9.
Ein Kobold in Eselsgestalt.

[13] Der gute alte Patrik Henry pflegte einen großen Theil des Jahres Geschäfte halber in Dublin zuzubringen und da er seine Familie gewöhnlich mitnahm, so blieben nur seine Knechte und Mägde zurück, um das Haus zu bewachen. In diesem Hause schien es aber nicht recht geheuer zu sein, denn jede Nacht klopfte es an die Küchenthüre und dann wurden die Teller und Schüsseln so durcheinander geworfen, daß man meinte, es bliebe Nichts mehr ganz.

Nun hatten sich die Dienstboten eines Abends vor dem Schlafengehen in der Küche allerlei Geistergeschichten erzählt, wobei ein Knecht in einer Ecke so tief eingeschlafen war, daß er die Andern nicht weggehen hörte. Plötzlich wurde er nun durch einen lauten Schlag an die Thüre geweckt und als er sich aufrichtete, sah er einen großen Esel vor sich, der ganz munter seine Stimme erschallen ließ. Der Knecht war so erschrocken, daß er kein Wort sprechen konnte und er glaubte, der Esel würde ihn jeden Augenblick verschlingen. Doch der langohrige Fremde bekümmerte sich nicht weiter um ihn, denn er hatte dem Anscheine nach viel wichtigere Geschäfte zu besorgen.

Zuerst blies er das Feuer wieder an und dann stellte er mit seinen Vorderfüßen einen Kessel voll Wasser darauf und währenddem dasselbe warm ward, stellte er alle Teller und Schüsseln auf den Küchentisch zusammen. Auch sah er sich etwas aufmerksamer in der Küche um und beschnüffelte den ängstlichen Knecht von allen Seiten, ohne ihm jedoch das geringste Leid zuzufügen. Als das Wasser anfing zu kochen, y-ate er vor Freude so laut, daß die Fensterscheiben[13] am ganzen Hause klirrten, und dann wusch er alle Tisch- und Küchengeräthe so sauber, wie es die beste Magd im vornehmsten Gasthofe zu Dublin nicht schöner fertig gebracht hätte. Dann stellte er Alles wieder an die geeigneten Plätze, machte das Feuer aus und ging seiner Wege.

Jetzt athmete der Knecht wieder frei auf und schlich sich in sein altes Schlafgemach. Am nächsten Morgen erzählte er sein Erlebniß und die Dienstboten hatten nun für den ganzen Tag Stoff zur Unterhaltung.

»Köstlich,« sagte eine Magd, »wenn der Esel das Geschirr aufwäscht, so brauchen wir es ja nicht mehr zu thun und können also eine halbe Stunde eher schlafen gehen!«

»Das ist das gescheidteste Wort, das du in deinem Leben gesprochen hast,« erwiderte eine Andere, und daß sie seit dieser Zeit dem Esel alle Küchenarbeiten überließen, verstand sich von selber. Am Morgen war die Küche jedesmal so rein gescheuert und alle Schüsseln und Teller waren so blank, daß ein König daraus hätte essen können. Den faulen Mägden gefiel dies natürlich über alle Maßen und sie hätten gerne noch mehrere solcher Esel im Hause gesehen, welche die anderen Arbeiten verrichtet hätten.

Nun war unter den Knechten einer, der hatte Courage und blieb eines Abends in der Küche sitzen und wartete auf den Esel. Als derselbe gekommen war und eben seine gewohnte Arbeit beginnen wollte, fragte ihn der Knecht: »Dürfte ich vielleicht wissen, wer du eigentlich bist und weshalb du deine Nachtruhe den Mägden opferst?«

»Das will ich dir sagen,« erwiderte der Esel; »ich war früher ein Knecht in diesem Hause und zwar der allerfaulste, den die Sonne jemals beschien. Als ich gestorben war, wurde mir die Strafe auferlegt, jede Nacht dies Haus zu besuchen und Alles, was in der Küche ist, zu reinigen.«

»Können wir vielleicht etwas für dich thun?«

»O ja, wenn ihr wollt; es ist manchmal sehr empfindlich kalt und wenn ihr mir einen warmen Rock machen ließet, so würdet ich euch sehr dankbar sein.«

»Den sollst du mit dem größten Vergnügen haben.« Nach einigen Tagen wurde dem Esel ein warmgefütterter Rock mit vier Aermeln für die Beine geschenkt und als er ihn angezogen hatte, sprach er:[14] »Der paßt mir wie angemessen und ich bin euch sehr verbunden. Ich empfehle mich!«

Darauf gieng er fort und eine Magd rief ihm nach: »Du gehst heut Abend viel zu frühe fort; denn du hast ja deine Arbeit noch nicht gethan!«

»Jetzt ist wieder an euch die Reihe,« erwiderte er, »meine Strafe sollte nur so lange dauern, bis mich Jemand für meine Dienste bezahlte. Ihr seht mich jetzt nie mehr!«

Und so war es auch.

Quelle:
Knortz, Karl: Irländische Märchen. Zürich: Verlagsmagazin J. Schabelitz, 1886, S. 13-15.
Lizenz:
Kategorien: