[281] Árn. II 494–8. Nach dem Manuskripte von Pastor Sveinbjörn Guðmundsson.
Ein Bauernpaar hat drei Söhne. Die beiden ältesten sind die Lieblinge des Vaters, während der jüngste Sohn Hans nur bei der Mutter in gutem Ansehen steht. Wie die Söhne erwachsen sind, wollen die beiden ältesten an einen Königshof gehen, um sich dort Ehre und Reichtum zu erwerben. Sie werden von den Eltern aufs reichlichste ausgerüstet und ziehen von dannen. Nun will auch Hans fort. Der Vater bat nichts dagegen, nur muss er versprechen, nicht mit den Brüdern zusammen reisen zu wollen, damit sie sich seiner nicht zu schämen hätten. – Nach der reichen Ausrüstung für die ältesten Söhne hat die Mutter nicht mehr viel für ihren Jüngsten übrig behalten. Sie gibt ihm jedoch ihren Feuerstocher als Wanderstab mit und sagt, er würde sich nie verirren, so lange er mit ihm ginge. Zugleich könne er ihn auch als Waffe benutzen. – Wie es anfängt zu dunkeln, sieht Hans einen grossen Drachen vorbeifliegen. Er trifft ihn zuerst mit dem Feuerstocher, dass er niederfällt, dann tötet er ihn vollends. Das Ungeheuer hat ein kleines, lautschreiendes Kind in den Klauen, und der Bursche gibt sich nun redliche Mühe, das Kind zu beruhigen. In diesem Augenblicke kommt atemlos ein Zwerg herbeigelaufen, nimmt das Kind, das nun sogleich sich beruhigt, und überschüttet Hans mit Dankesworten für die Rettung desselben. Er ladet ihn ein, die Nacht in seinem Hause zuzubringen. Am folgenden[281] Morgen gibt er dem Burschen zum Danke für seine Tat drei Zaubergaben, einen Tarnstein, durch den man, ihn in der Hand haltend, unsichtbar wird, dann ein Schwert, das alles durchhaut, das man aber so klein machen kann, dass man es in die Tasche stecken kann, und drittens ein Schiff, das gleichfalls in der Tasche zu tragen oder in voller Schiffsgrösse auf dem Meere zu benutzen ist. Dazu hat es noch die gute Eigenschaft, dass es sowohl mit dem Winde als gegen den Wind nach jeder gewünschten Richtung zu fahren vermag. Mit Hilfe dieses Schiffes kommt nun Hans schneller wie die Brüder zum Königreich. Hier bleibt er eine Weile durch seinen Tarnstein ungesehen, um erst Land und Leute kennen zu lernen, dann geht auch er, wie schon vorher seine Brüder, zum Könige und bittet um Aufnahme für den Winter. Kurze Zeit vor Weihnachten verkündet der König allen in der Halle versammelten Männern, dass er demjenigen seine einzige Tochter und sein halbes Reich geben wolle, der ihm am Weihnachtsabend die drei grössten Kostbarkeiten der Welt bringen könne. Es sei dies nämlich ein Schachbrett aus leuchtendem Golde, ein wundervolles, goldgeschmücktes Schwert und ein vergoldeter Vogel mit Goldschwingen in einem Glaskasten. Dieser sänge, wenn man zu ihm käme, so laut, dass man es weit, weit hören könne. Diese drei Kostbarkeiten seien im Besitze einer Riesenhexe, die sie über ihrem Bette aufbewahre. – Während die übrigen Hofleute wenig Neigung zeigen, diese Schätze für den König zu erwerben, wollen die beiden Bauernsöhne diese Gelegenheit, Ehre und Reichtum zu erwerben, gern ausnutzen. Der Älteste bittet den König um ein Schiff und um Leute, damit er die auf einer Insel wohnende Riesin aufsuchen könne. Wie er dorthin kommt, wartet er bis zur Dunkelheit und schleicht sich dann zur Höhle. Hier liegt die Riesin und schläft. Um es recht schlau anzufangen, will er zuerst den Vogel stehlen. Doch sowie er den berührt, stösst er ein solches Geschrei aus, dass die Riesin erwacht, ihn packt und ihn als Weihnachtsbraten gefangen setzt. – Nicht besser ergeht es dem zweiten Bruder, der nun das Abenteuer wagen will. – Hans hat sich mittlerweile auf seinem Zauberschiff auch schon zur Insel aufgemacht. Dort angekommen, geht er noch am Tage, ehe die[282] Riesin da ist, in die Höhle und macht sich durch seinen Zauberstein unsichtbar. Wie die Hexe heimkommt, riecht sie sogleich, dass ein Mensch da ist, kann ihn aber nirgends finden. Sie legt sich schlafen, hat aber auch hier keine Ruhe und beginnt noch einmal nach dem Eindringling zu suchen. Hans macht mittlerweile sein Schwert kampfbereit. Sowie die Riesin in seine Nähe kommt, haut er ihr den Kopf ab und verbrennt sie sogleich. Dann nimmt er die drei Kostbarkeiten und alle übrigen Schätze an sich. In einer Seitenhöhle findet er seine Brüder, die er befreit, nachdem sie ihm Besserung versprochen haben. Nun fahren sie alle auf dem Zauberschiffe zum Königreiche, und am Weihnachtsabend übergibt Hans dem Könige die drei Kostbarkeiten, der ihn dafür zu seinem Eidam und Nachfolger erklärt.
Dies und das folgende Märchen sind männliche Parallelen zu den Geschichten von den »drei Schwestern«. Der verachtete Jüngste besteht auch hier siegreich alle Gefahren und kommt zu Reichtum und Ehre. Im Deutschen und Norwegischen sind diese Erzählungen vom »Dummling« oder »Askelad« (so heilst im Norwegischen das männliche Aschenbrödel) äusserst zahlreich, aber trotzdem kann man keine von ihnen geradezu als Parallele zu diesen beiden isländischen Märchen bezeichnen.
Die Zaubergaben des Zwerges kommen auch noch in anderen Märchen vor, der Tarnstein z.B. in Nr. L., das Zauberschwert in Nr. LIV. und das Schiff, das fährt wohin man will, in der folgenden Erzählung. Das dem Freyr von Zwergen geschmiedete Schiff Skíðblaðnir hat die gleichen Zaubereigenschaften.