfangt, sobald ich in sie hineinkrieche, dann weckt ihr sie, und sie wird mich sofort töten; aber wenn ihr damit wartet, bis ich in ihr drin bin und wieder aus ihrem Munde herausschlüpfe, dann werde ich leben bleiben und Hine-nui-te-po sterben.« Seine kleinen Freunde erwiderten: »Geht denn, tapferer Herr, und nehmt Euch wohl in acht.«
Nun zog der junge Held weiter; er wickelte die Bänder seiner Waffe fest ums Handgelenk und ging ins Haus hinein; er legte seine Kleider ab; da sah man die prächtigen Tatauierungen, die Uetonga mit seinem Stifte auf Mauis Hüften gezeichnet hatte; sie waren schön gesprenkelt wie eine Makrele; dann kroch er in die alte Königin hinein.
Die kleinen Vögel bliesen nun ihre zarten Bäckchen auf und versuchten, ihr Lachen zu unterdrücken. Schließlich konnte der kleine Tiwakawaka, der Fliegenschnäpper, nicht länger an sich halten; er lachte fröhlich und munter sein Helles Lachen; da wachte die Alte auf; sie öffnete die Augen, fuhr in die Höhe und tötete Maui.
So starb Maui; doch noch vor seinem Tode wurden ihm [314] viele Kinder, viele Söhne geboren; einige leben davon noch in Hawaiki, andere in Aotea-roa, der großen weißen Wolke; die meisten seiner Nachkommen blieben in Hawaiki, und nur wenige kamen nach Aotea-roa. So kam der Tod in die Welt, denn Hine-nui-te-po, die Göttin der Nacht und der Unterwelt, war die Göttin des Todes; wäre Maui ungefährdet durch sie hindurchgeschlüpft, dann wären die Menschen nie mehr gestorben, denn der Tod wäre selbst vernichtet worden. Wir sagen: »Weil der Fliegenschnäpper über Maui-tikitiki-o-Taranga lachte, ließ Hine-nui-te-po ihn sterben.« Und das Sprichwort sagt: »Die Menschen zeugen Erben, doch der Tod führt sie hinweg.«
So enden die Taten des Sohnes von Makea-tutara und Taranga.
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