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[274] Árn. II 420–4. Nach dem Manuskripte des Pastors Sveinbjörn Guðmundsson in Móar auf Kjalarnes.
Ein vermögender Bauer, der nicht weit vom Königsschlosse wohnt, hatte drei Töchter. – Einst stehen diese draussen vor dem Gehöfte und sehen den König mit seinem Schuhmacher und seinem Schreiber vorbeireiten. Da wünscht sich die älteste Schwester den Schuhmacher zum Manne, die zweite den Schreiber und die jüngste den König selber. Der König ist neugierig und will gern wissen, was die drei Mädchen untereinander gesprochen haben. Nach langem Drängen beichten ihm diese endlich ihre Wünsche. Da nun dem Könige die Mädchen gut gefallen und besonders die Jüngste sehr nach seinem Geschmacke ist, so erklärt er, dass ihre Wünsche erfüllt werden sollten. Es heiratet also der Schuster die älteste Schwester, der Schreiber die zweite und der König die jüngste von ihnen. – Über das viel grössere Glück der jüngsten sind nun die beiden anderen furchtbar neidisch und beschliessen, sie zu verderben. Wie die Königin mit einem Kinde niederkommt, geben sie es fort, damit es in einen Teich geworfen werde. Dem Könige zeigen sie jedoch einen jungen Hund und behaupten, dass ihre Schwester diesen zur Welt gebracht habe. – So geht es dreimal. Endlich ist der König so wütend, dass er seine Frau ins Löwenhaus werfen lässt. Doch das sonst so wilde Tier hat Mitleid mit ihr und verschont sie, lässt sie sogar immer an seiner Mahlzeit teilnehmen. – – – Der Knecht, dem von den Schwestern jedesmal der Auftrag gegeben war, die neugeborenen Kinder in den Teich zu werfen, brachte dies nicht fertig, sondern legte sie stets am Ufer nieder. Zufällig fand der gleiche Bauer, der jedesmal gerade des Weges kam, alle drei Kinder, nahm sie zu sich und zog sie auf. Er gab sich viele Mühe, etwas über die Herkunft seiner Pflegekinder zu erfahren, aber niemand vermochte ihm eine Mitteilung zu machen. – – – Endlich stirbt der Bauer, und nun stehen die drei Geschwister allein in der Welt. Ein alter Mann erzählt ihnen von einem Zaubervogel, der die Menschensprache versteht und spricht, und der über alle Dinge Auskunft zu geben vermag. Der würde ihnen auch sicher sagen[275] können, wer ihre Eltern seien. Nur sei eine Schwierigkeit dabei. Derjenige, der den Vogel aufsuche, dürfe niemals auf dem Wege dorthin zurückschauen, was immer er auch zu hören glaube. Denn wer den Kopf wende, würde mit all' seinem Hab und Gut sofort zu Stein. Schon viele Königskinder seien zum Vogel gewandert, jedoch niemand sei zurückgekehrt. Derjenige aber, dem es glücken sollte, könne nachher alle Steine wieder beleben. – Nun macht sich der älteste Bruder auf zu dem Vogel. Ehe er fortgeht, sagt er seinem zweiten Bruder, dass er ihm nachfolgen solle, wenn drei Blutstropfen während der Mahlzeit auf sein Messer kämen. Denn dann sei es ihm ergangen wie den übrigen. Wie drei Tage vergangen sind, kommen drei Blutstropfen auf das Messer, und nun macht sich der zweite Bruder auf den Weg. Vor seinem Abschied gibt er dann noch der zurückbleibenden Schwester die gleiche Weisung. Aber auch auf ihrem Messer zeigen sich nach drei Tagen drei Blutstropfen. Sofort bricht das Mädchen auf, um baldmöglichst den Vogel zu erreichen und die Brüder zu erlösen. Wie sie zum Felsen kommt, auf dessen Gipfel der Vogel sich befindet, sieht sie eine ungeheure Menge von Steinen, alle in den verschiedensten Formen und Gestalten. Sie kümmert sich jedoch nicht darum, sondern beginnt mutig den Felsen hinaufzuklettern. Auf dem Wege hört sie vieler Leute Reden, und auch die Stimmen ihrer Brüder vermag sie zu erkennen. Aber was auch immer an ihr Ohr dringt, nie wendet sie den Blick von ihrem Ziele. Endlich hat sie den Vogel erreicht, und ihr Erstes ist nun, nach dessen Angaben alle Steine wieder zu beleben. Sie besprengt sie alle mit Wasser. Sogleich bekommen sie ihr menschliches Aussehen zurück und umringen dankbar ihre Retterin. Nun erzählt ihr auf ihre Fragen der Vogel alles über ihre und ihrer Brüder Abstammung, sowie über die Untat der neidischen Schwestern. Noch lebe die Mutter im Löwenzwinger, doch sie sei mehr tot wie lebendig vor Angst und Hunger. Die Geschwister machen sich nun schnell heimwärts, um die Mutter zu erlösen und den Vater zu begrüssen. Ein schöner und reicher Königssohn, auf den der Vogel das Mädchen noch besonders aufmerksam gemacht hat, und der auch gleich Liebe zu seiner schönen Retterin gefasst hatte, folgt ihnen.[276] Die Mutter lebt im Glück bald wieder auf. Sie ziehen nun mit ihr vor den König, ihren Vater, und erzählen ihm alles. Wie dieser die Schandtat der Schwestern erfährt, lässt er sie sogleich in den Löwenzwinger werfen, wo der Löwe sie mitleidslos zerreisst und verzehrt.
Das isländische Märchen gibt die Erzählung, wie sie in einer grösseren Anzahl von Sammlungen sich findet, nicht ganz vollständig wieder. Meistens sprechen die drei Schwestern untereinander darüber, was sie tun wollten, wenn sie drei von ihnen bestimmt bezeichnete Persönlichkeiten, unter denen in allen Märchen die dritte der König ist, zum Manne bekämen. Die Jüngste verspricht für diesen Fall Kinder von irgend welcher besonderen Schönheit. – Nachdem später die neidischen Schwestern entdeckt haben, dass die von ihnen ausgesetzten Kinder der Königin noch leben, werden sie durch sie zum Aufsuchen von drei Wunderdingen veranlasst. Die beiden Brüder werden bei dem Versuche, den sprechenden Vogel zu bekommen, zu Stein. Die Schwester, die an irgend einem Wahrzeichen erkennt, dass den Brüdern etwas zugestossen ist, macht sich nun auf den Weg und erlöst ihre Brüder. Durch den sprechenden Vogel kommt hierauf die Wahrheit an den Tag, die neidischen Schwestern erhalten ihre verdiente Strafe, und die unglückliche Königin kommt wieder zu Ehren. – –
In dieser Form findet sich das Märchen schon bei Straparola (4. Nacht 3. Fabel S. 262 ff.). Hier sind es drei Bäckerstöchter, die sich darüber unterhalten, was sie tun wollten, wenn sie den Hausmeister, Kammerdiener und den König heiraten könnten. Mit den neidischen Schwestern ist dann auch noch die Mutter des Königs im Komplott. Durch eine alte Frau wird auf Veranlassung der alten Königin das junge Mädchen veranlasst, ihre beiden Brüder nach dem tanzenden Wasser, dem singenden Apfel und dem sprechenden Vogel auszuschicken. Die versteinerten Brüder werden von ihrer Schwester erlöst, und der König erfährt durch den Vogel die Unschuld seiner Gemahlin. – – –
