XVI. Der Siegstein.

[14] Es ist gut, den Siegstein zu besitzen und ihn an sich zu tragen, denn der Mann, der ihn hat, gewinnt immer den Sieg, wo er auch im Kampfe steht, ihm geschieht kein Schaden, wo er auch fährt, weder von Menschen noch Trollen, sondern das Glück folgt ihm, alles geht nach seinem Wunsche und alle sind ihm wohlgeneigt. Darum ist es nicht zu verwundern, dass die Leute gern einen solchen Stein wollen, der so viel Gutes mit sich bringt, aber kein Mensch weiss, wo dieser kostbare Stein zu finden ist; aber der Rabe weiss es, und nun soll gesagt werden, wie du es machen sollst, dass der Rabe nach dem Siegstein fliegt und ihn von sich gibt.

So geht die Erzählung der Leute, dass der Rabe im Februar sich begattet, im März Eier legt und im April brütet. Wenn nun der Rabe Eier gelegt hat, soll man hinauf auf die Klippe oder in die Schlucht steigen, wo der Rabe das Nest hat; dort muss man versteckt sitzen, den Raben nichts von sich merken lassen und ruhig warten, bis der Rabe vom Nest fliegt. Da muss man rasch sein, zum Nest zu schlüpfen, die Eier zu nehmen, sie hart zu kochen und wieder ins Nest zu legen, ehe der Rabe wieder heimkommt, so dass er nichts schlimmes vermutet; der muss rasch sein, der das ausführen soll. Der Rabe kommt da wieder zu rück ins Nest und legt sich auf die Eier; aber wenn er nun die ganze Brütezeit gelegen, beginnt er ungeduldig zu werden, denn er sieht, dass noch keines aufgepickt ist, und es wird ihm langweilig, länger zu sitzen. Da. beschliesst er, nach dem Siegstein zu fliegen und sich ihn zu suchen, um ihn in das Nest zu den Eiern zu legen, um sie ausgebrütet zu bekommen; aber der Mann muss dort stehen und entweder den Raben erschiessen und ihm den Stein aus dem Schnabel nehmen, oder ihm den Stein zu den Eiern legen lassen und dann plötzlich über ihn kommen, ehe er die[14] gekochten Eier ausgebrütet hat; denn dann fliegt er mit dem Stein wieder dorthin zurück, wo er ihn geholt hat.

Quelle:
Jiriczek, Otto L.: Færöerische Märchen und Sagen. In: Zeitschrift für Volkskunde 2 (1892) 1-24, 142-165, Berlin: A. Asher & Co, S. 14-15.
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