14.
Cauth Morrisy.

[21] Als ich ein junges Mädchen von fünfzehn Jahren war, verließ ich meine Heimat, um mir in der Fremde einen Dienst zu suchen. Die erste Nacht brachte ich im Hause einer Bäuerin zu, die gerade[21] damit beschäftigt war, Flachs zu trocknen. Sie hieß mich an's Feuer sitzen und gab mir ein großes Stück Brot nebst einem Klumpen harter Butter. Als ich nun letztere an's Feuer hielt, um sie weich zu machen, fiel sie hinein und die Flamme schlug plötzlich so hoch auf, daß sie den Flachs und das Strohdach ansteckte. Hätte ich mich nicht so schnell wie möglich aus dem Staube gemacht, so wäre es mir schlimm ergangen.

Darnach kam ich in ein anderes Haus, in dem die Frau am Herde saß. »Kannst du mir nicht ein Nachtlager geben?« fragte ich. »Recht gerne,« erwiderte sie, »aber mein Mann ist nicht zu Hause und wenn er dich zufällig hier sieht, so schlägt er Alles kurz und klein; du mußt dich also oben in die Kammer legen und darfst dich um Gottes Willen nicht rühren.«

Ich that wie mir die Alte befahl und als ich mich niedergelegt hatte, hörte ich ihren Mann mit einem Schafe, das er gestohlen hatte, nach Hause kommen.

»Ist Alles fertig?« fragte er.

»Ja,« antwortete sie.

Darauf schlachtete er das Schaf und währenddem sie ihm ein Abendessen kochte, fragte er, ob sich während seiner Abwesenheit hier Niemand einquartirt habe.

»Wer sollte sich dessen unterstehen?« erwiderte sie.

»Das ist keine bestimmte Antwort; wen hast du eingelassen?«

»O, es kam ein ganz kleines Mädchen herein und legte sich oben in die Kammer.«

»Ich hänge dich doch noch auf für deinen Ungehorsam, werde aber vorläufig die hergelaufene Dirne zur Ruhe bringen!«

Als ich dies hörte, sprang ich zum Fenster hinaus und lief so weit mich meine Füße tragen konnten und nach einigen Stunden kam ich in eine Hütte, in der ein alter Mann vor einem Buche saß.

»Setze dich,« sprach er, »der Schafsdieb kommt nicht hierher. Iß und trink so viel du willst und erzähle mir eine Geschichte.«

»Aber woher soll ich eine Geschichte wissen?«

»Das ist schlimm; doch hole mir etwas Holz herein, das Feuer geht sonst aus.«

Ich that, wie mir befohlen; da es jedoch dunkel war, so fiel ich hin und beschädigte mich bedeutend am Kopfe.[22]

»Weißt du nun eine Geschichte?« fragte er mich, als ich wieder in's Zimmer trat.

»Nein,« antwortete ich.

»Da thust du mir leid. Allem Anscheine nach bist du sehr müde, nimm dir daher ein Licht und gehe in die Scheune, wo du dir selber ein Strohlager zurecht machen kannst. Aber nimm dich ja in Acht, daß du nichts in Brand steckst!«

Ich wünschte ihm gute Nacht, ging in die Scheune und legte mich auf ein Bündel Stroh. Als ich gerade am Einschlafen war, hörte ich draußen mehrere Männer sprechen und bald darnach hereinkommen. Ich versteckte mich, so gut es in der Eile ging, und sah, wie drei häßlich aussehende Gestalten einen Sarg in die Scheune stellten und darauf Karten spielten. Dabei fluchten und schimpften sie sich einander derart, daß mir angst und bange ward.

Endlich sagte Einer: »Es ist Zeit, daß wir gehen; hebt den Sarg auf!« »Das ist leicht gesagt!« erwiderte ein anderer, »ich muß die Last am hintern Ende ganz allein tragen.«

»Laß dir doch die kleine Cauth Morrisy helfen; sie liegt dort im Stroh!« sprach der Dritte und ich mußte gehorchen.

Wir gingen durch Felder und Wälder und der Sarg ward mir mit jedem Schritte schwerer. Auch die drei Männer schienen müde zu sein; denn der eine sprach: »Laßt uns den Sarg hier hinstellen; Cauth Morrisy kann ja darauf Acht geben, während wir einem Bekannten einen Besuch abstatten.«

Als sie fort waren, klopfte es auf einmal im Sarge.

»Was willst du?« fragte ich.

»Luft, Luft! Hebe den Deckel auf!« war die Antwort.

Ich öffnete den Sarg und ein alter, verdächtig aussehender Kerl sprang heraus und setzte sich neben mich. »Diese vermaledeiten Hallunken,« sprach er, »haben mir einen elenden Platz angewiesen; willst du nicht ein wenig mit mir spielen?«

Darauf zog er ein Packet schmutzige Karten aus der Tasche und gab mir unter schrecklichem Fluchen die Hälfte. Ich spielte so gut ich konnte; aber mit der Zeit ward mir sein Gespräch so unerträglich, daß ich die Karten hinwarf und fortlief. Er eilte mir nach, doch ehe er mich erreichte, war ich wieder im Hause des alten Mannes, der noch lesend beim Feuer saß.[23]

»Ich glaubte, du wärest in der Scheune und schliefst,« sagte er; »vielleicht kommst du, um mir eine Geschichte zu erzählen?«

»Gewiß!« erwiderte ich und erzählte ihm, was vorgefallen war.

»Aber warum hast du mir dies nicht früher mitgetheilt?«

»Ich habe diese Geschichte ja eben erst erlebt.«

»Das ist allerdings wahr.«

Er schüttelte den Kopf bedenklich und ich schlief ein. Als ich am nächsten Morgen erwachte, lag ich auf dem Mist und hatte einen dicken Kuhfladen zum Kopfkissen.

Quelle:
Knortz, Karl: Irländische Märchen. Zürich: Verlagsmagazin J. Schabelitz, 1886, S. 21-24.
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