Das Ei vom Pferd

Ein Fälinger reiste einst mit seinem jungen Sohn durch die Frieslande. Da fiel dem Jungen ein Fohlen auf, das mit der Stute auf einer Weide graste.

»Vader, wor kummt dat Hiesfahl her?« fragte er neugierig, und der Alte antwortete: »Ut 'n Ei.« Da bettelte der Junge: »Vader, koop mi ok 'n Peermo'er, de Eier leggt, ik will ok 'n Hiesfahl.« Der Vater kaufte eine alte Mähre und nahm sie mit nach Hause.

Tag für Tag wartete nun der Junge auf ein Pferdeei. Endlich fand er eines Morgens an der Stelle im Grase, wo das Pferd nachts geruht hatte, einen eiförmigen Feldstein. »Das ist das Pferdeei«, dachte er und nahm es mit nach Hause. Der Vater bestärkte ihn in seiner Meinung und riet ihm: »Breng dat Ei weer in 't Nüst, dat 't utbrödt word!«

Das Ausbrüten indes dauerte ungewöhnlich lange, und der Junge wurde immer ungeduldiger. Da nahm er eines Tages den Stein und schleuderte ihn verächtlich in ein Gebüsch. Ein zufällig dort sitzender Hase sprang erschreckt auf und setzte davon.

»Gott 's Wunner, dar geiht et hen! Nu is 't bursten un utkropen«, rief der Junge, und voller Verzweiflung lief er hinter dem Hasen her und rief: »Kumm Hies! Kumm Hies! Willen di na dien Moder brengen.«

Der Hase aber dachte nicht daran, umzukehren, und so kehrte der Junge, untröstlich über seinen Verlust, schließlich nach Hause zurück.


Sundermann, Fr[iedrich]: Schwänke. In: Ostfriesisches Jahrbuch (1870) S. 52 [Titel ergänzt].

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