53.
Tiis.

[106] Ein alter Jäger in Kund konnte das Läuten der Kirchenglocken nicht ertragen und er zog daher nach Funen, woselbst er von den Gebräuchen des neueingeführten Christenthums nicht belästigt wurde.

Nun begegnete ihm eines Tages ein Mann aus seiner alten Heimat, bei dem er sich nach seinen alten Nachbarn erkundigte und ihn dann bat, einen Brief mitzunehmen.[106]

»Es ist ein kleines Geheimniß damit verknüpft,« sagte er; »ich werde ihn dir in die Tasche stecken und du darfst die Adresse nicht ansehen. Wenn du nach Kund kommst, wirfst du ihn einfach über die Mauer des Kirchhofs und dann wird ihn der richtige Mann schon finden.«

Der Mann versprach es ihm, aber als er zurückgekehrt war, dachte er nicht mehr daran. Als er nun einst im Wiesenthale war, wo sich jetzt der Tiissee befindet, fiel ihm plötzlich der Brief wieder ein und er besah die Adresse. Dabei bemerkte er, daß Wasser daraus tropfte, was ihm so merkwürdig vorkam, daß er ihn öffnete. Da aber entstürzte ihm ein solcher Wasserstrom, daß er eiligst nach der nächsten Anhöhe flüchten mußte. Allmälig füllte sich das ganze Thal mit Wasser und der ganze See entstand.

Die Absicht des rachsüchtigen Jägers war, mit diesem schrecklichen Briefe die Kirche von Kund und vielleicht die ganze Stadt zu vernichten.

Quelle:
Knortz, Karl: Irländische Märchen. Zürich: Verlagsmagazin J. Schabelitz, 1886, S. 106-107.
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