2. Gilitrutt.

[325] Árn. I S. 181/2. Nach der Erzählung einer alten Frau aus dem Rángárþing.


Einer jungen Bauernfrau, die keine Lust zur Arbeit hat, gibt ihr Mann einst im Herbst eine Menge Wolle und trägt ihr auf, sie im Winter zu Zeug zu verweben. Die Bäuerin hat jedoch wenig Gefallen an der ihr aufgetragenen Arbeit, so dass schon ein Teil des Winters zur Entrüstung des Mannes[325] vergangen ist, ohne dass sie mit dieser Arbeit beginnt. Eines Tages kommt nun ein ungeschlachtes altes Weib zu ihr und bittet sie um ein Almosen. Die Bäuerin fragt, ob sie zum Entgelt dafür etwas für sie arbeiten wolle. Da die Alte damit einverstanden ist, bringt sie ihr einen Ungeheuern Sack voll Wolle und bittet sie, diese zu weben. Die Alte erklärt, am ersten Sommertage mit dem fertigen Zeug kommen zu wollen. Als Lohn verlange sie nichts anderes, als dass die Bäuerin bei dreimaligem Raten ihren Namen ihr sagen könne. Auf diesen vorteilhaften Handel geht die junge Frau gern ein. – – – Wie jedoch der letzte Wintermonat gekommen ist, fällt ihr die Absprache schwer aufs Herz, und schliesslich vertraut sie ihre Sorge ihrem Manne an. Dieser erschrickt über diesen Pakt, den seine Frau geschlossen hat, denn er ist sicher, dass eine Riesin sich ihrer bemächtigen will. – – – Einige Zeit nachher hört er, wie er draussen in den Bergen ist, in einem Steinhügel Schläge. Wie er durch einen Spalt ins Innere sieht, erblickt er eine riesengrosse Frau am Webstuhl sitzend. Sie schlägt ein Gewebe und murmelt immer dabei: »Hei, hei und ho, ho. Die Hausfrau weiss nicht, wie ich heisse. Hei, hei und ho, ho, Gilitrutt heisse ich, ho, hol« – Nun erkennt der Bauer, dass dies die von seiner Frau gefürchtete Riesin ist, und schnell schreibt er ihren Namen auf, damit er ihn nicht vergisst. Seiner Frau sagt er nichts von seiner Entdeckung, bis sie endlich am letzten Wintertage vor Angst nicht mehr ein noch aus weiss. Nun gibt er ihr das Blatt und erzählt ihr, wodurch er den Namen erfahren habe. Wie die Riesin mit einem grossen Packen Wollenzeug ankommt, zittert die junge Frau, die der Bauer zur Strafe an diesem Tage allein gelassen hat, vor Angst und Aufregung. Sie nennt jedoch zuerst der Riesin auf ihre Frage nach ihrem Namen zweimal irgend einen anderen Namen, erst beim dritten Male sagt sie: »Du heissest doch nicht etwa Gilitrutt?« Da fällt das ungeschlachte Weib vor Staunen zuerst platt auf den Boden, dann steht sie auf und verschwindet für immer. Die Bäuerin wird aber nach dem ausgestandenen Schrecken eine tüchtige und fleissige Hausfrau.

Quelle:
Rittershaus, Adeline: Die neuisländischen Volksmärchen. Halle: Max Niemeyer, 1902, S. 325-326.
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