56. Die närrischen Weiber.
(Le donne matte.)

[162] (Vgl. Grimm Nr. 104, Zingerle, Märchen I, Nr. 14.)


Es war einmal ein Mann und ein Weib, die lebten mit einander in einem Hause und halfen einander schon vom Tage ihrer Hochzeit an des Lebens Freuden und Leiden tragen. Als einmal das Frühjahr nahte, sagte der Mann: »Ich muss jezt noch auf einige Wochen in die Fremde, da weiss ich ein Plätzchen, wo Geld zu verdienen ist. Hab' indessen auf unser Hauswesen recht Acht, besonders empfehl' ich dir den schönen fetten Käslaib dort, den bewahre für den langen Mai auf. Er ging und das Weib blieb zu Hause. So oft ein Fremder vorüber ging, rief sie ihm nach: »He, seid Ihr der lange Mai?« Einmal kam ein Bettler zu ihr in's Haus, den fragte sie auch: »Bist etwa du der lange Mai?« »Freilich bin ich's«, erwiederte er, »was wollt Ihr denn mit dieser Frage?« »Ja, da ist ein Käslaib«, sagte[162] sie, »und mein Mann hat mir gesagt, ich solle ihn für dich aufbewahren,« »Gebt nur her!« versezte der Bettler, nahm den Käslaib in Empfang und ging weg. »Solches Almosen kriegt Einer ja nicht alle Tage«, sagte er.

Als der Mann zurückkam und hörte, wie es gegangen sei, war ihm sehr leid und er sagte: »Du bist ein ungeschicktes Weib; da hab' ich gemeint, du hättest mir den Käse für den Monat Mai aufbewahren sollen, der ist lang, weil man auf dem Felde so viel arbeiten und graben muss und die Sonne Einem stark auf den Kopf brennt. Aber verschenkt ist verschenkt, sei nur ein anderes Mal gescheidter.« Darauf ging er eines Tages in aller Frühe auf das Feld und sagte zu seinem Weibe: »Bleib heut zu Hause und back Brot, dass ich Mittags zur Suppe etwas zu essen habe.« »Ja, wie gross soll ich es denn machen?« fragte sie. »Mach's grösser oder kleiner« sagte er, »wie die Leute, wenn sie zur Messe gehen; 's liegt ja nicht viel daran.« Er ging, sie aber leerte einen ganzen Schäffelsack voll Mehl in den Backtrog und richtete den Teig an; dann sezte sie sich an's Fenster und gab fleissig auf die Leute Acht, welche zur Messe gingen. So machte sie auch das Brot, bald einen Buckligen, bald ein Kind, bald einen Mann; dann schob sie es in den Ofen und als die Figuren ganz oder halb gebacken waren, zog sie dieselben heraus und legte sie auf das Hausdach auf die Kühle. Um Mittag kam der Mann und sie stellte ihm die Suppe auf den Tisch. »Bring mir auch ein Brot«, sagte er. »Willst du's klein oder gross?« fragte sie. »Bring nur das grösste, ich habe Hunger« erwiederte er. Da nahm sie einen Strick, ging auf das Hausdach, band die grösste Figur an den Strick und zog sie hinter sich über die Stiege herab und in die Stube herein. »Aber was hast du denn gemacht?« schrie der Mann ärgerlich. »Wie du mir gesagt hast, gerade so, wie sie zur Messe gingen«, erwiederte sie. Voll Aerger sezte er sich hin und ass die Suppe und kaute an der Rinde des Brotes, denn das Innere war nicht zu essen.

Eines Tages ging er wieder fort und sagte zu seinem Weibe: »Ich muss fort; gib mir nur auf das Körbchen recht Acht, das dort an der Wand hängt, es sind Nägel darin, fahr ja nicht mit der Hand hinein, sonst stichst du dich!« Es waren aber keine Nägel, sondern es war sein Geld, welches er auf diese Weise vor ihr sichern wollte. Kaum war er fort, so kam ein Geschirrhändler und bot dem Weibe Teller und Schüsseln an. »Ich habe nur ein paar Kreuzer Geld«, sagte sie, »aber wenn Ihr die Nägel dort im Körblein brauchen könntet und[163] mir dafür Teller geben wolltet, wär's mir schon recht.« Der Geschirrhändler schaute in's Körbchen, »diese Nägel«, sagte er, »kann ich schon brauchen«; sodann gab er dem Weibe einen Haufen Teller und Schüsseln und zog seines Weges weiter. »Solch' einen Handel mach' ich nicht alle Tage!« dachte er. Und das Weib dachte eben so; »aber nein«, rief sie, »für einige Nägel eine solche Menge Teller!« Da ging sie und legte die Teller auf die Schüsselrahme; weil aber noch ein Haufen übrig blieb, machte sie in jedem Teller in der Mitte ein Loch, zog ein Stricklein durch und hing sie in der Küche an den Mauern auf.

