[138] Árn. II S. 379–83. Nach einer Erzählung aus der Dalasýsla.
Einem Königspaar, das draussen im Garten sich befindet, wird der einzige Sohn, Græðari, von einem Drachen mitsamt seiner Wiege gestohlen. Dieser gleiche Drache fliegt mit seiner Beute in ein anderes Königreich und will auch dort dem[138] Königspaare, das gleichfalls mit seinem Kinde im Garten ist, das Töchterchen Geirlaug wegnehmen. Doch der Vater schlägt dem Drachen mit dem Schwerte so wuchtig ins Auge, dass er davonfliegt und auch seine erste Beute noch fallen lässt. Auf dem Wickelbande des fremden Knaben, das über der Wiege gebunden ist, stehen mit Goldbuchstaben die Worte »Græðari, der Sohn des Königs Græðari«. Über seine Herkunft ist aber sonst nichts zu ermitteln. So wird er vom Königspaar an Kindesstatt angenommen und mit Geirlaug zusammen erzogen. – Nun stirbt die Königin. Nach einer Weile heiratet der König wieder und zwar eine Unholdin. Wie er einst auf Schatzreisen ist, sucht die Königin die Kinder in ihrem Turme auf. Doch sie sind verschwunden. Nun sagt sie dreissig Knechten, dass sie einen schlechten Traum geträumt habe, der Unfriede bedeute. Sie sollten hinausgehen und alle Tiere töten. Sie finden ausser zwei wunderschönen Füllen jedoch keine andern Tiere, und da sie diese für würdig halten, einst die Reitpferde des Königspaares zu werden, verschonen sie sie. Am Abend lässt die Königin diese Leute zu einem Trinkgelage zusammen kommen. Hier gibt sie ihnen einen Trank, nach dessen Genuss sie alles sagen mussten, was geschehen war. Wie die Königin von den Füllen hört, wird sie so wütend, dass sie alle dreissig tötet. Nach einer Woche kommt der König heim. Auch ihm erzählt die Gattin von ihrem Traume und bittet ihn, dass er am andern Tage mit dreissig Leuten ausziehe, um alles Lebende ringsum zu töten. Geirlaug, die von allen Unternehmungen der Stiefmutter unterrichtet ist, verwandelt sich und ihren Pflegebruder in zwei Singvögel. Sie singen nun so schön, dass der König den ganzen Tag ihnen zuhorcht, die dreissig Knechte aber vergeblich den Wald nach etwas Lebendem durchstöbern. Der König will von dem Morde der beiden Vögelchen nichts wissen, und so kehrt auch er unverrichteter Dinge heim. Am Abend erfährt die Königin durch ihren Trank wieder alles, was sich zugetragen hat. Darauf tötet sie ihren Mann und seine dreissig Knechte und macht sich dann selber auf, um die Kinder zu vernichten. Geirlaug verwandelt sich nun in einen Wal und ihren Pflegebruder in eine der Flossen des Wales. Die Stiefmutter greift sie in der Gestalt eines grossen Fisches an. Aber[139] Geirlaug kämpft sehr tapfer, bis sie endlich die Stiefmutter überwanden hat und tötet. Doch sie ist vom Kampfe dann so ermüdet, dass sie sich nicht mehr zu rühren vermag und drei Tage wie tot daliegt. Wie sie sich erholt hat, wünscht sie sich, dass sie mit Græðari an die Umzäunung gekommen sei, die das Königsschloss von Græðaris Vater umschliesst. Kaum gesagt, sind sie auch schon dort. Græðari soll auf den Rat seiner Pflegeschwester sein Wickelband umbinden und dann in den Königspalast gehen. Aber er dürfe unter keiner Bedingung, so sehr es ihn auch dürste, irgend etwas trinken, ehe er mit seinem Vater gesprochen habe. Darauf trennen sich die beiden unter heissen Liebesversicherungen. Wie Græðari seines Weges zieht, quält ihn furchtbarer Durst. Er sieht auf einem Silberfasse einen mit Wasser gefüllten Goldbecher