Dumm-Liese.

[72] Es war einmal ein Bauer, der ein schönes aber sehr dummes Weib hatte. Als er einst von Hause abwesend war, kam ein Wanderer vorüber und bat um Mittagbrot. Die Frau setzte ihm Kohlsuppe vor und klagte dabei, daß der Kohl nicht gut sei. Sie meinte damit die Kohlpflanzen, der Wandersmann aber glaubte sie rede von der Suppe und sagte: »Ihr müßt tüchtig Schweinefett dazu thun!« – Als er fortgegangen war, lief die Bäuerin zur Kleete, holte eine große Speckseite, zerschnitt sie in kleine Stückchen und belegte mit denselben die Kohlpflanzen im Gemüsegarten, hoffend, der Kohl werde sich nun besser entfalten. Als der Hofhund des Nachbars den Speck witterte, kam er flugs herüber und begann die Stücke von den Pflanzen abzufressen. Darob ergrimmte die Bäuerin, fing den Hund, schleppte ihn in die Kleete, band das sich sträubende Tier an den Spund einer gefüllten Biertonne und schlug unbarmherzig darauf los.[72] Der Hund riß natürlich wie toll am Strick, bis der Spund herausfuhr – und weg waren Hund, Strick und Spund.

Was nun machen? Dumm-Liese eilte dem Hunde nach und entriß ihm mit vieler Mühe den Spund. Als sie in die Kleete zurückkehrte, war alles Bier ausgelaufen und der Fußboden ganz naß geworden. Da fiel ihr ein, daß noch ein Maß feinen Weizenmehls im Kasten sei; sie nahm das Mehl und streute es über den Fußboden aus, um ihn auf diese Weise trocken zu machen. Als der Bauer nach Hause kam, waren Speckseiten, Bier und Weizenmehl zum Teufel gegangen ...

Dafür half ihm aber seines Weibes Dummheit ein andermal aus der Klemme. Es begab sich nämlich, daß der Bauer auf dem herrschaftlichen Felde einen Schatz fand. Trotzdem er seiner Frau aufs strengste Verschwiegenheit gebot, plauderte sie es doch aus, so daß bald auch der Gutsherr davon erfuhr. Er ließ den Mann kommen und verlangte, er solle den Schatz ihm überliefern. Der Bauer erwiderte, er wisse von keinem Schatz etwas. »Lüg nicht,« rief der Gutsherr, »dein Weib selbst hat's unter die Leute gebracht! Komm morgen wieder und bringe deine Frau mit!«

Der Bauer ging trübselig von bannen und zerbrach sich den Kopf darüber, wie er sich am besten aus der Klemme helfen könnte. Zu Hause sprach er zu Dumm-Liese: »Ein großer Krieg ist im Lande, die Feinde werden noch heute in unsere Gegend kommen, da ist's am besten, wenn wir uns verbergen. Ich will in den Wald fliehen, du aber verstecke dich in der großen Grube hinter dem Hause. Sobald die Feinde wieder fortgezogen, werde ich dich holen kommen.« Gesagt, gethan. Dumm-Liese stieg in die Grube hinab; der Bauer bedeckte dieselbe mit einem Kuhfell und streute tüchtig Gerste darauf. Nun kamen von allen Seiten Hühner, Gänse, Enten zusammen, um die Gerste zu verzehren. Sie scharrten und trampelten auf dem Kuhfell herum und riefen einander mit lautem Ga-Ga.[73]

»Ach, welch entsetzlicher Krieg da oben geführt wird,« dachte Dumm-Liese, »wie gut, daß ich hier untergekrochen bin!«

Abends spät kam der Bauer und goß warmes Spülwasser auf das Fell, gerade dorthin, wo mehrere Löcher waren. Als Dumm-Liese das Wasser auf den Kopf rann, dachte sie: »Gott sei Dank, daß es endlich regnet! Das Wetter war lange schon trocken genug!«

Am andern Morgen kam der Bauer wieder, nahm das Kuhfell von der Grube und holte sein Weib heraus. »Der Krieg ist vorüber, mein Täubchen; laß uns jetzt auf den Gutshof gehen; ich habe dort Geschäfte.«

Sie waren noch nicht weit gegangen, als aus einer Scheuer das Geblöck eines Hammels gar kläglich hervordrang.

»Lieber Mann, wer stöhnt und jammert da so?« fragte Dumm-Liese.

»Ach, laß uns schnell vorübergehen,« erwiderte der Bauer, »dort prügeln die Teufel unsern Gutsherrn!«

Nach längerem Wandern erreichten sie den Hof und wurden vor den Herrn geführt. Der sprach zu Dumm-Liese: »Hat dein Mann einen Schatz gefunden?« »Allerdings, gnädiger Herr,« erwiderte sie. »Wann hat er ihn gefunden?« fragte der Gutsherr weiter. »Nicht lange vor Ausbruch des großen Ga-Ga-Krieges,« gab Liese zur Antwort. »Schwatz doch keinen Unsinn,« rief lachend der Herr, »wann soll denn solch ein Krieg gewesen sein?«

»Zur Zeit als der warme Regen fiel,« sagte das Weib.

»Der warme Regen? Es ist ja schon seit sechs Wochen kein Tropfen vom Himmel gekommen.«

»Vielleicht weiß der gnädige Herr darum von dem warmen Regen nichts, weil ihn gerade die Teufel in der Scheuer prügelten,« meinte Dumm-Liese.

Da geriet der Gutsherr in großen Zorn und jagte Mann und Weib zum Hause hinaus. So behielt der Bauer den Schatz.

Quelle:
Andrejanoff, Victor von: Lettische Märchen. Nacherzählt von -, Leipzig: Reclam, [1896], S. 72-74.
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