XXXIII. Bángsímon.

[150] Árn. S. 440–2. Von Frau Ragnheiður Eggertsdóttir auf Fitjar im Snorradal erzählt.


Ein Königspaar hat einen Sohn namens Sigurður, der in seiner Kindheit viel mit der Tochter Helga des Bauern Bángsímon spielt. Nach dem Tode der Königin heiratet ihr Gatte anscheinend eine wunderschöne Frau, die seine Brautwerber auf einer Insel gefunden hatten. In Wahrheit war diese jedoch eine Unholdin.

Einige Zeit nachher wird die neue Königin krank und stirbt. Vor ihrem Tode muss der Gatte ihr versprechen, dass ihr Stiefsohn Sigurður drei Nächte hintereinander bei ihr die Leichenwache hält. Da der Jüngling sich fürchtet, so übernimmt auf die Bitten seiner Tochter Helga Bángsímon drei Nächte hintereinander das Amt. Sowie er hereinkommt, fragt die tote Königin, wer da sei. Sie ist empört, dass Sigurður sie im Stiche lässt und ringt nun die Nacht hindurch mit dem Bauern. Gegen Morgen legt sie sich dann wieder in den Sarg. Auf die gleiche Weise vergeht die zweite Nacht. Vor der dritten Nacht sagt Bángsímon dem Königssohne und seiner Tochter, dass sie sich nach drei Jahren verheiraten sollten, wenn er bis dahin nicht zurückgekehrt sei. Am Ende der dritten Nacht verwandelt sich die Königin in einen Geier und er in einen Drachen, der lange den Geier verfolgt und endlich seiner[150] Meister zu werden scheint. Nun bittet die Königin den Bauern um Schonung ihres Lebens, sie wolle es ihm vergelten, wenn sie in dem Königreiche, zu dem sie mittlerweile gekommen war, zur Königstochter geworden wäre. Die Unholdin nimmt nun die Gestalt eines kleinen Mädchens an, lässt sich vom Könige auf der Jagd finden und wird von dem kinderlosen Königspaare als Tochter angenommen. Bángsímon dient an demselben Hofe als Knecht. Die Königstochter beisst sich oft in den Finger und behauptet, der Knecht habe es getan. Trotzdem wird dieser nicht fortgesandt. Sie erklärt nun Bángsímon, die Königin töten und deren Stelle einnehmen zu wollen und enthüllt ihm ihren Plan. Nach wenigen Tagen wird die Prinzessin vermisst. Auf Bángsímon fällt der Verdacht, sie ermordet zu haben, und so wird er zum Scheiterhaufen geführt. Vor seinem Tode bittet er sich noch die Gnade aus, dass die Königin ihre Lebensgeschichte erzählen solle. Sie will lügen, doch da deckt der Alte alle ihre Schandtaten auf. Wie sie sich in Drachengestalt nun verwandelt und auf ihn losfliegt, packt er sie schnell und wirft sie ins Feuer, so dass sie verbrennt. Den König führt er dann zu einer Grube unter der Treppe, wohin die Unholdin die Königin verscharrt hatte, nachdem sie ihr vorher durch einen Sturz von der Treppe den Hals gebrochen hatte. Mit Gold reichlich belohnt kehrt Bángsímon nach Hause zurück. Dort wollen Sigurður und Helga gerade Hochzeit halten, da mittlerweile die drei Jahre Frist verstrichen waren.

Dieses Märchen, das ich in keiner andern Sammlung belegen kann, macht einen äusserst lückenhaften Eindruck. Nirgends findet sich gesagt, weshalb die Unholdin zuerst so schnell stirbt, oder aus welchen Gründen Bángsímon sie so lange verschont, warum er sogar den Mord der unschuldigen Königin zulässt etc. In dem Märchen »von den Königskindern in der Höhle der Riesin«, in dessen erster Fassung die Geschichte von Bángsímon die Fortsetzung bildet, ist doch wenigstens der angebliche Tod der Unholdin durch den Hass gegen ihren Stiefsohn motiviert. Dort bleibt freilich der weitere Verlauf gleichfalls ziemlich unerklärlich, verständlicher ist nur, dass dort Bángsímon wenigstens den Mord der Königin verhindert.

Quelle:
Rittershaus, Adeline: Die neuisländischen Volksmärchen. Halle: Max Niemeyer, 1902, S. 150-151.
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