stehen, und seines Versprechens uneingedenk trinkt er aus ihm. Im gleichen Augenblicke hat er Geirlaug und seine ganze Vergangenheit vergessen. – Im Schlosse erkennt man in ihm den einst geraubten Königssohn, und nun lebt er bei den Eltern in Freuden und Herrlichkeit. – – – – Wie nach drei Stunden ihr Pflegebruder nicht zu ihr zurückkehrt, ersieht Geirlaug daraus, dass er ihr Gebot übertreten und sie vergessen hat. Sie geht nun zu einem reichen Bauern, der mit seinen beiden Töchtern in der Nähe des Schlosses wohnt, und bittet hier unter dem Namen Lauphöfða um Aufnahme. Bald verbreitet sich im Königreiche die Nachricht, dass eine unbekannte Frau zu dem Bauern gekommen sei. Diese habe die Töchter des Bauern in kurzer Zeit so trefflich unterrichtet, dass man weit und breit ihresgleichen nicht finden könne. Græðari hört auch dieses Gerücht. Er fasst mit seinen beiden besten Freunden, die ihm überallhin folgen, den Plan, an drei Abenden hintereinander die beiden Bauerntöchter und Lauphöfða aufzusuchen. Die Freunde sollen zu den Bauernmädchen gehen, während er für sich die fremde Frau wählt. Geirlaug weiss diesen Plan schon im voraus und gibt dementsprechend den Bauerntöchtern ihre Weisungen. Wie der erste Gast kommt und die Nacht mit einem der Mädchen verbringen will, hat dieses nichts dagegen. Schon liegt er im Bette, da fällt ihr auf einmal beim Auskleiden ein, dass sie vergessen habe, das Kalb der Lauphöfða[140] festzubinden. Der Gast bietet sich an, das für sie zu tun. Leicht bekleidet geht er hinaus. Aber sowie er das, Kalb anfasst, kann er sich von ihm nicht mehr lösen und wird nun die ganze Nacht von dem Tiere herumgejagt, so dass er am Morgen halbtot vor Müdigkeit und Kälte heimkehrt. Von diesem Erlebnis sagt er seinen Freunden nichts, und so ergeht es diesen nicht besser. – – – – Nach einiger Zeit soll Græðari auf den Rat seines Vaters um die Tochter eines benachbarten Königs freien. Wie er mit der Braut landet, soll das junge Paar mit dem Wagen zum Schlosse gefahren werden. Doch die Pferde sind nicht von der Stelle zu bringen. Auf den Vorschlag seiner beiden Freunde lässt Græðari die Lauphöfða um ihren jungen Stier als Vorspann bitten. Diese will ihn auch leihen, wenn sie dafür am Hochzeitstage auf einer Bank hinter dem Brautpaare sitzen dürfe. Sowie nun der Stier vor den Wagen gespannt wird, läuft er so schnell, dass das Gefährt fast zu zerbrechen droht, und die Braut für ihr Leben fürchtet. – – – Am Hochzeitstage erscheint Geirlaug mit den Bauerntöchtern und setzt sich hinter das Brautpaar. Sie hat über ein prächtiges rotes Seidenkleid ein Gewand von Birkenrinde gezogen, und einen Korb trägt sie am Arme. Wie die Fröhlichkeit am höchsten ist, nimmt sie aus ihm einen Hahn und eine Henne. Der Hahn reisst der Henne alle Federn aus, bis nur der rechte Flügel übrig ist. Da sagt die Henne zu ihm mit lauter Stimme: »Willst du auch mit mir so verfahren, wie Græðari, der Sohn des Græðari, mit der Königstochter Geirlaug verfuhr?« Wie der Königssohn das hört, wird er traurig, denn nun kehrt ihm die Erinnerung an seine Pflegeschwester und Braut zurück. Geirlaug reicht ihm als Erkennungszeichen einen Ring, dann wirft sie ihr Rindengewand ab und steht im Festkleide vor ihm. Græðari und Geirlaug heiraten einander, und die beiden Freunde die beiden Bauerntöchter. Die Tochter des Nachbarkönigs erhält aber zur Entschädigung ein halbes Königreich.
