31.
Herr und Knecht.

[56] Billy Mac Daniel war ein lustiger, junger Mann, der sich nur vor dem Durste fürchtete. Den ganzen Tag dachte er nur an's Trinken und wer dafür bezahlte, war ihm völlig gleichgültig.

Nun ging er einst kurz nach Weihnachten auf einen Abend nach Hause und da es ihn schauderhaft fror und sein Weg ein weiter war, so sprach er laut zu sich selber: »Ein Tropfen guten Branntweins[56] könnte jetzt nicht schaden; es ist ja so kalt, daß einem die Seele im Leibe erfriert!«

»Das kannst du ja haben!« sprach plötzlich ein kleiner Mann mit dreieckigem Hute und silberverzierten Schuhen zu ihm und reichte ihm ein gefülltes Glas, das so groß wie er selber war.

Billy griff zu und leerte es auf einen Zug.

»Das hast du gut gemacht!« sprach darauf der Kleine; »aber glaube nicht, daß du mich wie viele Andere betrügen kannst. Zieh' den Beutel und zahle, wie es einem anständigen Menschen geziemt.«

»Ich soll dir auch noch Geld geben?« erwiderte Billy; »ich kann dich ja bequem wie eine Kartoffel in die Tasche stecken!«

»Billy Mac Daniel! du mußt von heute an auf sieben Jahre und einen Tag mein Diener sein; dies werde ich als meine Bezahlung betrachten!«

Als dies Billy hörte, war es ihm doch nicht mehr einerlei und es that ihm sehr leid, so geringschätzend von dem Kleinen gesprochen zu haben. Er folgte ihm; denn es kam ihm vor, als könne er nicht anders.

Gegen Morgen sprach sein Herr zu ihm; »Heute Abend erwarte ich dich im Fort-Felde und zwar ziemlich früh, da wir einen weiten Weg vor uns haben. Wenn du dich als guter Diener zeigst, wirst du stets einen nachsichtigen Herrn in mir finden.«

Am folgenden Abend war Billy auf seinem Platze. »Billy,« sprach sein Herr, »sattle zwei meiner Pferde; das Gehen würde uns zu sehr ermüden.«

Billy freute sich sehr darüber, da er aber keine Pferde in der Nähe sah, so fragte er ihn darnach.

»Frage nicht zu viel,« erwiderte Jener, »geh' dort in das Wäldchen und hole die zwei größten Büsche, die du siehst.«

Er that es und als er sie zu ihm brachte, hieß er ihn sich darauf setzen.

»Worauf soll ich mich setzen?« fragte Billy.

»Nun, auf den Rücken des Pferdes, wie ich!«

»Halte mich doch nicht zum Narren, ich werde diesen Busch doch nicht für ein Pferd ansehen!«

»Setze dich darauf, du hast noch nie auf einem besseren Pferde gesessen!«[57]

Inzwischen hatte sich der Kleine auf seinen Busch gesetzt und dreimal »Borram!« gerufen. Nun that auch Billy dasselbe und augenblicklich fühlte er sich auf dem Rücken eines Pferdes, das pfeilschnell mit ihm davon flog. Leider hatte er sich jedoch mit dem Rücken nach der Spitze des Busches gesetzt, so daß infolgedessen sein Kopf nach dem Schwanze gerichtet war.

Wie lange sie auf der Reise waren, bis sie vor einem schönen Hause standen, vermochte Billy nicht zu sagen. Da die Thüren desselben alle verschlossen waren, so krochen sie durch das Schlüsselloch, gingen in den Weinkeller und tranken sich herzlich satt.

»So lange du mir genug zu trinken gibst,« sprach Billy, »bin ich mit meinem Dienste schon zufrieden.«

»Ich habe keinen Kontrakt mit dir gemacht,« erwiderte der Kleine, »komm und folge mir!«

Darauf schlichen sie wieder durch das Schlüsselloch in's Freie und ritten zurück auf das Fort-Feld, woselbst Billy bis auf den folgenden Abend entlassen wurde. Mit der Zeit war kein Weinkeller mehr in Irland, dem Beide nicht einen nächtlichen Besuch abgestattet hatten.

Nun sagte eines Abends der Kleine zu seinem Diener: »Nimm heute drei Pferde mit, denn es ist möglich, daß wir Gesellschaft mit nach Hause bringen.«

Billy that's und sie ritten vor das Haus eines reichen Bauern, in dem es sehr lustig herging.

»Ich werde morgen tausend Jahr alt!« sprach der Kleine.

»Gott segne dich!« erwiderte Billy.

»Sprich diesen Namen nicht mehr aus, wenn du mich nicht in's Unglück stürzen willst. Da ich morgen tausend Jahr alt werde, so denke ich, ist es wohl Zeit, daß ich mich verheirate.«

»Da hast du Recht, wenn du dich überhaupt noch verheiraten willst!«

»Zn diesem Zwecke bin ich hierher gekommen. In diesem Hause hier soll sich diese Nacht Darby Riley mit der schönen Bridget Rooney vermählen; da nun dieses ein großes, schlank gewachsenes Mädchen ist, so werde ich sie entführen.«

»Was wird aber Darby Riley dazu sagen?«

»Still! Ich habe dir schon früher das viele Fragen verboten!«[58]

Darauf sprach er einige Zauberworte und er und Billy krochen durch das Schlüsselloch in's Haus. Dann rollten sie sich so zusammen, daß sie nicht größer als Frösche waren und setzten sich in dieser Gestalt in eine Ecke der Zimmerdecke.

Es hatten sich alle Anverwandte von Braut und Bräutigam versammelt und des Scherzens und Trinkens wollte gar kein Ende nehmen; das Merkwürdigste war, daß der anwesende Priester zur Eröffnung des Hochzeitsschmauses auch nicht einmal ein »Gott segne es« sagte.

Darüber freute sich der Kleine natürlich ungemein und sprach: »Die halbe Braut ist mein; laß sie nur dreimal niesen und ich habe sie ganz!«

Billy bedauerte das schöne Mädchen im Stillen; für einen tausendjährigen Mann war sie doch zu jung und zu gut und wenn jener hundertmal sein Herr gewesen wäre. Als das Mädchen zum dritten Male nieste, rief er plötzlich: »Gott segne uns!« Im nächsten Augenblicke erhielt er von seinem Herrn einen solchen Tritt, daß er hinunter auf den Tisch fiel. Dort erzählte er seine traurige Geschichte zur Erheiterung der Gesellschaft, wonach er eingeladen wurde, ebenfalls an dem Feste teilzunehmen, das er sich natürlich nicht zweimal sagen ließ.

Quelle:
Knortz, Karl: Irländische Märchen. Zürich: Verlagsmagazin J. Schabelitz, 1886, S. 56-59.
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