LXV. Der Bauernsohn und seine Katze.

[258] Árn. II S. 499–500. Nach dem Manuskripte des Pastors Finnur Þorsteinsson auf Þaunglabakki.


Ein Bauer, der auf unrechtmässige Weise viel Geld zusammengescharrt hat, stirbt. In der Nacht nach seinem Tode, träumt seinem einzigen Sohne, dass ein unbekannter Mann zu ihm käme und ihn auffordere, die Hälfte alles Gutes den Armen zu geben, die andere Hälfte aber in die See zu werfen. Was dann nachher in Form eines Blattes oder Papiers auf dem Wasser schwimme, solle er zu sich nehmen und sorgfältig verwahren. – – Der Bauernbursche folgt den Anweisungen des Traumes. Wie er das auf dem Wasser schwimmende Papier öffnet, findet er sechs Schillinge in ihm. Er ist sehr enttäuscht, nichts Besseres für seine Reichtümer erhalten zu haben und macht sich nun auf, in der Welt sein Glück zu versuchen. Nach langer Wanderung durch den Wald kommt er an eine Hütte. Hier findet er Aufnahme für die Nacht, trotzdem er sagt, dass er zu arm sei, um etwas für die Herberge bezahlen zu können. Drinnen im Häuschen sind zwei Frauen und drei Männer und ausserdem noch ein Tier, das er nie vorher gesehen hat. Es ist ziemlich klein und von grauer Farbe. Auf Befragen wird ihm mitgeteilt, dass dieses Tier eine Katze genannt werde, und dass es für sechs Schillinge verkäuflich sei. Er erwirbt es nun für das einzige Geld, das noch in seinem Besitze ist. Auf seiner weiteren Wanderung kommt er in ein Königreich, dessen Herrscher ihm als gut und mildtätig geschildert wird, so dass er hoffen darf, freundliche Aufnahme dort zu finden. Wie er in die Königshalle tritt, wundert er sich, allenthalben kleine graue Tierchen herumlaufen zu sehen. Sie springen über Tisch und Bänke, essen ungeniert von allen Schüsseln und beissen trotz aller Gegenwehr den König und seine Hofleute noch in die Hände. Erstaunt fragt er, wie diese Tiere heissen. Der König sagt, sie würden Ratten genannt. Seit vielen Jahren schon hätte er in dieser Weise unter ihnen zu leiden, und er wisse keine Hilfe gegen sie. In diesem Augenblicke springt die Katze unter des Burschen Mantel hervor, beisst eine Anzahl Hatten tot und[259] jagt die übrigen aus der Halle. Nun muss der Besitzer der Katze erzählen, wie er zu diesem wunderbaren, nie gesehenen Tiere gekommen sei. Nachdem der König alles erfahren hat, ist er so glücklich über seine Befreiung von den Ratten, dass er dem Bauernburschen die Wahl stellt, entweder sein erster Minister zu sein, oder aber seine Tochter zu heiraten und nach seinem Tode König zu werden. Er wählt dann natürlich das letztere.

Zu dem ersten Teile unseres Märchens weiss ich keine Parallele anzuführen. Was den Verkauf einer Katze in einem von Mäusen geplagten Lande anbetrifft, so bringen verschiedene Märchensammlungen diese Erzählung. Am bekanntesten ist wohl das englische Märchen, das mit Whittington, dem Lordmayor von London, sich verknüpft: Als armer Junge, der in der Küche die niedrigsten Arbeiten verrichtet, darf er mit dem Schiffe seines Herrn seinen einzigen Besitz, eine Katze, als Handelsobjekt mitsenden. Einem afrikanischen Könige, in seinem Lande von Ratten und Mäusen geplagt, wird dieses unbekannte Tier für immense Reichtümer verkauft, und der Küchenjunge gelangt nun zu hohen Ehren (Jac. I S. 167 ff.). – – Ähnlich wird diese Geschichte im Norwegischen erzählt (Asbj. 59 »Den retfærdige Firskilling« S. 316 ff). Die Einleitung hat insofern Ähnlichkeit mit der Einleitung des isländischen Märchens, als auch hier ein armer Junge einen Schatz, den er für unrecht Gut ansieht, ins Wasser wirft. Nur ein Vierschillingsstück, das oben auf dem Wasser schwimmt, steckt er zu sich. Als Küchenjunge gibt er später dieses Geldstück seinem Herrn, einem Grosskaufmanne, um mit ihm irgend etwas unterwegs zu erhandeln. Der Kaufmann kauft für vier Schilling später einer alten Frau eine Katze ab. Für diese erhält er in mehreren von Mäusen geplagten Ländern (die verkaufte Katze kehrt bei der Abfahrt immer zum Schiffe zurück) grosse Reichtümer, so dass der verachtete Küchenjunge nach seiner Rückkehr ein angesehener Mann wird. – – –

Im sizilianischen Märchen (Gonz. 76 »Die Geschichte von Giuseppinu« II S. 105 ff.) kommt der Held, dem bei seinen Unternehmungen der heilige Joseph beisteht, zuerst mit einem Schiffe voll Salz, dann mit einem Schiffe voll Katzen in[260] Länder, die weder Salz noch Katzen kennen. Beide Male erhält er zum Tausche das Schiff voll Gold. – – –

Auch bei Grimm (70 »Die drei Glückskinder« I S. 275 ff.) gewinnt der jüngste der drei Brüder für seine Katze grosse Reichtümer. Der weitere Verlauf der Erzählung erinnert dann an die Streiche der Schildbürger.

In den Anmerkungen zu Gonz. (S. 251) verzeichnet Köhler noch weitere Literatur zu diesem Märchen.

Quelle:
Rittershaus, Adeline: Die neuisländischen Volksmärchen. Halle: Max Niemeyer, 1902, S. 258-261.
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