3. von der Elbenkönigin Hildur

[319] (Árn. I S. 110–4)


darüber genaue Auskunft.

Bei einem unverheirateten Bauern wohnte eine treffliche Wirtschafterin, namens Hildur. Niemand wusste eigentlich, woher sie gekommen war, aber da sie ihrer Arbeit mit Fleiss und Kühe oblag, hatte jeder sie gern. Der Bauer kam in seiner Wirtschaft gut vorwärts, nur wurde es von Jahr zu Jahr für ihn schwerer, einen Hirten zu bekommen, denn jedesmal am Morgen nach der Weihnachtsnacht war dieser plötzlich gestorben, ohne dass irgend einer wusste, wodurch sein Tod veranlasst worden war. Schliesslich war der Bauer über dieses Missgeschick so verzweifelt, dass er beschloss, überhaupt keinen Hirten mehr anzustellen. – – – –[319] Kurze Zeit nachher kommt ein kräftiger Bursche zu ihm und bittet, ihm die Herde anzuvertrauen. Der Bauer weigert sich, ihn in Dienst zu nehmen, doch der Bursche besteht trotz aller Warnungen auf seinem Wunsche, so dass er schliesslich die Stelle erhält. Am Tage vor Weihnachten geht der Bauer mit seinem Gesinde wie gewöhnlich zur Kirche, die weit vom Gehöfte entfernt liegt. Nur Hildur und der Hirte bleiben zurück, die erstere, um alles zum Weihnachtsfeste vorzubereiten, und dieser, um sein Vieh zu besorgen. Wie der Bursche abends nach Hause kommt, legt er sich ins Bett, beschliesst aber, wach zu bleiben, damit es ihm nicht wie seinen Vorgängern ergehe. Er hört den Bauer mit dem Gesinde heimkehren und zur Ruhe sich legen, nur Hildur ist noch immer nicht mit ihrer Arbeit fertig. Wie alles ganz still ist, hört er die Wirtschafterin zu seinem Bette schleichen. Er stellt sich schlafend, fühlt aber deutlich, wie ein Zauberzaumzeug an ihm festgeknotet wird. Ruhig lässt er es geschehen, dass nun Hildur ihn hinausführt, auf seinen Rücken springt und auf ihm davon reitet. Endlich kommen sie an eine Grube. Hildur bindet ihn hier an einen Stein und verschwindet seinen Blicken. Schnell löst er sich aus dem Zaumzeug und folgt ihr, bis er sie wieder erreicht hat. Einen Tarnstein steckt er in die linke Hand, so dass niemand ihn zu sehen vermag. Sie wandern nun über schöne, blumige Auen, bis sie an ein herrlich geschmücktes Schloss kommen. Alle Pforten desselben öffnen sich, und eine grosse Menschenmenge eilt der Angekommenen zur Begrüssung entgegen. Der prächtigste von allen, augenscheinlich der König, umarmt und küsst Hildur auf das zärtlichste. Dann führt er sie ins Schloss, wo sie mit herrlichen Königsgewändern sich schmückt und neben ihrem Gatten beim Mahle den Platz auf dem Hochsitz einnimmt. Nach dem Weg nehmen der Tische belustigt sich die Jugend mit Tanz und Musik, während das Herrscherpaar in ernsten Gesprächen bei einander sitzt. Drei kleine Kinder werden nun hereingebracht, um die Mutter zu begrüssen. Das kleinste nimmt diese auf den Schoss, und da es unruhig ist, so gibt sie ihm einen ihrer Ringe zum Spielen. Dieser fällt bald nachher zu Boden und rollt in die Nähe des Hirten, der ihn aufhebt und in die Tasche steckt. Wie die[320] Nacht schon weit fortgeschritten ist, rüstet sich die Königin zum Fortgange. Alle bitten sie innig, doch noch zu bleiben, nur eine alte, boshaft aussehende Frau, die vorher die Königin auch nicht mit den andern begrüsst hatte, schliesst sich den Bitten der übrigen nicht an. Zu dieser geht nun der König ganz verzweifelt und fleht: »Nimm deinen Fluch zurück, Mutter, und lass mein Weib endlich erlöst sein«. Doch die Alte ist taub gegen seine Bitten. Beim Abschiede meint Hildur traurig, dass sie nun wohl zum letzten Male ihren Gatten und die Kinder gesehen habe. Denn niemand schiene sie erlösen zu können, und wenn jetzt wieder der Hirte durch sie getötet werde, so müsse doch endlich der Verdacht auf sie fallen. – – Während die Königin sich noch von allen schmerzlich bewegt verabschiedet, eilt der Hirte ihr voran zur Erdhöhle zurück und schlüpft hier wieder in das Zauberzaumzeug hinein. Kurz nachher kommt denn auch Hildur und reitet auf ihm heim zum Gehöfte. Hier legt sie ihn wieder in sein Bett, und da er jetzt nichts mehr zu befürchten hat, fällt er in einen tiefen Schlaf. – Gross ist am anderen Morgen die Freude des Bauern, wie er den Knecht noch am Leben findet. Dieser erzählt nun unter dem Vorwande eines Traumes seine Erlebnisse der Nacht. Wie er geendigt hat, schweigen alle, nur Hildur sagt: »Du lügst, wenn du für deinen Traum nicht ein sicheres Wahrzeichen geben kannst.« »Eigentlich hätte ich das nicht nötig«, meint der Hirt. »Aber ich will doch ein Zeugnis vorbringen, dass ich diese Nacht bei den Elben verbrachte. Oder ist dies nicht euer Fingerring, Frau Königin Hildur?« – – Wie die Wirtschafterin das hört, bricht sie in Dankesworte aus und erklärt, nun endlich erlöst zu sein. Sie sei eine Elbin aus niederem Stande gewesen und vom Elbenkönig gegen den Willen seiner Mutter geheiratet worden. Die boshafte Alte habe darauf den Fluch auf sie gelegt, dass sie oben bei den Menschen Mägdedienste tun müsse. Nur die Weihnachtsnacht dürfe sie bei Mann und Kindern verbringen, aber jedesmal müsse sie zum Zauberritte den schlafenden Hirten benutzen, dem diese Nacht dann den Tod bringe. Nicht eher könne sie erlöst werden, bis ein Hirte so klug und wachsam sei, dass er ihr mit voller Besinnung zum Elbenreiche folge,[321] dort die Nacht verlebe und am anderen Tage ihr ein sicheres Zeugnis vorbringen könne, dass er bei den Elben gewesen sei. Alles dies sei nun eingetroffen, jetzt sei sie erlöst, und ihr wackerer Befreier solle nun sein ganzes Leben hindurch mit allen Glücksgütern gesegnet werden. – – Nach dieser Rede verschwindet Hildur und wird nicht wieder gesehen.

In ähnlicher Weise verläuft das Märchen

Quelle:
Rittershaus, Adeline: Die neuisländischen Volksmärchen. Halle: Max Niemeyer, 1902, S. 319-322.
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