28. Die drei Fischersöhne.
(I tre figli del pescador.)

[79] (Vgl. Liebrecht, I. 7; Zingerle, Märchen I. Nr. 25 und S. 217.)


Ein Fischer hatte den ganzen Tag gearbeitet, ohne einen Fang zu machen. Schon ganz müde und voll Unmuth warf er am Abend noch einmal sein Netz aus, aber diesmal ward es so schwer, dass er[79] es nur mit Mühe herauszuziehen vermochte. Darin war ein Fisch von ausserordentlicher Grösse, welcher so zu ihm sprach: »Weil du das Glück gehabt hast mich zu fangen und ich doch einmal sterben muss, so will ich dir eine gute Lehre geben. Nimm mein Blut und giess' es in ein Gefäss, meinen Kopf begrab' in deinem Hofe und meine Gräte in deinem Garten, mein Fleisch gib deinem Weibe, meine Eingeweide deiner Hündin und mein Herz deiner Stute.«

Der Fischer that alles, was ihm der Fisch gesagt hatte. Nach Jahr und Tag gebar sein Weib drei Söhne, seine Hündin warf drei Junge und die Stute hatte drei Füllen; im Hofe entsprang ein Brunnen mit drei Wasserstralen und das Blut im Gefässe theilte sich in drei Theile, von denen jeder sich fortwährend drehte und bewegte. Die Freude des Fischers darüber kann man sich leicht denken; so arm er war, hätte er doch mit einem Könige nicht getauscht.

Die drei Knaben wuchsen schön und stark heran, auch die Hündlein waren ebenfalls schön und munter und die Füllen wurden muthige und feurige Pferde. Da kam eines Tages der älteste Sohn zu den Aeltern mit der Bitte ihn ziehen zu lassen, um sein Glück in der Welt zu versuchen. Die Aeltern wollten ihn durchaus abhalten, aber er bestand auf seinem Vorsatze und sprach: »Wenn ein Theil des Blutes im Gefässe stille steht und ein Stral der Quelle im Hofe versiegt, so ist es ein Zeichen, dass ich unglücklich geworden oder todt bin.« Darauf nahm er im Garten seine Lanze und einen der drei Hunde, stieg auf sein Pferd und ritt fort.

Nachdem er einige Zeit gereist war, kam er in eine Stadt und sah am Fenster eines grossen Palastes eine schöne Jungfrau; das war die Tochter des Königs. Aber auch sie erblickte ihn und sogleich entbrannte ihr Herz in Liebe für den unbekannten schönen Jüngling. Sie rief ihn und unterredete sich mit ihm und schliesslich musste ihr königlicher Vater ihr den Willen lassen. So wurde der arme Fischersohn auf einmal der Eidam eines Königs.

Am Tage nach der Hochzeit sassen sie beide an einem Fenster, von wo aus man eine herrliche Aussicht über eine prachtvolle Gegend mit vielen Schlössern, Dörfern und Landhäusern genoss. Er fragte um dieses und jenes, endlich wollte er auch wissen, wem jenes schöne Häuschen gehöre, welches man auf einer Anhöhe sah. »Ah«, sagte sie, »das ist ein verzaubertes Haus, so viele auch dort hineingegangen sind, so ist doch keiner mehr herausgekommen. Hüte dich also wol, einen Fuss dorthin zu setzen.« Er erwiederte darauf nichts, aber am[80] folgenden Morgen sagte er seiner Frau, er wolle auf die Jagd gehen. Sie bot ihm Diener und Hunde an, aber er wollte nur sein Pferd und seinen Hund mitnehmen. »Ich bin's schon so gewohnt«, sagte er und ging. Als er zum Häuschen gekommen war, pochte er an die Thüre und sogleich öffnete ihm eine gefällig aussehende Alte. Als sie aber das Hündlein erblickte, da that sie gar furchtsam und obwol er sie versicherte, es werde gewiss nicht beissen, bat sie ihn doch es anzubinden. Da er kein Band hatte, reichte sie ihm ein Haar; aber kaum hatte er es berührt, so wurde er sammt dem Pferde und dem Hunde zu Stein.

Im Fischerhause stand nun ein Theil des Blutes still und der eine der drei Brunnenstralen im Hofe war versiegt. Da sagte der zweite Sohn: »Nun will ich ausziehen; denn meinem Bruder ist ein Unglück begegnet und ich will ihn befreien.« Die betrübten Aeltern wollten ihn nicht ziehen lassen, aber er liess sich's nicht wehren, nahm auch seine Lanze, sein Pferd und seinen Hund und ritt hinweg.