Der Mann kam nach Hause und als er hörte und sah, was sein Weib angestellt hatte, riss ihm der lezte Faden der Geduld, die er bisher mit ihr getragen und er rief zornig: »Hör, Weib, bei dir mag ich's nicht mehr länger aushalten, ich geh' und komme dir nicht wieder.« Da weinte sie und bat ihn zu bleiben. »Wol«, sagte er, »ich geh und wenn ich eine finde, die noch dummer ist als du, so siehst du mich wieder.«

Er ging und kam gar nicht weit, da sah er ein Weib, welches mit einer Heugabel Nüsse aus einem Korbe schöpfen wollte; aber nur selten blieb eine Nuss an den Spitzen der Gabel stecken. »Was machst du denn, Gevatterin?« fragte er. »Ei, da muss ich Nüsse hereintragen«, sagte sie, »und habe grosse Eile; denn ich muss noch ein paar Körbe voll holen.« »Das ist auch keine ausgestochene«, dachte er sich und ging weiter.

Bald kam er an einem kleinen Hause vorüber; da sass ein Weib auf dem Hausdache und spann, aber es fiel ihr der Rocken hinab auf den Boden. »Was thust du denn, Gevatterin?« fragte er. »Ei, da hab' ich heut den Schuster im Hause«, erwiederte sie; »ich muss ihm den Faden spinnen und um ihn recht lange zu machen, hab' ich mich auf's Dach gesezt. Nun ist mir aber der Rocken hinabgefallen und ich warte, bis mein Mann vom Felde kommt und ihn mir heraufträgt.« »Die ist auch nicht recht gescheidt«, dachte er sich und ging abermals weiter.

Er kam wieder zu einem Hause, da sass eine Alte und hatte ein leeres Sieb an die Sonne gestellt. Von Zeit zu Zeit trug sie das Sieb hinein, kam wieder heraus und stellte es an die Sonne. »Was macht Ihr da, Gevatterin?« sagte er. »Ich hab' einen Keller«, sagte sie, »der ist im Winter immer so kalt; nun es aber Sommer ist und die Sonne so heiss scheint, trag' ich im Siebe ein Bischen Wärme hinein,[164] damit mein Keller im Winter warm bleibe.« »Die ist fast noch dummer als mein Weib«, dachte er sich und war unschlüssig, was er thun sollte; endlich wandte er sich um und kehrte auf einem andern Wege nach Hause zurück.

Er kam an einer offenen Scheune vorüber; drinnen stand auf einer Heudille ein Weib und zog an einem Stricke, daran war ein Esel gebunden, welcher mit allen Vieren um sich schlug und gewaltig plärrte. »Was treibt Ihr denn da, Gevatterin?« fragte der Mann. »Ei, da hab ich eine Bruthenne gehabt«, erwiederte sie, »die ist mir vom Neste abgestanden und nun möcht' ich's mit meinem Esel versuchen, dass er mir die Eier ausbrüte, aber das eigensinnige Vieh will sich nicht heraufziehen lassen. Seid doch so gut und helft mir!«

Da ward dem guten Manne Angst und bange und er lief was er konnte, nach Hause; dort sagte er: »Weib, wir wollen wieder beisammen bleiben, du bei mir und ich bei dir; nicht wahr?« Sie aber war über die Massen froh und sie blieben beisammen und trugen des Lebens Freuden und Leiden wieder mit einander bis an ihr seliges Ende. –

Quelle:
Schneller, Christian: Märchen und Sagen aus Wälschtirol. Innsbruck: Wagner 1867, S. 162-165.
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