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Die Fälinger wurden einst von einer überaus schlimmen Mäuseplage heimgesucht, und in ihrer Not wußten sie weder aus noch ein. Da kam ein Fremder durch ihr Land, und als er die Leute so klagen hörte, sagte er: »Ik will jo 'n Muushund verkopen, de sall jo de Musen wall wegfangen!«
Da waren die Fälinger über die Maßen froh, und sie versprachen ihrem Retter goldene Berge. Am nächsten Tag kam also der Fremde wieder und hatte eine Katze mitgebracht. Alle liefen herbei und bewunderten das unbekannte Tier, und ein jeder tat seine ganz persönliche Ansicht kund.
»Un 'n rechten, egentliken Snurrbart hett 't ok«, meinte zum Schluß der klügste unter ihnen. Sie wußten aber nicht, wie sie mit dem Maushund umgehen mußten, bis der Fremde ihnen erklärte, sie könnten das Tier ruhig laufen lassen, dann würde es die Mäuse von selbst wegfangen.
Mit diesen Worten steckte er die Kaufsumme ein und ging fort.
Als der Fremde gerade zum Dorf hinausgekommen war, fiel den Fälingern siedendheiß ein, daß sie vergessen hatten zu fragen, was das Tier denn wohl fräße. Flugs schickten sie den langen Jannes hinter drein, und dieser lief, so schnell er konnte und rief dem Fremden schon von weitem zu: »Du, wat frett he?«
Der Mann antwortete aus der Ferne: »Ji dumme Düvels, he frett all wat de Lü fretet!«
Der lange Jannes jedoch verstand die Worte falsch, entsetzt rannte er zurück und rief seinen Landsleuten zu: »All Lü frett he! All Lü frett he!«
Die Fälinger, die noch immer andächtig um die Katze versammelt waren, stoben auf diesen Schreckensruf entsetzt auseinander, darüber erschrak die Katze gleichfalls und setzte wie wild hinter den Flüchtenden her. Dabei fuhr sie einem Fälinger zwischen die Beine, so daß er stürzte und glaubte, sein letztes Stündlein sei gekommen. Die verängstigte Katze sprang aber durch die vorderste Reihe der fliehenden Fälinger hindurch, und als ihr nun auch noch ein anderer versehentlich auf den Schwanz trat, biß sie ihn ins Bein. Dieser schrie wie am Spieße, und es entstand ein unglaublicher Tumult, daß kein Mensch wußte, wo aus noch ein.
Die Katze aber flüchtete inzwischen in ein offenstehendes Haus und war schon bald auf Mäusejagd.
Da besannen sich die Fälinger und beschlossen das Haus zu umzingeln und das Untier zu töten. Mit Forken, Flegeln und Knüppeln zogen sie in den Kampf. Sie stießen die Haustür auf, da sich aber keiner hineintraute, riefen sie alle erdenklichen Schimpfwörter: »Krüllhaar! Beest! Seerover! Goos! Teev!« denn sie glaubten, die Katze würde die Herausforderung schon annehmen, sie kam aber nicht zum Vorschein. Schließlich beschlossen sie, vom Warten und Schimpfen erschöpft, das Haus in Brand zu stecken.
Als das Feuer um sich griff, wurde es der Katze zu ungemütlich, sie sprang oben aufs Dach, um die Lage von oben zu betrachten, huschte aber bald wieder hinunter. Da hielt ihr ein in der Nähe stehender Fälinger seinen langen Dreschflegel entgegen, um sie wieder in die Flammen zu schleudern. Die Katze aber nahm die vermeintliche Brücke an, lief rasch den Stiel entlang, sprang über den Kopf des Fälingers hinweg und verschwand im Nachbarhause. Flugs wurde auch dieses angezündet, und als die Katze wiederum den Flammen entschlüpfte, das folgende und so weiter, bis am Ende das ganze Dorf in Flammen stand.
Ob die Katze schließlich im Flammenmeer den Tod gefunden hat, ist nicht genau bekannt geworden. Genug, sie war verschwunden, und die Fälinger freuten sich nur, daß sie auf solch wohlfeile Weise von einem gräßlichen Menschenfresser erlöst worden waren.
Sundermann, Fr[iedrich]: Schwänke. In: Ostfriesisches Jahrbuch (1870) S. 59–61.