Auch er kam in die Königsstadt. Als er beim königlichen Palaste war, da lag gerade die Prinzessin am Fenster und rief ihm entgegen: »Kommst du endlich wieder? Es ist wahrhaft an der Zeit, böser Mann, der du mich so lange allein gelassen hast; ich glaubte schon, du seiest todt!« Die drei Brüder glichen nämlich einander so sehr, dass man sie nur schwer von einander unterscheiden konnte. Als er sich nun so anrufen hörte, sprach er zu sich: »So viel ich merke, ist mein Bruder hier gewesen und die mich so anredet, muss wol gar seine Frau sein; ich will mich nun stellen, als wäre ich der, für den sie mich hält.« Um sich zu entschuldigen, sagte er ihr, er habe sich verirrt und sei lange in der Irre herumgeritten und sie verzieh ihm. Als sie abends zu Bette gingen, da steckte er seine Lanze zwischen sein und ihr Lager und als sie verwundert fragte, warum er dies thue, erwiederte er, er sei von der Jagd müde und müsse der Ruhe pflegen. Am folgenden Morgen waren sie am Fenster und auch er fragte, wem das Häuschen auf der Anhöhe gehöre. Da verwunderte sie sich und sagte: »Ei, welch' kurzes Gedächtniss du hast! Hab' ich dir denn nicht neulich gesagt, jenes Häuschen sei verzaubert und du sollest dich davor hüten?« Nun wusste er genug. Am folgenden Morgen ging er mit der Ausrede, auf die Jagd zu gehen, zum Häuschen, aber er theilte das Schicksal seines Bruders. Zu Hause aber stand auch der zweite Bluttheil still und im Hofe sprang nur noch Ein Wasserstral.[81]

Da zog der dritte Bruder aus, nachdem er mit grosser Mühe die Einwilligung der tiefbetrübten Aeltern erlangt hatte. Auch er kam in die Stadt und es erging ihm in Allem wie seinem zweiten Bruder, nur war er glücklicher. Denn als er in jenes Häuschen kam und die Alte ihm gleichfalls ein Haar reichen wollte, um das Hündlein anzubinden, da sah er sie mit zornigem Blicke an und rief mit furchtbarer Stimme: »Ich nehme keine Haare, alte Hexe, sondern ich befehle dir, sogleich alle diese steinernen Statuen wieder lebendig zu machen; wo nicht, ist heute dein lezter Tag gewesen!« Da erschrack die Alte und zitterte und brachte sogleich ein Gefäss mit einer Salbe, indem sie sagte: »Bestreichet damit den Hals und die Schläfe jeder Statue.« Er aber erwiederte: »Das sollst du selbst thun, denn ich rühre deine Dinge nicht an!« – und zugleich bedrohte er sie wieder mit der Lanze. Da gab sie nach und bestrich alle Statuen, so dass ein grosses Gewimmel entzauberter Ritter und Pferde und Hunde entstand. Die zwei ältern Brüder aber kamen auf ihren Befreier zu, küssten und umarmten ihn und dankten ihm von Herzen. Eben so thaten auch die andern alle.

Nun ging der ganze Zug der Stadt zu und ein grosser Haufe Volkes schloss sich an. Als die Prinzessin die drei Brüder sah, fragte sie ganz verlegen: »Welcher von euch ist denn mein Gemal?« Da stellte ihr der jüngste seinen ältesten Bruder vor und sagte: »Dieser ist es!« Zugleich erzählte er ihr, wie alles hergegangen sei. Da war grosse Freude in der Königsburg; die Prinzessin dankte dem jüngsten herzlich und schenkte jedem der beiden Brüder einen herrlichen Palast in der Stadt und viele Güter dazu. Darauf ritten sie alle drei noch einmal nach Hause, wo die drei Bluttheile sich wieder bewegten und die drei Brunnenstralen wieder sprangen, holten ihre Aeltern und führten sie in die Stadt, wo sie glücklich und vergnügt noch viele Jahre bis in ihr hohes Alter lebten. –

Quelle:
Schneller, Christian: Märchen und Sagen aus Wälschtirol. Innsbruck: Wagner 1867, S. 79-82.
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