LXVIII. Hábogi.

[267] Lbs. 536 4 to. Von Páll Pálsson in Árkvörn nach der Erzählung der alten Frau Guðríður Einarsdóttir 1863/4 niedergeschrieben.


Ein Bauernpaar hatte drei Töchter. Die jüngste hiess Helga und war die schönste und beste von allen. Aber sie[267] wurde daheim immer Von den Eltern und den Schwestern zurückgesetzt. Wie die Töchter erwachsen waren, forderte der Vater sie auf, ihm zu sagen, wie ihre künftigen Männer heissen sollten. Dann wolle er sich aufmachen, um sie zu suchen. Die beiden ältesten Mädchen wählen die Namen Sigmundur und Sigurður. In diesem Augenblicke glaubt Helga zu hören, dass aus einer dunklen Ecke eine Stimme ihr sagt »wähle du Hábogi«. Sie folgt nun dem seltsamen Rate. – – Für die älteren Schwestern hat der Vater die gewünschten Freier bald gefunden, aber einen Hábogi kann er nirgends auftreiben. Wie schon die Vorbereitungen zu einer glänzenden Doppelhochzeit im Gange sind, kommt ein ungeschlachter, alter Bauer zum Vater, nennt sich Hábogi und freit um Helga. Die beiden Schwestern freuen sich von Herzen, dass das Aschenbrödel solch einen Gatten bekommt. – Hábogi ist mit einem wunderschönen, prächtig gesattelten Pferde gekommen, und auf dieses muss nun Helga sich setzen. Der Alte führt das Pferd. Nach einiger Zeit kommen sie an eine eingezäunte Wiese, auf der sich eine Unmenge der trefflichsten Schafe befindet. Helga fragt, wem diese Herde gehöre, »Dein Hábogi besitzt das alles«, antwortet der Alte. »Doch das schönste Schaf, das hier Goldschellen zwischen den Hörnern hat, sollst du haben.« Nun kommen sie an einem Gehege voll von den prächtigsten Rindern vorbei. Auch diese sind das Eigentum Hábogis, und auch von diesen soll Helga das beste mit den Silberglocken zwischen den Hörnern zu eigen bekommen. Im dritten Gehege, an dem Helga vorbeireitet, befinden sich die herrlichsten Pferde. Hier wird der Braut von Hábogi ihr eigenes treffliches Reitpferd zum Geschenk gemacht. Nun kommen sie an ein Haus, dessen Türen so niedrig sind, wie die eines Schafstalles, und dies soll die Wohnung des Bräutigams sein. Wie Helga hineintritt, ist jedoch drinnen alles so prächtig, wie in der prächtigsten Königshalle. – Hábogi trifft nun Vorkehrungen zum Hochzeitsfeste, und Helga kommt selbst zum Elternhause, um die Schwestern zur Hochzeit abzuholen. Wie diese mit ihr an den Schafen, Ochsen und Pferden vorbeireiten und hören, dass dies alles Eigentum Hábogis ist, und dass er jedesmal das schönste Tier der Braut zum Geschenke[268] gemacht hat, werden sie schon neiderfüllt. Sie werden erst wieder schadenfroh, als sie das Haus mit den niedrigen Eingängen erblicken. Doch wer beschreibt ihr Erstaunen und ihre Wut beim Eintritt in den prächtigen Königspalast! Zum Überflusse zeigt ihnen nun Helga noch drei wunderschöne Kleider, die Hábogi ihr zur Hochzeit geschenkt hat. In der Nacht stehlen die Schwestern das kostbarste Kleid und wollen sich mit ihm aus dem Staube machen. Doch Hábogi verwirrt ihnen so die Sinne, dass sie mit ihrem Raube im Aschentroge liegen bleiben. Am anderen Morgen werden sie dort gefunden und haben nun zur Schande auch noch den Spott. Das armselig scheinende Haus hat sich mittlerweile auch äusserlich in einen Königspalast verwandelt. Drinnen steht ein schöner, prächtig gekleideter Mann, und wie sie Helga fragen, wer das denn sei, erhalten sie wieder die Antwort: »Das ist mein Hábogi«. Die Schwestern ziehen nun so schnell wie möglich fort, und Helga wird Königin.

Auch zu diesem Märchen kann ich in den zur Vergleichung herangezogenen Märchensammlungen keine Parallelen nachweisen. Es scheint auch etwas lückenhaft überliefert zu sein, da nirgends gesagt ist, ob Hábogi durch Helga aus einer Verzauberung erlöst wurde, oder ob er die Gestalt eines alten Mannes annahm, um die Tugend auf die Probe zu stellen und zu belohnen und die Bosheit der Schwestern zu offenbaren.

Quelle:
Rittershaus, Adeline: Die neuisländischen Volksmärchen. Halle: Max Niemeyer, 1902, S. 267-269.
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