2.

[172] In demselben Dorfe, glaub' ich, hielten sie einmal Rath und beschlossen zu Ehren des hl. Petrus eine Kapelle zu erbauen. Als die Kapelle fertig war, kamen sie wieder zusammen und beschlossen zwei Männer zum Bischofe zu schicken mit der Bitte ihnen den Leib des hl. Petrus zu übergeben, damit sie ihn in ihrer Kapelle aufstellen könnten. Da lachte der Bischof herzlich und weil er ein gemütlicher Herr war, der einen guten Spass liebte, sagte er: »Nehmt diese Schachtel; macht sie aber ja nicht auf, bevor ihr nicht in der Kapelle seid; denn sonst entweicht euch St. Petrus und fliegt wieder dem Himmel zu.« Da dankten die zwei Männer bestens und kauften drei Esel, auf den einen legten sie die Schachtel, auf die zwei andern stiegen sie selbst und ritten heim. Als sie nach Hause gekommen waren, wurde beschlossen, man wolle ein grosses Fest feiern. Sie begaben sich in die Kapelle, verschlossen sie und verstopften alle Löcher und der Pfarrer öffnete die Schachtel, während der Maurer mit der Kelle voll Kalk bereit stand, um dort den ersten Mörtelwurf zu machen, wo der Heilige sich zuerst niederlassen würde; denn dort wollten sie den Altar bauen. Es flog aus der geöffneten Schachtel eine grosse Brummfliege heraus und alle schrieen; »Heiliger Petrus, sitz' auf!« Die Fliege flog lange herum und sezte sich endlich auf die Nase eines alten Mannes. Schnell wollte der Maurer die Kelle voll Mörtel darauf werfen und alle schrieen: »Hier wollen wir den Altar bauen!« Der Alte aber wehrte sich und rief: »Nein! nein!« und im Gewirre tödteten sie die Fliege. Da wurden sie bestürzt und wussten sich nicht mehr zu helfen und zu rathen, denn sie meinten, sie hätten den Heiligen umgebracht.[172]

Nach einiger Zeit aber hielten sie dennoch abermals Rath und beschlossen, dieselben zwei Männer wieder zum Bischofe zu schicken und um den Leib des hl. Antonius zu bitten. Der Bischof nahm sie gewogen auf und sagte: »Da, nehmt diese Schachtel und macht es ebenso, wie ihr es mit dem hl. Petrus gemacht habt.« Darauf sagten sie: »Ja, wenn wir es ebenso machen, so bringen wir auch den hl. Antonius um.« »Wie so«, fragte der Bischof, »habt ihr denn den hl. Petrus umgebracht?« »Ei, freilich«, erwiederten sie und erzählten, wie es zugegangen sei. Da machte der Bischof ein ernstes Gesicht und sagte: »Ihr Dummköpfe und Schelme, ist das eine Art mit solchen Dingen so umzugehen? Schon wenn man die Heiligen schmäht, ist es eine grosse Sünde, ihr aber bringt sie gar um!« Da antworteten die beiden Männer betrübt: »Aber, Herr, dies haben ja nicht wir gethan, jener böse Alte ist Schuld gewesen.« »Nun wol«, sagte der Bischof, »für diesmal will ich's euch noch verzeihen, aber kommt mir nicht wieder um Heilige, wenn Ihr damit so unglimpflich umgeht!« Dann gingen sie und als sie schon fast zu Hause waren, stach sie der Wunder, wie der Heilige etwa diesmal aussehen möge. Sie öffneten die Schachtel ein wenig und guckten hinein; augenblicklich aber sprang eine Maus heraus und lief schnell davon. Als dies die zwei sahen, riefen sie:


»Heiliger Anton wunderbar

Bist wol klein, doch voller Haar!

(Sant' Antonio miraculoso

Sei ben piccolo, ma peloso!)«


Dann liefen sie der Maus nach, um sie zu suchen und sind seither noch nicht zurückgekommen.

Quelle:
Schneller, Christian: Märchen und Sagen aus Wälschtirol. Innsbruck: Wagner 1867, S. 172-173.
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