Auch in 1001 Nacht findet sich dieses Märchen in sehr ähnlicher Gestalt (»Geschichte der beiden Schwestern, die ihre jüngste Schwester beneideten« XXI S. 170 ff.). Die drei Schwestern wollen den Hofbäcker, den Hofkoch und den[277] Schah von Persien heiraten. Die drei ausgesetzten Kinder werden vom Gartenaufseher des Schahs gefunden und auferzogen. Eine fromme alte Frau macht ganz zufällig die Schwester auf das tanzende Wasser, den singenden Brunnen und den sprechenden Vogel aufmerksam. Wie der älteste Bruder versteinert ist, kommen Blutflecken auf die Klingen eines Messers. Nachdem den zweiten Bruder das gleiche Schicksal getroffen hat, kleben Perlen an einer Perlenschnur zusammen. – –
Im Sizilianischen (Gonz. 5 »Die verstossene Königin und ihre beiden ausgesetzten Kinder« I S. 19 ff.) sprechen drei Schwestern darüber, was sie tun wollten, wenn sie den Königssohn zum Manne bekämen. Dieser heiratet die Jüngste, da sie versprochen hat, ihm zwei Kinder zu gebären, einen Knaben mit einem goldenen Apfel in der Hand und ein Mädchen mit einem goldenen Stern auf der Stirne. Ein Fischer findet dann die von den Schwestern ins Wasser geworfenen Kinder der Königin. Wie diese erwachsen sind, schenkt ihnen ein freundlicher Alter einen Zauberstab, der alles verschafft, was man sich wünscht. – Von den neidischen Schwestern ausgesandt kommt zu dem jungen Mädchen eine Bettelfrau und macht sie zuerst auf das tanzende Wasser, dann auf den sprechenden Vogel aufmerksam. Der Jüngling erstarrt bei der letzten Expedition zu Stein. Die Schwester sieht an der Trübung ihres Ringes, dass dem Bruder etwas zugestossen ist und macht sich nun auf und erlöst ihn. – – – –
Im griechischen Märchen (Hahn 69 »Sonne, Mond und Morgenstern« II S. 40 ff.) ist es die Schwiegermutter des Königs, welche die junge Königin, die getreu ihrem Versprechen drei wunderschöne Kinder geboren hat, ins Verderben bringt. Auf Veranlassung der Alten wünscht sich später die Schwester von ihren Brüdern den Zweig, welcher Musik macht, dann den Spiegel, in dem man die ganze Welt sehen kann und schliesslich den Vogel Dikjeretto. Da die Hemden, die beim Abschied die Brüder ihr gegeben haben, schwarz werden, geht die Schwester fort, um sie zu erlösen.
Bei Schneller (26 »Die drei Schönheiten der Welt« S. 65 ff.) wollen drei Mädchen den Mundbäcker, den Koch und den[278] Königssohn heiraten. Die Königin gebiert drei Knaben und ein Mädchen, der Gärtner findet jedesmal die ins Meer geworfenen Kinder und erzieht sie. Wie sie erwachsen sind, hören sie einmal, dass ein Gast des Königs vom redenden Vöglein, dem tanzenden Wässerlein und dem musizierenden Brünnlein spricht. Jetzt lässt es ihnen keine Ruhe mehr, und einer nach dem andern zieht aus, um die Wunderdinge zu erwerben. Jedesmal, nachdem wieder einer der Jünglinge zu Stein erstarrt war, verdorrte ein Nelkenstrauch. Nach der Erlösung durch die Schwester, deren Rosenstrauch während ihrer Abwesenheit immer schöne Blüten getragen hatte, werden auch die Nelkenstöcke wieder grün.