Eine Variante dieses Märchens findet sich bei Árn. (II S. 417–20) nach einer Handschrift des Pastors Jón Þórðarson, unter dem Titel »Das Märchen von dem Königssohne Jónides und der Königstochter Hildur.« Auch hier wird der Königssohn[141] von einem Drachen geraubt und gelangt zu einem anderen Königspaare, das ihn mit seiner Tochter Hildur aufzieht. Die Verfolgerin der Pflegegeschwister ist hier die Grossmutter der Königstochter, von der diese auch all ihre Zauberkünste gelernt hat. Zuerst will sie Jónides vergiften, doch Hildur warnt ihren Pflegebruder vor der Speise. Dann will sie die beiden im Bette ermorden. Hildur legt zwei Holzblöcke in die Betten. Wie die Alte in diese hineinhaut, bleibt das Messer drin stecken, und sie hängt bis zum andern Morgen ihrerseits fest am Messer. Doch Hildur sieht ein, dass sie im Schlosse des Vaters nicht mehr sicher sind. Sie entflieht nun mit Jónides. Am ersten Tage werden sie zwei Forellen, die die Grossmutter, die sie verfolgt, vergeblich zu fangen sucht. Am anderen Tage werden sie zwei Hunde und entkommen auf diese Weise den nach ihnen ausgesandten Knechten. – – – Um für immer der Grossmutter zu entfliehen, setzt sich Hildur mit Jónides auf ein grünes Tuch. Sie fahren lange Zeit durch die Luft, bis sie in einem schönen König reiche sich niederlassen. Jónides soll hier ins Schloss gehen, seine Mutter begrüssen und sich als Herrscher anerkennen lassen. Denn er sei der Sohn des verstorbenen Königs und sei in frühester Kindheit von einem Drachen geraubt worden. Damit er sie nicht vergesse, beschmiert sie ihn vor dem Abschiede mit einer Salbe. Wie Jónides halbwegs ist, kommt eine Hündin und leckt die Salbe von ihm ab – hierdurch geht ihm die Erinnerung an seine Braut und Pflegeschwester völlig verloren. – – Er heiratet dann ein schönes Mädchen, das kurze Zeit nachher zum Schlosse kommt. – – Hildur findet Aufnahme in der Hütte armer Bauersleute. Wie eines Abends der Knecht des Schweinehirten dort um Nachtherberge bittet, sagt ihm der Alte, er könne sie bekommen, wenn er mit seiner Tochter im gleichen Bette schlafen wolle. Der Bursche ist damit sehr zufrieden. Ehe jedoch Hildur sich schlafen legt, fällt ihr ein, dass das Feuer noch unversorgt ist. Der schon entkleidete Knecht will diese Arbeit für sie tun und bleibt bis zum anderen Morgen am Herdsteine haften. Nicht besser ergeht es dem Schweinehirten, dem der Knecht nur erzählt hatte, dass er die Nacht im Bette der schönen Bauerntochter zugebracht[142] habe. Er muss nun die Nacht hindurch an der Hüttentür festhängen. – – – Der junge König Jónides, der sich auf der Jagd verirrt hat und nun zur Bauernhütte gelangt ist, bekommt zum Nachtquartier gleichfalls das Bett der Bauerntochter angeboten. Er will für sie noch die Kälber hereinlassen und muss nun an dem Schwänze des einen die ganze Nacht zubringen. Am Morgen erlöst ihn Hildur. Sie bestreicht ihn noch einmal mit der Salbe, und nun kommt ihm die Erinnerung an alles zurück. Das fremde schöne Mädchen, das er geheiratet hat, ist die böse Grossmutter, die ihn auf diesem Wege umbringen will. Heimgekehrt lässt er sie sogleich töten, und dann heiratet er seine Pflegeschwester Hildur.
