29. Der Frosch.
(La rana.)

[82] (Vgl. Zingerle, Märchen II. S. 173; Liebrecht, I. 10.)


Ein Mann und eine Frau hatten keine Kinder und hätten doch für ihr Leben gern solche gehabt. Sie beteten um einen Nachkommen unter was immer für Bedingungen. Der Himmel schien sich ihrer erbarmen zu wollen; als aber die Zeit um war, zeigte es sich, dass[82] das Neugeborene ein Frosch war. Aber der Mann und die Frau liessen sich nicht irre machen und zogen denselben auf. Sie lehrten ihn Musik und allerlei Künste; vorzüglich aber liebte der Frosch den Gesang und bildete seine Stimme und seine Anlagen so aus, dass man glauben musste, es sei die beste Sängerin der Stadt. Niemand hatte den Frosch noch gesehen, aber man hielt ihn in der That für eine unbekannte Sängerin und konnte sich nicht erklären, warum dieselbe nicht öffentlich auftrete.

Eines Tages ging der Königssohn am Hause vorüber und als er den Frosch singen hörte, blieb er stehen und hörte lange zu. Sogleich verliebte er sich sterblich in die unbekannte Sängerin und ging zu ihrem Vater mit der Bitte sie sehen und sprechen zu dürfen; allein dieser wies das Ansinnen zurück. Als der Prinz sie wieder einmal singen hörte, wurde er noch mehr verliebt und verlangte von ihrem Vater, er solle sie ihm zur Frau geben. Dieser aber erwiederte, er müsse zuvor seine Tochter befragen. Der Frosch willigte ein, stellte jedoch die Bedingung, in einem geschlossenen Wagen in die Königsburg gebracht zu werden und dort sich ungesehen in das Brautgemach begeben zu dürfen. Der Prinz, dadurch nur noch neugieriger gemacht, gestand es zu. Am bestimmten Tage fuhr der Frosch in einem wolverschlossenen Wagen in das königliche Schloss und gelangte ungesehen in das prächtige Brautgemach, wo er in das eine der beiden Betten kroch und sich verbarg. Als der Prinz abends kam, war er erstaunt seine Braut nicht zu finden und ging missmuthig zu Bette. Um Mitternacht aber kroch der Frosch aus den Polstern hervor auf die Brust des Prinzen, welcher darob vom Schlafe halb erwachte, den Frosch mit der Hand fasste und auf den Boden schleuderte. Da hüpfte derselbe zornig hinaus und über die Stiegen hinab nach Hause.

Dem Prinzen that es am Morgen leid den Frosch auf den Boden geschleudert zu haben und er wurde betrübt und melancholisch. Nach einiger Zeit ging er wieder am Hause vorbei und als er den Gesang hörte, wurde er wahnsinnig verliebt und warb auf's Neue um die Braut. Der Frosch willigte endlich ein, ohne dieses Mal eine Bedingung zu stellen. Er liess sich ein Wägelchen aus Pappe machen, spannte einen Hahn davor und fuhr damit selbst kutschirend zum Königsschlosse. Auf dem Wege standen drei Feen, von diesen hatte Eine beim Essen Fischgräten verschluckt, welche ihr im Halse stecken geblieben waren und grossen Schmerz verursachten. Als nun diese[83] drei den Frosch sahen, wie er mit seinem Hahne im kleinen Wagen daher fuhr und mit der Peitsche so lustig knallte, lachten sie so herzlich, dass der Einen die Gräten aus dem Halse kamen und sie auf einmal von allen Schmerzen frei war.

Da gingen sie auf den Frosch zu und die erste sagte: »Ich will dir einen schönen Wagen und Pferde und Bediente geben!« Und im Nu standen Wagen und Pferde da mit Bedienten in schönen Livreien.

Darauf sprach die zweite: »Ich will dir kostbare Kleider und Gold und Silber geben!« Und im Nu war auch dies Alles da und glänzte und schimmerte, dass es eine Freude war.

Sodann kam die dritte, welche durch das Lachen von den Gräten befreit worden war und sagte: »Ich will dich verwandeln!«

In demselben Augenblicke wurde der Frosch ein schönes Mädchen. Dieses dankte den drei gütigen Feen auf das Herzlichste und fuhr fröhlich in die Königsburg zu einer Hochzeit voll Jubel und Lustbarkeit. –

Quelle:
Schneller, Christian: Märchen und Sagen aus Wälschtirol. Innsbruck: Wagner 1867, S. 82-84.
Lizenz:
Kategorien: