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Bald nachdem der Alte Fritz Ostfriesland in Besitz genommen hatte, kam ein hochgestellter preußischer Beamter – ob nun ein Kammerrat oder Kammerpräsident weiß ich nicht, ich erzähle nur vom Hörensagen – nach Aurich, um dort sein Amt anzutreten.
Er wollte Land und Leute kennenlernen, und so kam er eines Tages auf einer Inspektionsreise auch ins Reiderland. Spätabends erreichte er mit seinem Diener müde und matt und mit leerem Magen ein Dorf. Er kehrte beim ersten Bauern ein, stellte sich vor und bat freundlich für sich und seinen Bedienten um Gastfreundschaft und Nachtquartier, er stelle auch keine Ansprüche.
Der Bauer nahm aber den Fremden kaum zur Kenntnis, seine Rede noch weniger und dachte, 'en Utlanner' sollte doch eigentlich den Spruch kennen: Bleibe im Lande und nähre dich redlich. Schließlich gewährte er ihm aber doch ein Nachtquartier, aber – um 's Abendessen könne man sich nicht mehr kümmern.
Der Beamte stutzte, und der Diener faßte erschrocken an seinen Magen. Als der Bauer dies aber auch nicht weiter beachtete, fragte der Fremde: »Aber, Freund, kann man denn hier in der Nähe wohl kleine Steine bekommen?«
»Wat Flinten? Wat will He darmit?«
»Laßt gut sein – kochen, wenn Ihr mir den Topf dazu leihen wollt!«
»Kann angahn«, sagte der Bauer, dachte aber insgeheim: »Dat is ja 'n Düvelskeerl!«
Die Flinten wurden zusammengesucht, der Diener wusch sie sauber ab, goß etwas Wasser in den Topf, schüttete sie hinein, und bald brodelte es lustig, und das Hausgesinde stand neugierig darum herum und harrte der weiteren Dinge.
»Aber etwas fehlt mir nun«, sagte der Fremde und sah die Hausfrau an. »Milch und ein wenig Mehl, sonst würden die Steine trocken bleiben.« Und als die Hausfrau ihm das Gewünschte herbeibrachte, sprach er wie zu sich selbst: »Ja, und ein halb Dutzend Eier, die würden dem Ganzen ein Ansehen geben, und – Ansehen macht Gedenken!«
Von diesem Sprichwort hatte die Frau auch schon gehört, und auf ein halb Dutzend Eier kam es ihr just nicht an. Sie winkte der Magd, und die brachte noch zwei mehr, weil auch zwei Eier mehr im Nest gewesen waren.
Der Diener hatte unterdes das Feuer tüchtig geschürt, auch zuweilen den Deckel gelüftet und meinte nun, die Flinten seien so weit gediehen, um den Zusatz aufnehmen zu können. »Dann bitte ich noch um ein Geschirr und einen Löffel«, sagte der Fremde, »und, damit uns die Flinten nicht anbrennen, um ein Stückchen Butter.« Auch dies gab ihm die Frau, und noch ein wenig Salz dazu, denn ohne Salz könne es doch wohl unmöglich angehen.
Der fremde Herr war damit einverstanden, nahm das Geschirr, rührte darin fein säuberlich einen Brei zurecht aus Milch, Mehl und Eiern, fügte die Flinten hinzu, nachdem er das überflüssige Wasser abgegossen hatte, und bald war das Essen fertig. Als nun das Ganze auf den Tisch kam, waren die Flinten unter ihrem delikaten Überzug schlichtweg nicht mehr zu erkennen.
Die beiden Fremden ließen sich ihre Mahlzeit schmecken, die Flinten wurden bis zuletzt aufgespart, dann die Hülle davon gelöst und gegessen und der harte Kern auf einen Teller gelegt und schließlich von dem fremden Herrn beiseite geschoben mit den Worten: »Ist keine Kraft mehr darin, gesegnete Mahlzeit!«
Der Bauer aber, der die ganze Geschichte vom Hörn aus mit angesehen und angehört hatte, verhielt sich ganz still. Und am anderen Morgen sind Gäste und Gastgeber voneinander in bester Freundschaft geschieden.
Ostfriesischer Volksbote 2 (1864) S. 89–91.