Wie die Fälinger ihre Kirche verschoben haben

(a) De Fälings sünd ok insmal mit all Mann bigahn un hebben hör Kark verschuven wullt. Se setten de Foten to Schrapp un hollen mit de Hannen de Müür van sük un fangen an to tellen: »Haal een, haal twee, haal dree!«

Nu hett dat averst regent un de Grund is hellsk glerig, so dat se bi elkemal Toschuven torügglieden un schüün to liggen kamen. Do seggen se: »He – e geiht! He – e kummt!« un löven, dat hör de Kark man so unner de Hannen weglöppt.


Willms, W[ilhelm] J[acob]: Redelköst un Schnipp-Schnapp-Schnaren vör Jan un alle Man ut de ostfreeske Pott upscheppt. Aurich 1866, S. 85 [Titel ergänzt].


(b) Die Fälinger hatten einst einen Priester, der sich bitter darüber beklagte, daß ihm sonntags immer die Sonne auf die Bibel scheine, und das könne er gar nicht ertragen. Da kamen sie alle zusammen und überlegten, wie diesem Mißstand am schnellsten und gründlichsten abzuhelfen sei.

Der eine schlug vor, die Fenster neben der Kanzel zu vermauern. Sie wären diesem klugen Rat auch beinahe gefolgt. Denn der Vorschlag eines anderen, die Kirche umzubauen, schien ihnen doch gar zu kostspielig.

Auf dem Höhepunkt ihrer Debatte kam ein herumziehender Schalk, ein Fiedler, des Weges und hörte sich das Hin- und Hergerede eine Weile an. Schließlich fragte er, was er zum Lohn bekäme, wenn er ihnen einen guten Rat erteilte. Die Fälinger antworteten: »En Packje Kleer.«

Der Fiedler forderte darüber hinaus noch hundert Taler und man wurde handelseins. Dann sagte er, wenn der Anzug fertig sei, sollten sie alle wiederkommen, und auch der Priester solle dabeisein, um anzugeben, wie er die Kirche haben wolle, er selbst wolle sie dann wie gewünscht ausrichten. Darüber waren alle sehr froh. Sie ließen geschwind den Anzug anfertigen, und der Schalk zog ihn an und steckte seine hundert Taler ein.

Dann stand er da wie ein großer Herr und befahl den Fälingern, alle Stricke herbeizuholen, die sie hatten. Als das geschehen war, band er die Stricke rund um die Kirche, hieß den Priester sich auf die Kanzel zu stellen und kommandierte laut: »Alle Mann fassen die Stricke! Eins – haal twee! Nu treckt man wieder, Kinners! Haal een!«

Die Fälinger zogen aus Leibeskräften. Weil aber der Kirchhofsboden rutschig war, glitten sie aus. Sie glaubten jedoch, die Kirche habe sich von der Stelle bewegt. Der Schalk aber nahm heimlich seine alten Kleider und verhängte das Fenster.

Als der Priester nun plötzlich merkte, daß die Sonne nicht mehr auf das Buch schien, rief er laut: »Hollt still, hollt still! 't geiht al to wiet!«

Der Schalk aber hatte sich indes aus dem Staube gemacht.


Sundermann, Fr[iedrich]: Schwänke. In: Ostfriesisches Jahrbuch (1870) S. 48.

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