[428] Árn. II 505–8. Aus Arna-Magnæana 602 e 4 to von Hildur Árngrimsdóttir der Gelehrten.
Ein König sieht einst eine schöne Kuh, die er für die seinige hält. Wie er hört, dass ein armer Bauer Besitzer dieses Tieres ist, will er sie durchaus für sich erwerben und schickt Leute aus, sie zu kaufen. Doch der Bauer will sie um keinen Preis hergeben. Schliesslich erschlagen ihn die Diener des Königs und nehmen ihm die Kuh fort. Alle Kinder des Bauern fangen darüber an zu weinen, mit Ausnahme des ältesten Sohnes Brjám. Die Leute fragen nun die Kinder, wo sie Schmerz empfinden. Diese zeigen auf ihr Herz, während Brjám sie anglotzt und auf seinen Hintern weist. Darauf werden alle Kinder mit Ausnahme des blöden Brjáms getötet, damit sie nicht später den Mord des Vaters zu rächen versuchen. – – – Einst geschieht es, dass für die Königstochter ein Frauenhaus gebaut werden soll. Als Brjám gerade vorbeikommt, fragen ihn die Leute, was er dazu sage. Er antwortet: »Es vermindere sich um eine grosse Menge.« Darauf schwindet die Hälfte des Goldes, das zur Verzierung dienen sollte, so dass der König die Bauleute für Diebe hält und sie hängen lässt. Brjám kommt zu seiner Mutter und erzählt ihr, was er geantwortet hat. Diese tadelt ihn und sagt, er hätte antworten müssen, »es wachse um drei Drittel«. Der Sohn merkt sich diese Antwort und bringt sie am nächsten Tage an, als die Diener des Königs eine Leiche zu Grabe tragen. Darauf wird diese so schwer, dass sie sie fallen lassen müssen. Nun belehrt ihn die Mutter, er hätte sagen sollen: »Gottes Friede deiner Seele.« Darauf bringt er diese Rede an, wie der Schinder gerade einen Hund hängt. Als dann am folgenden Tage die Königin spazieren gefahren wird, sagt er das, was er dem Hund gegenüber hätte sagen sollen: »Ist dies etwa irgend ein Diebshund des Königs, mit dem Ihr nun zu tun habt?« Auf die Königin hätte dann nach der Unterweisung der Mutter die Frage gepasst: »Ist dies vielleicht die Hausehre des Königs, mit der Ihr nun fahrt?« Am folgenden Tage wird ein Pferd abgedeckt, und da bringt er nun den Spruch für die[429] Königin an. Jetzt ist selbst die Mutter über seine Dummheit verzweifelt und fürchtet, dass sie ihn noch einmal töten werden. – – Nach einiger Zeit fahren Leute des Königs in zwei Booten zum Fischen hinaus. Sie fragen Brjám nach dem Wetter. Er antwortet, indem er abwechselnd in die Luft und auf den Boden schaut: »Wind und nicht Wind.« Sie lachen ihn aus und fahren fort. Nachher entsteht ein grosser Sturm, in dem sie alle umkommen. – – Zu einem Feste ladet der König viele Gäste ein. Auch Brjám geht dorthin und schneidet sich in der Werkstätte Holzstückchen zurecht, die er alle mit Stahlspitzen versieht. Als man ihn bei dieser Arbeit sieht, fragt man ihn, was er damit anfangen wolle. Er antwortet: »Den Vater rächen, den Vater nicht rächen.« Auf diese Rede hin gehen die Leute lachend fort. Nun macht sich Brjám in die Königshalle, wo mittlerweile schon alle betrunken sind, und nagelt alle Gewänder der Leute an ihrem Platze fest. Als am Abend die Gäste aufstehen wollen, entdecken sie diesen Streich. In der Trunkenheit beschuldigt einer den andern, ein Kampf entsteht, in dem schliesslich der König mit seinen Hofleuten und Gästen umkommt. Nun bietet Brjám seine Dienste der dadurch hilflosen Königin und ihrer Tochter an. Er wird am Hofe so unentbehrlich, dass er schliesslich die Prinzessin heiratet und König wird.
Das Märchen von dem Toren, der die Worte, die seine Mutter ihm zu einer bestimmten Gelegenheit lehrt, stets nachträglich am falschen Orte anbringt, hat im Isländischen eine besondere Gestalt angenommen. Es ist in Verbindung gebracht mit einer Persönlichkeit, von der auch schon die »Islendingasögur« und Saxo Grammaticus erzählen. Brjám der Narr, der seinen Vater rächte, hat seine Parallele in Karl Karlsson (»Svarfdæla saga« S. 72 ff.) und dem Königssohne Amlethus (»Saxo Gramm.« III S. 87 ff.). Denn auch diese spielen die Rolle eines Narren, bis sich ihnen die Gelegenheit bietet, für den Mord ihres Vaters blutige Rache zu nehmen.
Dass jedoch dieses Märchen auch in der Gestalt, wie es bei den andern Völkern sich findet, in Island bekannt ist, zeigt die Variante aus einem Manuskripte der Landesbibliothek in Reykjavík (Lbs 533 4 to):[430]
Ein armes Bauernpaar hat einen einzigen Sohn. Wie der Vater stirbt, übernimmt dieser das Amt des Vaters, die Leute auf einer Fähre über den Fluss zu setzen. Da die Bezahlung meist in Lebensmitteln besteht, gibt die Mutter ihm dafür einen Topf mit. Am ersten Tage hat er drei Hirten mit ihren Schafen überzusetzen und bekommt von ihnen ein junges Lamm zum Lohn. Er bricht es so lange, bis er es in seinen Topf hineingezwängt hat. Wie die Mutter das sieht, wird sie böse und sagt, er hätte es auf den Armen tragen sollen. Am nächsten Tage schüttet er nun den Branntwein, den er diesmal als Bezahlung erhielt, über seine Arme. Nun erklärt ihm die Mutter, er hätte den Branntwein in eine Flasche giessen müssen. Diesem Kate folgt er am andern Tage mit vieler Mühe mit dem Brote, das ihm von den Reisenden für die Überfahrt gegeben wird. Nun hält die verzweifelte Mutter es für unmöglich, dass er noch länger Fährmann sei und schickt ihn ins benachbarte Königreich, damit er dort vielleicht etwas lerne. Da sie vermutet, dass er Leute beim Säen treffen werde, lehrt sie ihm zu sagen: »Gott segne euer Werk!« Unglücklicherweise trifft er jedoch Knechte, die eine Hündin hängen, und die über seine übel angebrachte Rede sehr erbost sind. Die Mutter belehrt ihn, er hätte in diesem Falle sagen müssen: »So bringen Leute eine Leiche zum Galgen.« Diese Rede, die er am folgenden Tage anwendet, wie der Minister des Königs begraben wird, findet jedoch auch wenig Anklang. »Die Seelen der Rechtschaffenen sind in Gottes Hand«, das wäre bei dieser Gelegenheit nach der Ansicht der Mutter eine passende Rede gewesen. Wie er aber in solcher Weise zu den Knechten spricht, die gerade ein Pferd abtun, wird er wiederum mit Schimpf heimgejagt. Noch einmal belehrt ihn die Mutter, welcher Ausspruch nun am Platz gewesen wäre. Er prägt ihn wie gewöhnlich seinem Gedächtnisse ein, und wie er am folgenden Tage dem Brautzuge der Prinzessin begegnet, erklärt er: »Das ist doch ein grosses Schandwerk!« Nun wird er auf Befehl des Königs mit Schlägen aus der Burg hinausgetrieben, und seine verzweifelte Mutter gibt für alle Zeiten die Hoffnung auf, dass ihr Sohn zu Verstand kommt.
In diesem zweiten isländischen Schwanke sind die zwei Formen dieses Märchens, die ich in den übrigen hierher gehörigen[431] Märchen nur getrennt nachweisen kann, zu einer Erzählung vereinigt. Das Märchen von dem Narren, der die Reden, die ihn nachträglich gelehrt werden, bei der nächsten Gelegenheit falsch anwendet, findet sich noch bei Grimm (143 »Up Reisen gohn« II S. 195 ff.) und bei Hahn (111 »Der dumme Junge, welcher Geld gewinnt« II S. 154 ff.). Von dem Tölpel, der nach den guten Lehren seiner Mutter stets um einen Tag zu spät handelt, wird in einer ganzen Reihe von Märchen erzählt: (Fær. 30 »Tápu-Kristin« S. 358 ff., Asbj. 87 »Galematthis« S. 128 ff., Jac. I »Lazy Jack« S. 152 ff., Zingerle 6 »Der gescheite Hans« S. 451 ff. und Grimm 32 »Der gescheite Hans« S. 125 ff.). – – In ähnlicher Weise wie im Deutschen, Norwegischen und Færöischen, d.h. in Verbindung mit einer Brautwerbung, findet sich dieser Schwank auch schon im »Wendunmuth« (81 »Ein reicher bauwer heuraht zum adel« I S. 101 ff.).