Zwei andere Varianten, die unter einander wieder sehr viele gemeinsame Züge haben, sind weiter noch im Isländischen von diesem Märchen erhalten. Die eine steht in der Volkssagensammlung von Ólafur Davidsson, der sie von seinem Bruder Guðmundur erzählt bekommen hat (S. 139–51), und die andere findet sich in einem Manuskripte der Landesbibliothek (Lbs. 425 8 vo). In beiden Märchen ist die Heldin – bei Dav. Vísijómfrú, im Ms. Svanslaug genannt – angeblich die Tochter der bösen Stiefmutter, in Wirklichkeit aber eine gestohlene Königstochter, bezw. Grafentochter. Während Svanslaug gerade so wie in den vorhergehenden Märchen Geirlaug und Hildur von vornherein über alle Verfolgungspläne unterrichtet ist, macht sich Vísijómfrú jedesmal zur Fliege und hört so zu, welche Pläne die böse Königin mit ihrer Mutter gegen den jungen Prinzen (bei Dav. Arnodius, im Ms. Agnedius) schmiedet. In beiden Märchen soll er für die Königin an einer Quelle Wasser holen. Vísijómfrú gibt ihm einen Runenstab, den er in die Quelle werfen und dabei sagen soll, dass sie ihn verschonen möge. Svanslaug läuft ihrem Pflegebruder nach und rät ihm, zuerst einen Stein ins Wasser zu werfen und dabei den Drachen, der den Quell bewacht, in ihrem Namen um. Schonung zu bitten. – – – Wie der Königssohn im Auftrage der Stiefmutter die Pferde des Königs füttern soll, gibt ihm Vísijómfrú ein Pulver. Das soll er in seine drei letzten Fussstapfen streuen, ehe er in den Pferdestall geht und dann[143] ferner mit ihm die Pferde besprengen. Dann würde ihm kein Leid geschehen. – Im Märchenmanuskripte wird hierfür erzählt, dass Agnedius ausgeschickt wird, um von der Schwester der Königin, einer furchtbaren Riesin, eine Hündin wieder zu fordern. Auf den Rat der Svanslaug ordnet und reinigt der Prinz zuerst die Höhle. Als die Unholdin kommt, fragt sie ihn, ob er lieber satt oder hungrig sterben wolle. Agnedius wählt das erstere. Nach der Mahlzeit gibt er der Riesin einen Ring, den Svanslaug ihr schickt, und darüber wird diese so erfreut, dass sie ihn am Leben lässt und ihm am andern Morgen auch die Hündin mitgibt. Nach seiner glücklichen Rückkehr entfliehen Svanslaug und Agnedius miteinander. Bei Ólafur Davidsson wird jedoch erzählt, dass die böse Stiefmutter noch zwei andere Versuche gemacht hat, den Königssohn zu töten. Wie dem Jónides des Árnasonschen Märchens, wird ihm auch hier eine vergiftete Speise vorgesetzt. Er darf nach dem Rate seiner Pflegeschwester nur essen, wenn auch sie isst und muss mit ihr zugleich aufhören. – Nun will die Königin sie nachts im Schlafe ermorden. Auch Vísijómfrú legt zwei Holzklötze ins Bett. Wie die Königin und ihre Mutter mit scharfen Schwertern auf das Holz loshauen und nun ihren Irrtum bemerken, wünscht Vísijómfrú, dass die Grossmutter sofort tot niederfallen, die Mutter hingegen den Schenkel brechen soll. Danach entfliehen die beiden Pflegegeschwister aus dem Schlosse. Bei Dav. werden sie vor den Verfolgern der Stiefmutter zuerst zu zwei Steinen, dann zu zwei Eichen, hierauf zu zwei Riesen in ihrer Höhle und schliesslich, als die Königin selbst kommt, zu zwei Forellen. Wie die Unholdin den beiden nichts anhaben kann, wünscht sie ihnen, dass sie einander völlig vergessen sollen, sowie sie wieder Menschengestalt angenommen haben werden. Nicht eher solle ihnen die Erinnerung zurückkommen, bis ihnen die Vögel des Himmels wieder voneinander erzählen. Trotzdem kann aber Arnódius seine Vísijómfrú nicht vergessen. Da kommt eine schwarze Hündin zu ihm, springt schmeichelnd an ihm in die Höhe, und erst jetzt schwindet ihm die Erinnerung an die Vergangenheit. – – – In dem noch ungedruckten Märchen werden die beiden zu einem Pfarrer und seinem Messner, die in einer Kirche predigen[144] und singen. Nun kommt aber die Königin selber. Da verwandelt Svanslaug sich und Agnedius in zwei Schwäne. Sowie sie die Stiefmutter herannahen sehen, verkriechen sie sich unter einen Stein, so dass die Unholdin nichts ausrichten kann. Neugierig steckt Agnedius gegen das Verbot seiner Pflegeschwester den Kopf aus dem Verstecke heraus, und sofort legt die Stiefmutter den Fluch auf ihn, dass er Svanslaug gänzlich vergessen solle. Dann geht sie fort, doch ein Schwan eilt ihr schnell nach und beisst ihr die Nase ab. Mittlerweile fliegt Agnedius fort, nimmt wieder Menschengestalt an und kommt (ebenso wie bei Dav. Arnódius) zu einem kinderlosen König. Nach dem Tode des letzteren wird er König und will nun eine schöne Jungfrau heiraten, die er von einer Reise mitgebracht hat. Svanslaug, die für eine Bauerntochter gilt, soll die Hochzeitskleider machen. Da diese zur bestimmten Zeit nicht fertig sind, kommen zuerst an zwei Abenden die beiden Minister und schliesslich der junge König selbst, um sie zu holen. Alle drei werden von dem Mädchen, bei dem sie die Nacht schlafen wollen, an den Herdstein, an das Kalb und an die Hüttentüre festgebannt. – Das gleiche Schicksal haben bei Dav. der Minister, der König und Arnódius, der bei dem kinderlosen Könige erster Minister geworden war und dessen Schwester heiraten sollte. Wie er am Hochzeitstage zur Kirche geht, kommen zwei Vögel geflogen, setzen sich auf seine Schultern und sagen: »Heirate du lieber die Vísijómfrú.« Nun kehrt ihm die Erinnerung zurück, und er heiratet seine Pflegeschwester, die dann zu allem Glück auch noch die in der Kindheit gestohlene Tochter des Königs ist. – – – – Im Märchenmanuskripte darf die Bauerntochter zum Lohne für die Verfertigung der Hochzeitskleider das Brautpaar beim Festmahle bedienen. Sie hat dabei zwei weisse Habichte auf der Schulter. Die Braut ist empört, dass eine solche Dirne an ihrem Tische sei. Svanslaug schenkt während dieser Äusserung dem Könige einen Becher voll Wein ein und wirft der Braut einen Handschuh ins Gesicht. Darauf wird diese zur naslosen, bösen Stiefmutter, die sofort getötet wird. Agnedius aber heiratet seine Pflegeschwester. –[145]
Dieses Märchen ist neben dem Märchen »von dem zum Hunde verwandelten Königssohne« (Amor und Psyche) wohl am meisten in allen Märchensammlungen vertreten. Bei Asbj. (46 »Mestermø« S. 230 ff.) dient ein Königssohn einem Riesen und vermag drei Arbeiten mit Hilfe eines Mädchens, das der Riese versteckt hält, zu vollbringen. Dann fliehen die beiden. Dem schlaftrunkenen Riesen geben drei Blutstropfen Antwort. Wie er sie verfolgt, werfen sie einen Salzstein und einige Tropfen Wasser aus, die zum Felsen und zum Meere werden. Der Königssohn vergisst die seiner wartende Mestermø, weil er daheim einen Biss in einen Apfel getan hat. Um das Mädchen, das sich am Walde in einer Hütte niedergelassen hat, freien Schulze, Schreiber und Vogt. Sie müssen die Nacht hindurch am Feuer, an der Türe und am Kalbe hängen bleiben. Wie der Königssohn mit der Hexenbraut zur Kirche fahren will, geht der Wagen nicht vorwärts, so dass schliesslich das Kalb vorgespannt werden muss. Mestermø bringt zur Hochzeitstafel einen goldenen Hahn und ein goldenes Huhn, die sich um einen Goldapfel zanken. – – In einer Variante, die Asbj. zu »Mestermø« S. 475 ff. mitteilt, wird ein armer Knabe, der im Walde gefunden wurde, mit einem vornehmen Mädchen auf erzogen. Die Mutter desselben will ihn töten, darum entfliehen die beiden. Sie verwandeln sich vor den Verfolgern in einen Mann und eine Kuh, Kirche und Küster, Wasser und Ente. – – Auch hier kommt der Geliebte als letzter Freier zu dem fremden schönen Mädchen. Er muss die ganze Nacht hinter dem Kalbe herlaufen. Bei der Hochzeitstafel hat die Fremde zwei Tauben, die einander das Essen streitig machen. –
Im Dänischen findet sich das Märchen bei Grundtv. in (7) »Vildering Kongesøn og Miseri Mø« (II S. 77 ff.). Ein Königssohn erhält durch eine gestohlene Königstochter Hilfe bei den Arbeiten, die ein Zauberer ihm auferlegt. Vor den Verfolgern verwandeln sich die beiden zu Rosenstock und Rose, Kirche und Pfarrer und Ente und Entrich. Durch den Kuss eines Hundes vergisst der Königssohn die Braut. Zu Miseri Mø kommen der Kutscher, Kammerdiener und Stallmeister, die in der Nacht dann am Ofenstocher, an dem Türriegel[146] und am Kalbe hängen bleiben. Den Hochzeitswagen muss das graue Kalb zur Kirche ziehen. Miseri Mø kommt an die Brauttafel mit zwei Tauben, die sich zanken. – –
Goldmariken hilft bei Müllenhoff (VI S. 395 ff.) gleichfalls dem Goldfeder, die ihm aufgetragenen Arbeiten zu verrichten. Tor der Flucht wird die Kammertüre zweimal angespuckt, damit sie antwortet. Auf der Flucht werden die beiden zum Rosenbusch und zur verdorrten Rose, Kirche und Prediger, Teich und Ente. Durch einen Kuss kommt das Vergessen der Braut. Die drei Bewerber, die sich von Goldmariken Kragen nähen lassen, werden von ihr in der Nacht an das Schloss der Haustüre, an den Ring der Gartentüre und an das Seil des Kalbes gebannt. Der Wagen des Bräutigams bleibt stecken, bis das Kalb vorgespannt wird. Goldmariken kommt dann mit zwei Tauben zur Hochzeit. – –
Bei Grimm finden sich einige Motive in den Märchen »De beiden Künigeskinner« (113, II S. 102 ff.), »Der Trommler« (193, II S. 314 ff.), »Der liebste Roland« (56, I S. 211 ff) und »Fundevogel« (51, I S. 189 ff.). Von Arbeiten, bei denen ein Mädchen dem Burschen hilft, ist in Nr. 113 und 193 die Rede. Die Verwandlungen auf der Flucht finden sich in Nr. 113: Dornbusch und Rose, Kirche und Pastor, Teich und Fisch, Nr. 51: Rosenstock und Röschen, Kirche und Krone, Teich und Ente, und Nr. 56: See und Ente, Geigenspieler und Blume in Dornenhecken. Das Vergessen durch den Kuss wird in Nr. 113 und 193 erzählt. Der Schluss ist dann in all diesen Märchen abweichend von der sonst üblichen Fassung. – – –
Von dem helfenden Mädchen bei dem Riesen (hier die eigene Tochter des Riesen) und der gemeinsamen Flucht erzählt auch das englische Märchen »Nix, Nought, Nothing« (Jac. I S. 33 ff.), ebenso auch das keltische Märchen »The battle of the birds« (Jac. II S. 206 ff.). Das letztere erwähnt dann auch das Vergessen der Braut durch den Kuss und die Wiedererweckung des Gedächtnisses durch das Gespräch zweier Tauben. – – – –
Bei Bas. (2. Tag 7. Märchen S. 219 ff.) hilft gleichfalls die Tochter einer Hexe einem Prinzen die ihm von der Alten auferlegten Arbeiten auszuführen. Die beiden entfliehen, jedoch durch den ersten Kuss vergisst bei der Heimkehr der Prinz seine Retterin.[147] Eine Taube, die bei der Hochzeit des Prinzen einer Pastete entfliegt, erinnert ihn wieder an die vergessene Braut. Das Motiv von den geprellten Freiern, das in diesem Märchen sich nicht findet, bringt Bas. in einer anderen Erzählung (3. Tag 9. Märchen I S. 366 ff.). Drei Höflinge wollen hier nacheinander die Nacht bei einer verkleideten Prinzessin zubringen. Der eine muss sich die ganze Nacht hindurch bemühen, die Türe zuzumachen, der zweite, das Licht auszublasen und der dritte, ihr die Haare zu kämmen.
