2.
Eine probate Kur.

[3] Richard hatte den Beinamen »der Taugenichts« nicht ohne Grund erhalten; denn wenn sich sein Vater und sein Bruder auf dem Felde abquälten, hielt er sich in den Wirthshäusern auf und vertrank und verspielte Alles bis auf den letzten Rock. Seine größte Freude bestand jedoch im Tanzen, worin er solche bewunderungswerthe Geschicklichkeit erlangt hatte, daß ihm seine Verwandten Vieles hingehen ließen, wenn er ihnen Abends eine Vorstellung gab, wozu er übrigens auch stets bereit war.

Als er nun eines Abends die große Stallthüre ausgehoben und in den unebenen Hof gelegt und eben angefangen hatte, darauf einige kunstreiche Sprünge zu machen, brach er plötzlich mit einem lauten Schrei zusammen und war von diesem Augenblicke an so kraftlos, daß er in's Bett getragen werden mußte. Alle Quacksalber des ganzen Dorfes kamen herbei und probirten ihre Künste an ihm, ohne ihm jedoch Linderung zu verschaffen und zuletzt sagte einer: »Das ist kein gewöhnlicher Mensch; das ist ein Wechselbalg!«[3]

Und so schien es auch; denn aus dem lebenslustigen, jungen Manne war im Laufe weniger Stunden ein unausstehlicher, griesgrämiger und verhutzelter Kerl geworden, der alles Eßbare, das vor ihn kam, mit einem wahren Heißhunger verschlang. Seine Verwandten waren rath- und trostlos; doch da kam eines Tages ein Schwarzkünstler zu ihnen, hing einen Dudelsack an das Bett des Unglücklichen und sagte ihnen heimlich, daß, wenn sie ihn auf demselben spielen hörten, es sicher wäre, daß sie einen Wechselbalg vor sich hätten und nicht den Richard, der ja nicht spielen könne.

Doch der Kranke war eben so schlau und ließ das Instrument ruhig hängen. Aber endlich verrechnete er sich doch. Da es nämlich wunderschönes Wetter war und er glaubte, Alle seien auf dem Felde, holte er den Dudelsack herbei und musizirte nach Herzenslust. Seine Verwandten aber standen nebst einem Teufelsaustreiber und dessen Frau in der Küche und hörten dies Alles mit an.

»Was sollen wir mit diesem Hallunken anfangen?« fragte die Frau.

»Wir nehmen ihn am Kragen und halten ihn mit dem Kopfe so lange in's Wasser, bis er das Athmen vergißt!« erwiderte der Zauberer.

»Das wäre eine zu leichte Strafe. Ich will eine große eiserne Schaufel heiß machen und ihn darauf setzen!«

»Ich will lieber die Zange in's Feuer legen und ihm, wenn sie heiß ist, die Nase damit zwicken!«

»Halt! Ich weiß etwas Besseres! Ich gebe ihm einen Schluck aus meiner Medizinflasche und er wird bald den Winter und die Hölle abwechselnd in seinem Magen spüren!«

»Gut; laß uns hineingehen!«

Doch als sie in die Stube traten, war der Wechselbalg verschwunden und nirgends mehr zu sehen. Dafür aber sah der Teufel zum Fenster herein und als der Zauberer mit der glühenden Zange nach ihm schlug, verschwand auch er unter gräßlichem Lachen.

Am nächsten Morgen fand man Richard gesund und munter in seinem Bette. Aber ein Taugenichts war er nicht mehr; denn Keiner arbeitete jetzt fleißiger und las eifriger im Gebetbuche als er.[4]

Quelle:
Knortz, Karl: Irländische Märchen. Zürich: Verlagsmagazin J. Schabelitz, 1886, S. 3-5.
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