LXXXVII. Das Gemeindekind.

[329] Árn. II. S. 14/5. Nach dem Manuskripte des Þorvarður Ólafsson.


Ein armer Knabe, der auf einem Gehöfte in der Nähe des Bischofssitzes zu Skálholt auf Kosten der Gemeinde auferzogen worden war, wird von heftiger Liebe zu der Tochter des Bischofs erfasst. In seinem Liebeskummer sucht er die Einsamkeit, um sich ungestört seinem Schmerze hingeben zu können. Hier trifft ihn einst ein unbekannter Mann und verspricht ihm Hilfe, wenn er nach zwanzig Jahren sich ihm übergeben wolle. Mit diesem Vorschlag ist der Knabe einverstanden. Das Gemeindekind kommt nun zuerst als Viehknecht zum Bischof, dann erhält er durch seine Freundschaft mit dem Sohne des Bischofs eine gute Schulbildung und besucht schliesslich ausländische Universitäten. Wie er zurückkehrt, ist er ein tüchtiger Gelehrter geworden. Er geht dem Bischof nach vielen Richtungen hilfreich zur Hand und heiratet nach einiger Zeit tatsächlich die Tochter des Bischofs. Je näher jedoch der Augenblick rückt, an dem er dem Fremden sich übergeben soll, desto schwermütiger wird er, denn er glaubt nun sicher zu wissen, dass sein Helfer der Teufel war. Endlich vertraute er sich seiner Gattin an, und diese eilt nun zu ihrem Vater, um bei ihm sich Rat zu holen. Auf den Vorschlag des Bischofs hüllt er sich nun an dem Tage, an dem seine Frist verstrichen ist, in einen Talar, nimmt einen Abendmahlskelch mit Wein gefüllt in die Hand und stellt sich an den Altar. Um ihn zeichnet dann der Bischof drei geweihte Kreise. Nachdem er eine Weile so gewartet hat, kommt scheinbar sein Freund, der Sohn des Bischofs, und fordert ihn auf, zu ihm zu kommen. Er will es jedoch nur unter der Bedingung tun, dass dieser vorher einen Schluck aus dem Kelche trinke. Da er dies nicht kann, erkennt er daraus, dass er nur ein Trugbild des Teufels war. Danach scheint der Bischof ihn zu rufen und hierauf seine Frau, doch beide sind nur Scheinwesen, um ihn aus dem geweihten Kreise herauszulocken. Endlich naht der Teufel selbst. Der Mann erklärt sich bereit mit ihm zu gehen, wenn er vorher einen Schluck Wein von ihm angenommen habe – sonst sei er seines Kaufes ledig. Um seine Beute zu bekommen,[330] versucht der Teufel die geweihten Kreise zu überschreiten. Doch er schreckt von seinem Vorhaben zurück und verspricht schliesslich, für immer auf sein Anrecht verzichten zu wollen. Sowie der Teufel die Kirche verlassen hat, kommt der Bischof, der von dem Wein trinkt und dann seinen geretteten Schwiegersohn seiner Tochter wieder zuführt.

Von dem Teufel, der mit einem Menschen einen Kontrakt macht und am Schlüsse betrogen wird, handeln auch die beiden folgenden Märchen. In der Erzählung »Der Teufel will heiraten« sucht er gleichfalls seine Beute durch allerhand Vorspiegelungen aus dem geweihten Kreise herauszulocken, und das gleiche Mittel wendet er auch bei dem Schüler an, den Sæmundur fróði vor ihm zu schützen weiss.

Quelle:
Rittershaus, Adeline: Die neuisländischen Volksmärchen. Halle: Max Niemeyer, 1902, S. 329-331.
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