Die Fälinger wollen

einen ostfriesischen Turm umstürzen

Die Münsterländer hatten einst beschlossen, den ihnen am nächsten liegenden ostfriesischen Kirchturm zu zerstören. Mit zehn Ochsengespannen – denn Pferde hatten sie damals noch nicht – und einem langen starken Tau gingen sie eines Nachts auf Vandalenfahrt aus.

Es ist nicht mehr bekannt, ob der Anschlag dem Turm in Völlen oder auch in Steenfelde gegolten hat.

Als sie am Ort angekommen waren, banden sie das Tau um die Turmspitze, spannten die Ochsen paarweise davor und trieben nun die Tiere mit aller Macht vorwärts. Aber als das vorderste Gespann so stark zog, spannte sich das Tau, so daß die hinteren Gespanne mit in die Höhe gingen. Der Zug aber war so lang, daß die Treiber vorn nichts davon bemerkten.

Erst als das Tau immer straffer und straffer wurde, und ein Gespann nach dem andern hochgezogen wurde, erkannten sie, was sie angerichtet hatten. Da trieben sie die Gespanne nicht weiter, und die hängenden Ochsen sanken allmählich wieder auf die Erde zurück – aber die Zunge hing ihnen schlaff aus dem Maul, sie waren tot.

Nun verzichteten die Münsterländer darauf, den Turm umzustürzen, und die lebenden Ochsen mußten die toten fortschleppen, so gut es eben ging.

Die Ostfriesen aber sahen am andern Morgen die Schleifspuren deutlich und drohten, es den 'Füürsteenfreeters' wieder zu vergelten.


Sundermann, Friedrich: Der Upstalsboom. Ostfrieslands Volksüberlieferungen [...] 1. Aurich 1922, S. 172.

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