|
[38] Es traf sich einmal so, daß dem Johannisfeste, das die Katholiken so hoch halten, ein Sonntag voranging, und an diesem brach nun ein Bauer früh morgens auf, um rechtzeitig das Städtchen zu erreichen und dort die heilige Messe zu hören. Er nahm auch seinen Esel mit, da er in der Stadt allerhand für den Hausbedarf zu kaufen gedachte. Während der Messe betete er recht andächtig zum heiligen Johannes, um ein kleines bischen Reichtum. Und wahrlich: wems Gott nicht gibt, dem gibts der Heilige auch nicht ... Wozu auch braucht der Bauer Geld? Einen fetten Ochsen läßt man doch nicht leben ...
Nachdem der Bauer seine Besorgungen gemacht und alles auf dem Esel aufgeladen hatte, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, einen Schluck Pflaumenbranntweins zu trinken. Er band also den Esel an einen Zaun und trat ins Wirtshaus. Der Branntwein mundete ihm; er trank noch einen Schluck, und es[39] fiel ihm so mancherlei ein. Er ließ den Kopf auf die Brust sinken, hielt die Augen nur gerade so weit offen, daß er das Branntweinkrüglein sehen konnte, und sang in langgezogenen, leisen Tönen, die sich anhörten, wie das einförmige Surren einer Gusle,1 vor sich hin, von Leid und Freud, von Schmerz und Lust, wie's ihm gerade durch Herz und Kopf fuhr. Dicke Tränen rollten ihm dabei in den buschigen Schnauzbart, und damit war es ihm sicher ernst: denn ohne Grund kann man wohl lachen, aber nicht weinen. Die Sonne stieg und brannte auf dem heißen, braunen Gesichte, ohne daß er es gewahr wurde. Aber als der kühle Abendwind darüber strich, da fuhr er erschrocken auf. Nun galt es heim zu kommen. Er band den Esel los. Munter schritt dieser voraus; mit schweren Tritten ging der Bauer hinterdrein.
Der Vollmond machte die Nacht taghell. Auf den Bergen flammten da und dort mächtige Johannisfeuer. Der Bauer schaute und schaute, achtete dabei nicht des Weges, und stolperte und stolperte, und da ihm das lästig war, so fluchte er gedankenlos, trotz der heiligen Johannisnacht. Eben kam er an einem gewaltigen Steinhaufen, einem alten Heidengrab, vorbei, und ringsum streckte der klippenreiche Felsgrund seine dürren, wie weißes Gebein schimmernden Stümpfe aus dem ihn leicht verhüllenden, dunklen Erdreich. Plötzlich scheute der Esel und stieß ein jammervolles »Nji-ha« aus. »Tschusch! – tschusch! ...« trieb der Bauer das Tier an und schwang fluchend den Stock. Da, was war das? Ein kleines Flämmchen hüpfte über den Stock und flackerte in grünlichem Lichte zwischen dem weißen Gestein. Kalt überlief es den Bauer. Er erinnerte sich an verschiedenes, das an den langen[40] Winterabenden die alten Mütter erzählen. Sollte da wirklich ein Schatz zu heben sein!? ... Mit zitternden Händen suchte er aus dem Gepäck den Essigkrug hervor und goß den Inhalt auf das Flämmchen. Dieses erlosch, und gelbes Gold blinkte ihm entgegen. Gierig griff er darnach und füllte damit den Rucksack, welcher so schwer ward, daß er ihn nicht tragen konnte und ihn dem zitternden Esel aufladen mußte. So schritten sie weiter in die Vollmondnacht hinein. Der Bauer war still und versuchte zu beten. Und wieder scheute der Esel. Am Wege saß ein alter Mann mit unterschlagenen Beinen und rauchte aus einer Pfeife. – »Stoj!![41] Halt!« rief der Alte, »gib mir mein Gold zurück!« Und er griff nach dem aufschreienden Tiere. Da zog der Bauer das Messer aus dem Gürtel und stieß es dem Alten in den Leib. Unbeweglich blieb dieser sitzen, und wankend liefen Bauer und Esel weiter.
Und ihr schwarzer Schatten lief in dem weißen Mondlichte vor ihnen her.