In den sizilianischen Märchen sind mehrere Erzählungen, die (allerdings mit Auslassung des einen oder anderen Motivs) dieses Thema behandeln. Hierhin gehören Nr. 13 »Die Schöne mit den sieben Schleiern« (I S. 73 ff.), Nr. 14 »Von der schönen Nzentola« (I S. 85 ff.), Nr. 54 »Von Autumunti und Paccaredda« (S. 344 ff.) und Nr. 55 »Von Feledico und Epomata« (S. 350 ff.). Das erste Märchen hat nur das Motiv des Vergessens durch den Kuss, das zweite erzählt von den Verwandlungen auf der Flucht in Kirche und Sakristan, Garten und Gärtner, Rosenstrauch und Rose, und Brunnen und Aal. Dann folgt das Vergessen durch den Kuss und die Wiedererweckung der Erinnerung durch zwei Tauben, die sich miteinander unterhalten. Paccaredda hilft dem Autumunti bei den Arbeiten, die er für die Menschenfresser ausführen muss. Auf der Flucht verwandeln sie sich in Garten und Gärtner, Kirche und Sakristan und Strom und Fisch. Der Königssohn vergisst durch den Kuss seine Braut, bis diese ihm durch zwei Tauben ihre gemeinsamen Erlebnisse ins Gedächtnis zurückruft. Feledico und Epomata werden vor der verfolgenden Mutter zu Garten und Gärtner, Kirche und Sakristan und Teich und Aal. Die durch den Kuss vergessene Braut bestellt drei Nächte nacheinander drei Liebhaber zu sich. Der erste ist die Nacht hindurch an einen Stuhl gebannt, der zweite ans Licht und der dritte ans Fenster. Zwei Pappen, ein Knabe und ein Mädchen, werden vor Feledico gebracht. Das Mädchen fragt nach und nach den Knaben nach allen Schicksalen, die Feledico und Epomata gemeinsam durchlebten. Da er nichts mehr von allem weiss, bekommt er jedesmal eine Ohrfeige, die Feledico aber ebenso gut verspürt. Endlich kommt diesem dann die Erinnerung zurück. – – –[148]
Ein griechisches Märchen (Hahn 54) »Der Jüngling, der Teufel und seine Tochter« (I S. 295 ff.) erzählt von der Hilfe, die die Tochter des Teufels einem Jünglinge bei seinen Arbeiten zu teil werden lässt und von dem Kusse nach der Heimkehr, durch den die Braut vergessen wird. – –
In den lothringischen Märchen findet sich diese Erzählung nur lückenhaft, einzelne Züge sind fast verwischt. Die Tochter des Menschenfressers hilft in »L'oiseau vert« (Cosquin 9, I S. 103 ff.) dem Jünglinge. Dann flieht sie mit ihm und verwandelt ihn und sich auf der Flucht in Birnbaum und Gärtnersfrau, Einsiedelei und Einsiedler, und Fluss und Karpfen. Dann heiraten nach der Heimkehr die beiden einander. Die Tochter des Teufels (Cosquin 32 »Chatte blanche« II S. 9 ff.) hilft bei den Arbeiten und entflieht dann mit dem Geliebten. Den verfolgenden Teufel narrt ein Steinklopfer und ein Arbeiter, von denen aber nicht gesagt wird, weshalb sie das tun. Chatte blanche umarmt vor der Heimkehr ihren Bräutigam, damit er schön werde. Er lässt sich gegen das Verbot daheim umarmen und wird wieder hässlich. Drei reiche Herren bewerben sich um Chatte blanche, von der sie nicht wissen, dass sie schon verheiratet ist. Sie lässt sich von den Liebhabern viel Geld zahlen und dann durch ihren Mann die geprellten Freier gründlich verhauen. – –
In dem wälschtiroler Märchen sind in den »drei Tauben« (27, S. 71 ff.) fast alle Züge noch treu bewahrt. Das Mädchen hilft dem Geliebten zur Lösung der Aufgaben, auf der Flucht werden sie zum Garten und Gärtner, See und Fischer, Kirche und Geistlichen. Der Jüngling vergisst durch den Kuss die Braut. Er kommt, ohne dass er sie erkennt, dreimal zu ihr in ihren Palast. Zuerst kann er ein Wasserglas nicht füllen, dann eine Tür und das letzte Mal ein Fenster nicht schliessen. Endlich kommt ihm die Erinnerung zurück. – – – –
Einige Motive dieses Märchens sind auch in andere Erzählungen übergegangen. Die Hilfe der Jungfrau und die Verwandlungen auf der Flucht (Bach und Fisch, Rosenstrauch und Rose, und Luft und Mücke) finden sich bei Kreutzw. in Nr. 14 »Der dankbare Königssohn« (S. 174 ff.). In dem Märchen »Die Königstochter beim Popanz« (Kuhn 1, S. 263 ff.) antwortet eine[149] Bohne in einem Topfe für die Flüchtigen, und diese verwandeln sich in Biene und Blume. – Das Vergessen der Braut durch den Kuss findet sich bei Schmidt in zwei Märchen, in Nr. 5 »Die drei Citronen« (S. 71 ff.), und in Nr. 12 »Der Drache« (S. 93 ff.). Das Narren der Freier wird auch in dem færöischen Märchen »Gentan í risahedlinun« erzählt (4, S. 259 ff.).
Literaturnachweise zu diesem Märchen finden sich noch in den Anmerkungen der verschiedenen Märchensammlungen und bei Köhler (Kl. Schr. S. 172 ff.). Über die Verwandlungen auf der Flucht ist noch zu vergleichen Zeitschr. d.V.f. Volksk. VI, Seite 65.
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