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[24] Brian Neill war ein armer Schneider, der von Dorf zu Dorf wandern und sich bei den Bauern sein Brot sauer verdienen mußte. So kam er denn einstens in das Haus der Frau Rooney und da diese gerade sehr viel Arbeit für ihn hatte, so ward ihm gleich gesagt, er möge nur ruhig einige Wochen da bleiben. Dies war ihm sehr lieb und er flickte nicht allein die zerrissenen Kleider, sondern half auch bei Tische aufwarten und machte sich sonst überall nützlich.
Nun war er eines Tages sehr traurig und ließ nachdenkend den Kopf hängen, was man sonst durchaus nicht an ihm gewöhnt war.
»Wo fehlt's?« fragte ihn die Frau.
»Ist es nicht merkwürdig,« erwiderte er, »daß ich in drei Nächten hinter einander denselben Traum geträumt habe? In der Schlucht von Knocmor sah ich einen großen Stein neben einem Dornbusche stehen und zwischen beiden war ein Graben, in dem sich ein Schatz befand. Ich halte es nun nicht mehr aus; gebt mir einen Spaten, damit ich gleich nachgraben kann!«
Da es unmöglich gewesen wäre, ihn auf andere Gedanken zu bringen, so ließ man ihn ruhig abziehen und wünschte ihm viel Glück zu seinem Vorhaben.
Nach drei Stunden kam er wieder, aber er sah so bleich und zerstört aus, daß er schwer wieder zu erkennen war.
»Liebe Frau,« seufzte er, »laßt mich irgendwo hinliegen; ich bin so matt und schwach, als ob ich sterben müßte!«[24]
Die mitleidige Frau geleitete ihn zum Bette ihres Knechtes und beeilte sich, ihm eine stärkende Suppe zu kochen. Als er dieselbe gegessen und sich wieder einigermaßen erholt hatte, erzählte er wie folgt:
»Als ich in die Schlucht kam, fand ich den Stein und den Dornbusch, wie ich sie im Traume gesehen hatte und machte mich auch gleich an die Arbeit. Ich mochte ungefähr zwei Stunden lang gegraben haben, da kam ich auf eine große eiserne Kiste, die so schwer war, daß ich sie nur mit der größten Anstrengung an die Oberfläche brachte. Doch als ich den Deckel öffnen wollte, ward ich plötzlich so schwach, daß ich mich kaum noch bewegen und nach Hause schleppen konnte.«
Darnach schlief er ein. Am nächsten Morgen war das Erste, daß er wieder in die Schlucht lief, um den Schatz zu holen. Doch schon nach einer Viertelstunde war er wieder zurück und bat die Frau, ihm die Geldkiste auszuliefern.
»Was meinst du?« fragte sie ihn.
»Nun, ich meine den Schatz, denn ich gestern in der Schlucht zurückließ; du hast ihn doch sicherlich in der Nacht geholt, denn er ist nicht mehr da!«
»Armer Mann, du scheinst von Sinnen zu sein.«
»Komm nur mit und sieh den Graben, der Spaten liegt noch dabei.«
»Aber das ist doch kein Beweis, daß ich den Schatz geholt habe?«
Inzwischen waren mehrere Nachbarn gekommen und hatten dies Gespräch mit angehört. Sie gingen nach der Schlucht und überzeugten sich von der Wahrheit dessen, was der Schneider gesagt hatte; nur der Schatz war nicht zu finden. Die Frau ließ das ganze Haus durchsuchen und als sich der arme Mann in seiner Erwartung getäuscht sah, setzte er sich in eine Ecke und weinte und lachte. Er hatte den Verstand verloren und mußte nach seinem Dorfe zurückgebracht werden.
Doch so lange er lebte, kam er regelmäßig die Woche einmal zu Frau Rooney und ließ sich ein Almosen oder, wie er sagte, einen Theil seines Schatzes reichen.[25]