[42]
Jetzt sagte jemand laut: »Komm, wir wollen miteinander ringen; wer stärker ist, dem gehört das Gold.« – Der Bauer wollte das Gold vom Pferde schnallen und es wegwerfen, aber er brachte es nicht fertig. Der Esel lief und lief, und er lief mit; und dabei hörte er immer gleichmäßige Tritte hinter sich »Es nützt dir gar nichts«, sagte die Stimme, »du mußt mit mir kämpfen!«
Der Bauer schlug also ein Kreuz und blieb stehen. Er fühlte sich erfaßt, und nun rang er mit aller Kraft seiner mächtigen Arme gegen ein ekelerregendes Etwas, daß er nicht fassen, nicht halten konnte, das ihm immer aus den Händen schlüpfte, wie ein nasser, seifiger Balg. Es war ein Vampyr, ein Gebilde des Teufels, welcher dem ihm verfallenen Sünder die Haut abzieht, diese mit Wasser aus dem Höllenkessel füllt und mit dem Geifer des Neides besudelt. Der Vampyr aber sucht nach Blut, nach warmem, lebendigen Menschenblut, um sich damit vollzusaugen.
Durch volle drei Stunden rang der Bauer mit dem Vampyr. Schon war er daran zu erlahmen, da ertönte ein Hahnenschrei: »Kukurikuu ...!!« Der Vampyr ließ ab und sagte: »Wäre dieser Vogel Gottes nicht, nie würdest du dein Haus wiedersehen.«
Damit verschwand er. Im Morgengrauen kam der Mann heim, sattelte den Esel ab, warf den mit Gold gefüllten Rucksack in einen Winkel der Hütte, und legte sich hin, um schwer krank liegen zu bleiben. Sein Weib, welches des morgens das Haus[42] kehrte, wie dies überall geschieht, berührte dabei unversehens den Rucksack. Es vergingen ihr die Sinne, so daß sie zu Boden fiel. Nach einigen Stunden war sie tot. Am nächsten Tage geschah das gleiche mit der Tochter, dann dasselbe mit dem Bruder und dem alten Großvater. Als es dem Bauer besser ging und er endlich aufstehen konnte, fand er das ganze Haus ausgestorben, und die Nachbarn mieden es in scheuer Furcht.
Der Bauer dachte nun, da doch alles Unheil von dem Golde aus dem Heidengrabe herrühre, so sei es wohl am besten, wenn er es wieder der Erde zurückgebe. Um von niemandem gesehen zu werden, vergrub er es am Abend unter der Herdstelle. Kaum war das geschehen, so kam ein magerer, schwarzer Hund zur Hütte herein und sagte heiser bellend: »Gib mir das, was unter deinem Herde ist!« Der Bauer bekreuzte sich und betete unablässig, und das Gespenst entschwand. Am nächsten Abend jedoch hielt vor der Haustüre eine dürre Mähre, auf welcher ein Mann mit gebrochenen Beinen saß. »Gib mir das zurück, was unter deinem Herde ist,« krächzte er.
In tiefster Seelenangst betete der Bauer. Da jedoch der Spuck trotzdem nicht entwich, so ermannte er sich, grub das Gold aus der geweihten und gesegneten Herdstelle aus und warf es weit von sich. Es fiel in den Bach, der an der Hütte vorbeifloß, die Goldstücke verwandelten sich in Mäuse, und das Gespenst verschwand. Der Mann aber legte sich wieder auf sein Lager, und nach drei Tagen brach ihm das Herz. Was immer es gewesen sein mag, von den Menschen aus jenem Hause ist keiner mehr auf Erden zu finden.
1 | Südslavisches Saiteninstrument. |
Buchempfehlung
Diese Ausgabe gibt das lyrische Werk der Autorin wieder, die 1868 auf Vermittlung ihres guten Freundes Ferdinand v. Saar ihren ersten Gedichtband »Lieder einer Verlorenen« bei Hoffmann & Campe unterbringen konnte. Über den letzten der vier Bände, »Aus der Tiefe« schrieb Theodor Storm: »Es ist ein sehr ernstes, auch oft bittres Buch; aber es ist kein faselicher Weltschmerz, man fühlt, es steht ein Lebendiges dahinter.«
142 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro