11. Der Teufel heirathet drei Schwestern.

[148] Einst kam dem Teufel die Lust zu heirathen an. Er verliess daher die Hölle, nahm die Gestalt eines jungen hübschen Mannes an und baute sich ein schönes grosses Haus. Als letzteres vollendet und höchst vornehm eingerichtet war, führte er sich in eine Familie ein, wo drei sehr hübsche Töchter waren, und machte der älteren davon den Hof. Dem Mädchen gefiel der hübsche Mann, die Eltern waren froh, eine Tochter so gut versorgt zu sehen, und es dauerte nicht lange, da wurde die Hochzeit gefeiert. Als er seine Braut nach Hause geführt hatte, spendete er ihr einen sehr geschmackvoll gebundenen Blumenstrauss, führte sie in alle Gemächer des Hauses und endlich zu einer geschlossenen Thür. »Das ganze Haus steht zu deiner Verfügung, nur um eines muss ich dich ersuchen, das ist, öffne diese Thüre ja bei Leibe nicht.«[148]

Natürlich, dass die junge Frau dieses heilig versprach, aber auch bald nachher den Augenblick kaum mehr erwarten konnte, ihr Versprechen zu brechen. Als der Teufel am andern Morgen unter dem Vorwande, auf die Jagd zu gehen, das Haus verlassen hatte, lief sie eiligst zur verbotenen Thüre, öffnete sie und erblickte einen ungeheuren Schlund voll Feuer, das ihr entgegenschlug und den Blumenstraufs am Busen versengte. Als ihr Mann später nach Hause kam und sie fragte, ob sie ihr Versprechen gehalten habe, sagte sie unbedenklich: Ja; er aber erkannte an den Blumen, dass sie ihn belogen und sagte: »Nun will ich deine Neugierde nicht länger mehr auf die Probe setzen, komme mit mir, ich selbst werde dir zeigen, was hinter der Thüre steckt.« Darauf führte er sie zur Thüre, öffnete diese, gab ihr einen Stoss, dass sie in die Hölle hinabstürzten und schloss wieder zu.

Wenige Monate darauf begehrte er die andere Schwester zur Ehe und erhielt sie auch, aber auch mit dieser wiederholte sich ganz genau alles, was mit der ersten Frau geschehen war.

Da hielt er endlich um die dritte Schwester an. Diese, die ein sehr listiges Mädchen war, dachte: meine zwei Schwestern hat er sicher umgebracht, jedoch er ist eine glänzende Partie für mich, ich will also doch versuchen, ob ich nicht glücklicher bin als die andern, und somit willigte sie ein. Nach der Hochzeit gab der Bräutigam auch dieser ein schönes Sträusschen, verbot ihr aber auch, die bezeichnete Thüre zu öffnen.

Um kein Haar minder neugierig als ihre Schwestern, öffnete auch sie, als der Teufel auf die Jagd gegangen war, die verbotene Thür, nur hatte sie früher das Sträusschen ins Wasser gestellt. Da sah sie denn hinter der Thüre die leidige Hölle und ihre zwei Schwestern darin »Ach!« sagte sie da, »ich arme Haut glaubte einen ordentlichen Mann geheirathet zu haben, statt dessen ist's der Teufel! Wie werde ich von dem loskommen können?« Vorsichtig zog sie ihre Schwestern aus der Hölle und verbarg sie. Als der Teufel nach Hause kam,[149] blickte er gleich nach dem Sträusschen, das sie wieder am Busen trug, und als er die Blumen so frisch fand, fragte er gar nicht weiter, sondern beruhigt über sein Geheimniss, gewann er sie jetzt erst recht lieb.

Da bat sie ihn nach ein paar Tagen, er möchte ihr doch drei Kisten zu ihren Eltern nach Hause tragen, jedoch ohne sie unterwegs niederzulassen oder zu rasten. »Aber«, setzte sie hinzu, »dein Wort musst du halten, denn ich werde dir nachsehen.« Der Teufel versprach ganz nach ihrem Willen zu thun. Da legte sie am andern Morgen die eine Schwester in eine Kiste und lud sie ihrem Manne auf die Schultern. Der Teufel, der zwar sehr stark, aber auch sehr faul und der Arbeit ungewohnt ist, bekam das Tragen der schweren Kiste bald satt und wollte rasten, bevor er noch aus der Gasse war, aber da rief sie ihm zu: »Setze nicht ab, ich sehe dich.« Unwillig ging der Teufel mit der Kiste um die Gassenecke und sagte zu sich selbst: »Da kann sie mich nicht sehen, da will ich ein wenig rasten«; aber kaum machte er Anstalt, die Kiste abzusetzen, schrie die Schwester in der Kiste: »Setze nicht ab, ich sehe dich schon.« Fluchend schleppte er die Kiste weiter in eine andere Gasse und wollte sie unter einem Hausthor niederstellen, aber wieder liess sich die Stimme vernehmen: »Setze nicht ab, du Schelm, ich sehe dich schon.«

Was muss denn meine Frau für Augen haben, dachte er, die sieht um die Ecken wie geradeaus und durch Gewölbe, als ob sie von Glas wären, und so kam er endlich ganz verschwitzt und hundematt bei seiner Schwiegermutter an, der er die Kiste eiligst übergab und nach Hause lief, sich durch ein gutes Frühstück zu stärken.

Ganz das Nämliche wiederholte sich am andern Tag mit der zweiten Kiste. Am dritten Tage sollte sie selbst in der Kiste nach Hause befördert werden. Sie bereitete daher eine Figur, die sie mit ihren Kleidern anlegte und auf die Altane stellte unter dem Vorwande, ihm weiter nachsehen zu können, schlüpfte schnell in die Kiste und liess diese dem Teufel durch ihre Dienerin aufladen. »Zum Gukuck«, sagte der Teufel, »die Kiste ist heute[150] noch viel schwerer als die andern, und heute, wo sie auf der Altane sitzt, kann ich um so weniger rasten«, und so trug er sie denn mit äusserster Anstrengung bis zur Schwiegermutter, dann aber eilte er schimpfend und den Rücken ganz wund nach Hause zum Frühstück. Hier aber fand er ganz im Gegensatze zu sonst, dass ihm weder seine Frau entgegenkam, noch dass das Frühstück bereitet war. »Margerita! wo bist du denn?« rief er, aber keine Antwort erfolgte. Als er alle Gänge durchlaufen, sieht er endlich bei einem Fenster hinaus und erblickt die Figur auf dem Poggiolo.

»Margerita! bist du eingeschlafen? komme doch herab, ich bin hundemässig müde (stracco da can) und habe einen wahren Wolfshunger (una fame da lov)«. Aber keine Antwort erfolgte. »Wenn du nicht gleich herabkommst, so gehe ich hinauf und hole dich«, schrie er erbost, aber Margerita rührte sich nicht. Da eilt er ergrimmt auf die Altane und gibt ihr eine Ohrfeige, dass ihr der Kopf wegfliegt, und sieht jetzt, dass der Kopf nichts als ein Haubenstock und die Figur ein Fetzenbalg ist. Wüthend eilt er hinab und durchstöbert das ganze Haus, alles fruchtlos, nur den Schmuckkasten seiner Frau findet er offen.

»Ha!« rief er, »man hat sie mir geraubt und ihre Kostbarkeiten dazu«, und augenblicklich läuft er, den Schwiegereltern sein Unglück zu erzählen. Als er aber schon nahe dem Hause ist, sieht er zu seiner grössten Ueberraschung auf dem Balkon ober dem Thor alle drei Schwestern, seine Gemahlinnen, welche ihm mit Hohngelächter eine Nase machen.

Drei Weiber auf einmal, das erschreckte den Teufel so sehr, dass er schleunigst die Flucht ergriff.

Seit der Zeit hat er die Lust zum Heirathen verloren.


Man vgl. Grimm, KM., Nr. 46, Grundtvig, Bd. 2, S. 182 und Campbell, Nr. 41 (im Auszug im Orient und Occident, Bd. 2, S. 678). An der Stelle des Teufels steht im deutschen Märchen ein Hexenmeister, im dänischen ein Bergmann, der[151] sich in einen Hasen verwandelt hat, im gaelischen ein verzaubertes Ross, welches Nachts ein Mann ist. Diese bemächtigen sich mit List dreier Schwestern nacheinander. Hinter der verbotenen Thür ist im deutschen und gaelischen eine Kammer voll Blut und Frauenleichen. Im dänischen wird die erste Schwester, die nicht des Bergmanns Frau werden will, getödtet und in eine Kammer geworfen; diese Kammer zu öffnen wird dann den beiden andern Schwestern verboten. Dem Blumenstrauss des italienischen Märchens, den die Höllenglut versengt, entspricht im deutschen ein Ei und im dänischen ein Apfel, von denen das Blut nicht weggewischt werden kann, die aber die jüngste Schwester sorgfältig verwahrt, bevor sie die Kammer betritt. Im gaelischen Märchen waten die Schwestern in der Kammer bis ans Knie im Blut und die ältesten vermögen es nicht von den Füssen wegzubringen und verrathen sich so; der dritten aber leckt es eine Katze ab, nachdem ihr das Mädchen Milch gegeben hat, was die beiden andern nicht gethan haben. Die getödteten Schwestern werden von der jüngsten wieder lebendig gemacht1, im gaelischen durch einen Zauberstab, im dänischen durch eine Salbe, die in der Kammer sich findet, im deutschen bloss durch Aneinanderfügen der zerhackten Glieder. Wie im italienischen der getäuschte Teufel die drei Schwestern in drei Kisten nach Hause tragen muss, so im gaelischen das Ross. Im deutschen und dänischen lässt die Heldin nur ihre Schwestern in Kisten oder Säcken nach Hause tragen, sie selbst flieht verkleidet und begegnet unterwegs noch dem heimkehrenden Mann. Im deutschen Märchen darf der Hexenmeister, wie der Teufel im italienischen, beim Tragen der Kisten unterwegs nicht ausruhen; so oft ers thun will, ruft das Mädchen im Kasten: »Ich sehe dich!« Im gaelischen darf das Ross unterwegs nicht in die Kisten sehen, welches Verbot offenbar besser motiviert ist. Im dänischen wird es zwar dem Bergmann nicht verboten, in die Säcke zu sehen, aber so oft er es thun will, ruft eine Katze, die von der jüngsten Schwester, wie im gaelischen Märchen, Milch erhalten und ihr deshalb die List mit den Säcken angegeben hat, und nun, vom Bergmann unbemerkt,[152] mitläuft: »Ich sehe, ich sehe!«2. – Das Märchen findet sich auch finnisch, bei Salmelainen, Bd. 2, S. 187, doch kenne ich es nur aus der kurzen Inhaltsangabe, die A. Schiefner im Bulletin der petersburger Akademie, historisch-philologische Classe, Bd. 12 (1855), S. 376, davon gibt: »Wetchinen (ein dämonisches Wesen) weiss einem Vater, den er hart bedrängt, nach und nach drei Töchter abzulocken, mit denen er gleich Ritter Blaubart verfährt. Die jüngste, welche die beiden ältern durch Lebenswasser wieder zum Leben bringt, bereitet ihm den Tod, nachdem er zuvor ihre Schwestern und sie selbst in drei verschiedenen Kisten nach dem Elternhause getragen hat.« – Da Schiefner an Ritter Blaubart erinnert, so scheint auch im finnischen das Verbot einer gewissen Kammer vorzukommen. Dies Verbot fehlt in der norwegischen Form unsres Märchens, siehe Asbjörnsen, Nr. 35, nebst den Varianten. Hier gerathen die Schwestern nacheinander in die Gewalt eines Bergmanns oder Riesen, der den beiden ältesten, weil sie sich weigern, seine Liebsten zu werden, den Kopf abschlägt und sie in den Keller wirft. Die jüngste, welche die Leichen der Schwestern bemerkt hat, weigert sich nicht. Heimlich macht sie dann durch eine Wundersalbe ihre Schwestern wieder lebendig, und der Troll muss sie in Kisten oder Säcken nach Hause tragen. Er soll nicht hinein sehen, und so oft ers unterwegs thun will, ruft es: »Ich sehe dich«. Nach der einen Version lässt sich die jüngste Schwester auch nach Haus tragen, nach andern entflieht sie heimlich und lässt eine Strohpuppe zurück, von welcher der heimkehrende Troll, ganz wie der Teufel im italienischen Märchen, Essen verlangt u.s.w. – Eigenthümliche Züge hat das von Fr. Obert im »Ausland«, 1856, S. 473, mitgetheilte romänische Märchen aus Siebenbürgen: Ein Unbekannter freit nacheinander drei arme Schwestern, denen er in seinem Haus in der Wüste Ohren und Nasen von Menschen zu essen gibt, ehe er ausgeht. Die älteste wirft sie in die Asche, die zweite unter die Schwelle. Als er nach[153] Hause kömmt, ruft er: »Wo seid ihr, Ohr und Nase?« Diese erwidern: »In der Asche!« oder »Unter der Schwelle!« und er todtet die beiden Schwestern und legt sie in eine Kammer. Die jüngste Schwester gibt auf den Rath von vier Tauben, den sie zu trinken gegeben, Ohr und Nase der Katze zu fressen, tödtet diese dann und bindet sie auf ihren Bauch. Als nun der Mann nach Hause kömmt und Ohr und Nase fragt, antworten sie: »Hier sind wir im Bauch!«3. Da gibt der Mann dem Mädchen die Schlüssel zum ganzen Haus, nur eine Kammer soll sie nicht öffnen. Sie öffnet sie aber doch, und die Seelen der zwei Schwestern schweben wie Nebel heraus und danken für ihre Befreiung aus der Gewalt des Teufels. Sie machen ihr hierauf einen Sarg, den niemand öffnen kann, bis nicht der Priester die Messe darüber gelesen. In diesen Sarg steckt sich das Mädchen und die Seelen der Schwestern werfen ihn in den Strom, der durch die Wüste fliesst. Der Sarg wird von Schiffern gefangen und dem Kaiser gebracht, der ihn vergeblich zu öffnen sucht. Endlich wird der Priester geholt und der Deckel hebt sich. Der Kaiser heirathet das Mädchen. – Ganz ähnlich ist das griechische Märchen bei Hahn, Nr. 19. Hier ist der »Hundskopf« der Freier und frisst die beiden ältesten Schwestern. Die dritte aber isst die Hälfte der ihr gegebenen Nasen, Ohren und Knochen, die andere gibt sie einem Täubchen. Auf die Frage des Hundskopfs: »Wo seid ihr Knochen?« erwidern sie: »Im Magen!« Da ist der Hundskopf zufrieden und verspricht dem Mädchen, aus der Stadt mitzubringen, was sie wünsche. Sie verlangt einen Gitterkasten, der sich von innen verschliessen lässt. Er bringt einen solchen und sie steckt sich hinein und verschliesst ihn, so dass ihn der Hundskopf nicht öffnen kann. Endlich trägt er ihn in die Stadt und bietet ihn mit sammt dem Mädchen zum Kauf aus. Der Königssohn kauft ihn und heirathet das Mädchen.

1

Bei Pröhle, Märchen für die Jugend, Nr. 7, fehlt die Wiederbelebung und Heimtragung der Schwestern.

2

In einem andern Märchen bei Grundtvig, Bd. 3, S. 24, trägt der Bergmann alle drei Schwestern nach Haus und soll unterwegs nicht in die Säcke sehen. So oft ers thun will, ruft das Mädchen darin: »Ich sehe noch!« Diese Variante, in der der Bergmann anfangs in Schweinsgestalt erscheint, ist sonst dadurch ungeschickt entstellt, dass die ältern Schwestern nicht getödtet, sondern nur in zwei Kammern gesperrt werden, welche die jüngste trotz Verbot öffnet.

3

Ganz so oder in ähnlicher zweideutiger Weise antworten Speisen in Märchen bei Grundtvig, Bd. 1, S. 104; Asbjörnsen, S. 465; Cavallius, S. 266.

Quelle:
Widter, Georg/Wolf, Adam: Volksmärchen aus Venetien. In: Jahrbuch für Romanische und Englische Literatur 8 (Leipzig: 1866) 3ff, S. 148-154.
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