Im deutschen Märchen (Grimm 96 »Die drei Vügelkens« II S. 43 ff.) heiratet nach ihrem Wunsche die älteste Schwester den König, die beiden anderen Schwestern die beiden Minister des Königs. Die drei Königskinder, die von den neidischen Schwestern ins Wasser geworfen und von einem Fischer nachher erzogen worden waren, ziehen nach einander aus, um ihren Vater zu suchen. Die beiden Brüder, die gegen eine alte Frau unterwegs nicht besonders freundlich gewesen waren, durchstreifen ohne Erfolg die Welt. Die Schwester gewinnt durch ihre Freundlichkeit die Hilfe der Alten und erhält nun einen Vogel und Heilwasser. Auf dem Rückwege trifft sie dann mit ihren Brüdern wieder zusammen. – – – –
In dem lothringischen Märchen (Cosquin 17 »L'oiseau de vérité« I S. 186 ff.) fehlt die gewöhnliche Einleitung von der Unterhaltung der drei Schwestern. Hier ist die Schwiegermutter eifersüchtig auf die junge Königin. Sie wirft deshalb die beiden Kinder in einem Kasten ins Meer und behauptet, ihre Schwiegertochter habe einen Hund und eine Katze geboren. Als später die Alte entdeckt, dass die Kinder noch leben, wird auf ihre Veranlassung der Knabe nach dem tanzenden Wasser und der singenden Rose und das Mädchen nach dem Vogel der Wahrheit fortgeschickt. Das Letztere erstarrt bei dem Unternehmen zu Salz, doch der Bruder entzaubert sie und holt dann den Vogel, der dem Könige den Betrug aufdeckt. – – –
Schmidt bringt in dem Märchen »Das Schloss des Helios« (15 S. 106 ff.) eine Erzählung, die einige Züge aus dem zweiten[279] Teile unseres Märchens selbständig verwertet hat. Eine Prinzessin gelangt durch die guten Ratschläge eines Mönches zum Schlosse des Helios, ohne auf dem Wege dorthin versteinert zu werden. Zwei ihrer Brüder, die sie aufsuchen wollen, werden unterwegs zu Stein, da sie sich umgeschaut haben. Der Dritte kommt jedoch glücklich zu ihr und belebt nachher wieder seine Brüder und die übrigen versteinerten Prinzen. – – – Die kleine Erzählung bei Hahn »Die kluge Jungfrau« (112 II S. 157 ff.) scheint eine Parodie dieses Märchens zu sein. Auch hier unterhalten sich drei Schwestern darüber, was sie tun wollten, wenn sie den Königssohn zum Manne bekämen. Wie dieser sie deswegen zur Rede stellt, gestehen die beiden älteren Mädchen, dass sie nur gescherzt hätten. Die Jüngste bleibt jedoch bei ihrer Behauptung, er stellt mit ihr den Versuch an, sie betrügt ihn, und er heiratet sie darauf. – – –
Dies sind die mir bekannten Märchen. Köhler (Kl. Schr.) gibt in seinen Besprechungen der Märchensammlungen von Bladé (S. 118), Luzel (S. 143) und Schiefner (S. 565) weitere Literaturangaben. Ebenso auch Cosquin in seinen Anmerkungen zu dem oben erwähnten lothringischen Märchen.
Und nun noch einige Nachweise zu dem Motiv, dass die Zurückbleibenden an irgend einem Zeichen sehen können, wie es dem in die Welt gewanderten Verwandten oder Freunde ergeht. Dass ein Schwert oder ein Messer im Falle seines Todes rostig wird, findet sich noch bei Grimm (60 »Die beiden Brüder« I S. 230 ff.), Jac. I (»The red Ettin« S. 131 ff.) und Suterm. (54 »Der Drachentöter« S. 171 ff.). Bei Schneller (28 »Die drei Fischersöhne« S. 7 ff.) und bei Cosquin (5 »Les fils du pêcheur« I S. 60 ff.) ist ein Gefäss mit Fischblut gefüllt. Im wälschtyroler Märchen ist der Held in Gefahr, wenn das Blut im Gefässe still steht, im lothringischen Märchen hingegen, wenn es zu kochen beginnt. In dem færöischen Märchen (Fær 34 »Teir tveir brøðurnir« S. 369 ff.) erhält jeder der beiden ausziehenden Brüder vom Vater ein Glas. Wenn die Flüssigkeit im Glase sich rötet, so ist der Bruder in Gefahr. Das Welken einer goldenen Lilie ist in den »Goldkindern« (Grimm 85 I S. 314 ff.) das Wahrzeichen, und bei Hahn (36 »Das goldene Huhn« I S. 36 ff.) ist es das Welken einer Rose. In einem anderen griechischen Märchen (Hahn 64[280] »Der starke Hans« I S. 14 ff.) muss die zurückgebliebene Mutter auf eine Zither achten. Wenn die Saiten an ihr gesprungen sind, dann soll sie sich aufmachen, um dem Sohne zu Hilfe zu kommen. – Bemerkenswert ist, dass schon ein ägyptisches Märchen, das um 1300 v. Chr. geschrieben worden ist, dieses Motiv enthält. Bier oder Wein trübt sich im Glase, wie der Bruder, dessen Herz in einer Akazie versteckt ist, getötet wird. (Cosquin I S. LVII ff.).
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