[308] Árn. I S. 70–72. Nach einer Erzählung aus der Skaptafellssýsla.
Ein Bauernpaar hat zwei Töchter. Die älteste, Margrét, ist der Liebling der Eltern und wird im Sommer hinauf in die Berge geschickt, um mit den Leuten in der Sennhütte zu arbeiten. Eines Abends, wie sie gerade am Melken ist, kommt ein kleiner Elbenknabe zu ihr und bittet sie um etwas Milch. Sie fährt ihn hart an und droht, ihn zu schlagen. Weinend läuft der Knabe zu seiner Mutter, und diese legt nun zur Strafe den Fluch auf Margrét, dass alles, was sie angreife, ihr immer misslingen solle. Wie nun die Eltern dies merken, nehmen sie Margrét aus der Sennhütte fort und schicken die zweite Tochter Olöf hinauf. Auch zu dieser kommt der kleine Knabe, um für seine Mutter um Milch zu bitten. Olöf gibt ihm das Verlangte, lässt ihn selbst auch trinken und sagt, er solle nur so oft wiederkommen wie er wolle. Der Knabe eilt nun freudig zu seiner Mutter zurück. Zum Danke wird Olöf gesegnet, dass alles unter ihren Händen gedeihen und sich mehren solle. So vergehen mehrere Jahre. Einst scheint es den Leuten der Sennhütte, als wenn Olöf schwanger sei, und in einer Nacht glauben sie, dass sie in Kindsnöten sich befinde. Die Magd, die auch in der Sennhütte ist, will nun zu ihr gehen, doch da sieht sie, dass schon ein Mann und eine alte Frau am Bette der Wöchnerin stehen. Der Mann spritzt auf Olöf etwas aus seinem Munde. Dann wird das Kind geboren, das die Alte wickelt und hierauf dem Manne gibt. Beide verabschieden sich von Olöf und gehen mit dem Kinde fort. Sowie sie weg sind, kommt die Magd zu Olöf und pflegt sie. Solange sie zu Bett liegt, kommt aber auch an jedem Tage der Elbe, um nach ihr zu sehen. – – – Nach einer Reihe von Jahren wird Olöf[308] gegen ihren Willen vom Vater mit einem jungen und reichen Manne verheiratet. Vor der Hochzeit muss dieser ihr versprechen, nie ohne ihren Willen einen Wintergast aufzunehmen, und das gelobt er ihr auch feierlich. Da die junge Frau immer still und schwermütig ist, lässt ihr die Mutter ihres Mannes, die im gleichen Hause wohnt, keine Buhe, bis ihr Olöf von ihrer Verbindung mit dem Elben alles erzählt hat. Zwölf Jahre nach dem letzten Aufenthalt in der Sennhütte kommen im Herbst ein unbekannter Mann und ein Knabe zu dem Bauern und bitten ihn um Gastfreundschaft für den Winter. Dieser erklärt, er müsse erst deswegen seine Frau fragen. Das wäre doch traurig, meint der Fremde, dass er so unter dem Pantoffel stünde. Er wolle es im Lande weiter verbreiten, dass er sich nicht einmal getraue, ohne die Erlaubnis seiner Frau einen Wintergast anzunehmen. Durch diese Rede gereizt, verspricht der Bauer den Fremden, sie aufnehmen zu wollen. Wie er nach Hause kommt und seiner Frau alles erzählt, wird diese traurig und bedingt sich zum wenigsten aus, dass die Fremden in einem abgelegenen Hause wohnen sollen. Dieser Wunsch wird ihr auch erfüllt, und sie nimmt nun den ganzen Winter hindurch nicht die geringste Notiz von den Gästen. An einem Sonntag will das Ehepaar in die Kirche zum Abendmahl gehen. Wie sie schon vor dem Gehöfte sind, fragt der Bauer seine Frau, ob sie auch der Sitte gemäss von allen Leuten im Hause sich verabschiedet habe. Sie erklärt, zu allen gegangen zu sein mit Ausnahme der Wintergäste. Nun lässt ihr der Mann keine Kühe, bis sie heimkehrt, um das Versäumte nachzuholen. Lange Zeit wartet er dann auf ihre Rückkehr. Wie es ihm zu lange dauert, geht er zur Wohnung der Fremden und hört an der Türe seine Frau drinnen sagen: »Den süssesten Trunk habe ich von deinen Lippen getrunken!« Darauf wird alles still. Er geht ins Zimmer und sieht, dass seine Frau und der Fremde sich fest umschlungen halten, und dass über den beiden, denen vor Kummer das Herz gesprungen ist, der Knabe bitterlich weint. Nachdem beide in einem Grabe bestattet worden sind, verschwindet der fremde Knabe, und niemand hat ihn wieder gesehen.[309]
Die beiden bei Árn. vorhergehenden Erzählungen (Árn. I S. 64–70) behandeln das gleiche Thema ohne irgend welche bedeutende Abweichungen. Nur fehlt in ihnen das Märchenmotiv von dem guten und dem bösen Mädchen, denen mit Segen oder Fluch gelohnt wird. Es handelt sich nur um die Pflegetochter eines Pfarrers, bezw. um die Tochter eines Bauern, die als Sennerin ein Liebesverhältnis mit einem Elben hat und auf der Alm heimlich ein Kind zur Welt bringt. In beiden Erzählungen heiratet das Mädchen gleichfalls den ihr aufgezwungenen Mann nur unter der Bedingung, dass er keinen fremden Wintergast ohne ihr Wissen annimmt, eine Bedingung, die noch in verschiedenen anderen isländischen Märchen von der Königin gestellt wird (z.B. »Blákápa, Vilfríður Völufegri« etc.). Wie der Bauer vor dem Abendmahl seine Frau zur Unterredung mit den Wintergästen veranlasst, springt den Liebenden das Herz vor Kummer.
Diese drei Erzählungen sind nicht klar, denn es müsste doch irgendwo gesagt werden, warum der Elbe, wie es doch in verschiedenen anderen Sagen sich findet, die Geliebte nicht zu sich nimmt. Ferner müsste er beim Abschiede irgend eine Äusserung tun, durch die seine Geliebte veranlasst wird, künftig keinen fremden Wintergast aufnehmen zu wollen. In den Märchen, in denen die Königsbraut diese Bedingung stellt, hat diese hinreichenden Grund, vor Nachstellungen auf diese Weise sich zu schützen. – – – – Heyse hat dieses echt isländische Märchen zu einem Gedichte benutzt (Gedichte S. 380 ff.).