28.
Des Priesters Abendessen.

[48] Sachverständige wollen behaupten, daß die »guten Leute« oder Elfen Engel seien, die wegen ihres anstößigen Betragens den Himmel verlassen mußten und nun theilweise je nach ihren Sünden auf und unter der Erde wohnten. Doch man weiß darüber nichts Gewisses. Wenn man Abends ihre lustigen Tänze beobachtet und sieht, wie leicht und munter sie über die Grashalmen springen, so drängt sich einem wenigstens der Gedanke auf, daß sie sich nicht unglücklich fühlen und mit ihrem Loose sehr wohl zufrieden sind. Mit den Priestern scheinen sie jedoch auf keinem guten Fuße zu stehen, denn als sie sich eines Abends auf einem Hügel in Cork tummelten, sang der König plötzlich:


»Laßt das Tanzen, laßt das Schweifen,

Laßt das Trommeln und das Pfeifen,

Meine Nase spricht,

Und sie lüget nicht,

Daß ein Pfaff des Weges kommt!«


Und er hatte Recht, denn Vater Horrigan kam mit seinem Pferde am Elfenhügel vorbei und da es schon ziemlich spät geworden war, so ging er in die erste beste Hütte, die er am Wege fand, und bat um ein Nachtquartier.

Beim Landmann Dermond fand er freundliche Aufnahme, aber dieser hatte weiter nichts als ein paar Kartoffeln, die er ihm zum Abendessen vorsetzen konnte.

»Der Fluß ist so leer an Fischen, wie mein Hut,« sagte Dermond, »und ich habe seit einigen Wochen stets vergebens das Netz ausgeworfen. Da ich nun einen Priester zu Gast habe, so wäre es wohl möglich, daß sich das Glück wendete; nun, ich werde schnell einmal zusehen; der Fluß ist ja nur ein paar Schritte entfernt!«

Er eilte fort und als er das Netz herauszog, zappelte der schönste Lachs von der Welt darin. Doch wie Dermond die Hand nach ihm ausstreckte, ward ihm auf einmal das Netz aus der Hand gerissen und der Fisch schwamm so fröhlich fort, als ob gar nichts vorgefallen wäre.[48]

»Möge dich das Unglück Tag und Nacht verfolgen!« rief Dermond ärgerlich; »du solltest dich schämen, einen alten, ehrwürdigen Mann so zum Besten zu haben; deine Gesellschaft ist jedenfalls keine gute, denn es war sicherlich der Teufel, der mir mit solchem kräftigem Ruck das Netz aus der Hand riß!«

»Das ist nicht wahr,« sprach ein winziges Elflein; »es haben nur anderthalb Dutzend von uns daran gezogen. Doch sei nicht bange; wenn du dem Priester eine Frage von uns vorlegst, so soll er bald das schönste Abendessen von der Welt vor sich sehen.«

»Ich mag mit euch nichts zu thun haben und habe nicht die geringste Lust, durch eine gottlose Frage von euch meine Seligkeit auf das Spiel zu setzen!«

»Eine anständige, harmlose Frage kannst du schon unbesorgt an ihn richten.«

»Gegen eine solche Frage habe ich allerdings nichts einzuwenden; aber mit eurem Abendessen bleibt mir vom Leibe!«

»Frage Vater Horrigan, ob unsere Seelen am Tage des Gerichtes zu den Freuden des ewigen Lebens zugelassen werden und laß uns seine Antwort wissen.«

Dermond ging zurück in seine Hütte und entledigte sich seines Auftrags.

»Sage den Elfen,« gab ihm der Priester darauf zur Antwort, »sie möchten hierher kommen und ich würde ihnen irgend eine Frage mit dem größten Vergnügen beantworten.«

Als Dermond ihnen dieses mittheilte, flohen sie nach allen Winden.

Der Bauer verwunderte sich im Stillen über die große Macht, die Vater Horrigan über die Elfen besaß; noch mehr verwunderte er sich aber, daß dieser nicht im Stande war, ein besseres Abendessen zu beschaffen.

Quelle:
Knortz, Karl: Irländische Märchen. Zürich: Verlagsmagazin J. Schabelitz, 1886, S. 48-49.
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