42. Von dem Burschen, der seine todte Braut heiratete. (25)

[494] Bei einem Bauerwirt diente ein junger Bursche und ein Mädchen, die hatten einander sehr lieb. Sie lebten züchtig, und als etliche Jahre ihrer Dienstzeit um waren, wollten sie Hochzeit machen. Sie gingen zum Pfarrer, um sich aufbieten zu lassen, und wie das Aufgebot grad im Gang war, da starb das Mädchen. Und der Bursche weinte sehr. Eines Nachts nun erschien sie ihm im Traum und sagte ›Geh hin und lass uns wieder aufbieten; wenn ich auch gestorben hin, so wollen wir doch Mann und Frau werden. Richte die Hochzeit aus und fahr nur zur Kirche; wenn dann die andern Paare zum Altar gehn, geh auch du nachher hin.‹ Und weiter sprach sie ›Stell in zwei Ecken im Haus eine Tonne hin; wenn du morgen früh aufstehst, wirst du sie beide voll Geld finden.‹ Der Bursche stellte in zwei Ecken die Tonnen, und er fand sie den andern Morgen voll Geld, und er konnte nun die Hochzeit richten. Danach zog er sich zur Trauung an und fuhr in die Kirche. Alle machten sich über ihn lustig, dass er sich mit einem gestorbnen Mädchen trauen lassen wolle, aber wie die andern Brautpaare zum Altar hintraten, da ging auch er dahin, und da erschien denn auch seine Braut. Sie wurden vom Pfarrer ge traut und fuhren als Mann und Frau von der Kirche nach Haus. Und alle zu Haus, die sie sahen, sagten ›Wie sie noch lebte, da war sie schön, aber jetzt ist sie noch viel schöner!‹

Der Herr aber, bei dem der Knecht diente, hatte einen Kämmerer,[494] der sprach zum Herrn ›Ein so schönes Mädchen darf man dem Knecht nicht lassen, die ist nur für einen Herrn.‹ Da liess sich der Herr den Knecht kommen und befahl ihm, er solle auf die Anhöhe bei dem Gehöft gehen und dort einen Brunnen graben. Mit dem Kämmerer aber verabredete er, sie wollten ihn, wenn er tief genug gegraben hätte und bei der Arbeit wäre, lebendig verschütten. Aber als sie nun hinkamen, da war der Brunnen schon fertig und voll Wasser; so flink hatte er gegraben.

Jetzt liess ihn der Herr wieder zu sich rufen und befahl ihm, er solle sogleich zur Sonne hingehn, dort wären die und die Papiere, die müsse er ihm holen. Der Knecht ging nach Haus und weinte, denn wie sollte er zu den Papieren auf der Sonne kommen? Er erzählt' es seiner Frau, die wusste aber schon alles, und da es Abend geworden war, sagte sie, er solle nur ruhig essen und sich schlafen legen, sie wolle die Papiere von der Sonne holen. Da ging er schlafen, und wie er in der Nacht aufwachte, sah er, dass seine Frau ruhig neben ihm schlief, und er erschrak und sagte ›Ach, das wird schlimm werden!‹ Seine Frau aber, die das gehört hatte, sprach ›Jammre nicht, die Papiere sind schon hier.‹ Am andern Morgen ging der Knecht mit den Papieren zum Herrn und gab sie ihm, der Herr aber kannte solche Papiere gar nicht.

Tags darauf schickte er den Knecht zum Mond, von dort Papiere zu holen, und er dachte, diessmals wird er schon nicht wiederkommen! Aber der Knecht erzählte die Sache wieder zu Haus seiner Frau, und die sagte ›Ich werde wieder die Papiere holen.‹ So geschah es auch, und am andern Morgen trug der Knecht die Papiere zum Herrn hin, und der konnte sie gar nicht lesen.

Jetzt schickt' er ihn wegen Papiere in die Hölle. Der Knecht ging nach Haus und sagt' es seiner Frau, und die sprach ›In die Hölle kann ich nicht gehn. Aber geh nur zum Herrn und sag ihm, dass er dir den Kämmerer mitgebe. Der Kämmerer wird dann im Wagen nach der Hölle fahren wollen, und er wird dir sagen, du sollest doch mit aufsitzen. Aber das thu nicht, sag, du gingest lieber. Du wirst dann zu Fuss eher dort sein als er zu Wagen.‹ Der Knecht that, wie ihn seine Frau hiess, und der Herr befahl dem Kämmerer, dass er mit nach der Hölle gehe. Der Kämmerer wollte fahren und sagte zum Knecht, er solle sich doch zu ihm auf den Wagen setzen, der aber sprach ›Nein, ich kann[495] auch zu Fuss gehn‹, und so machten sich sich beide auf den Weg. Der Knecht kam zuerst am Höllenthor an. Da sah er, wie ein Teufel grade nach Brennholz fuhr. Der Teufel hielt mit seinem Fuhrwerk bei ihm an, und da fragte ihn der Knecht ›Wie kann ich wol, lieber Teufel, die und die Papiere aus der Hölle bekommen? mein Herr hat mich danach geschickt.‹ Antwortete der Teufel ›Da! nimm mein Pferd und fahr nach dem Holz! Indem will ich dir die Papiere holen. Aber schlag mir das Pferd ja nicht an den Kopf!‹ Da nahm der Knecht das Pferd und fuhr nach dem Brennholz, und er lud einen schweren Wagen voll, dass das Pferd ihn schliesslich, wie sie wieder beim Höllenthor waren, nicht mehr von der Stelle brachte. Da gab der Knecht dem Pferd mit dem Stecken eins über den Kopf, und im Nu hatte sich das Pferd in einen Menschen verwandelt. Jetzt kam auch der Teufel grade mit den Papieren aus der Hölle zurück, und er fing an zu schelten und zu jammern. ›Was hast du gethan! Was soll ich jetzt anfangen? Mein Pferd ist hin, und mit was soll ich nun mein Holz fahren?‹ Indem kam auch der Kämmerer angefahren, und der Knecht sagte zu dem Teufel ›Ei sieh, der da auf dem Wagen sitzt, den nimm dir und spann ihn ein!‹ Da packte der Teufel den Kämmerer am Schopf und steckte ihn in die Siele und fuhr sein Holz in die Hölle. Der Knecht aber sah jetzt, dass der Mensch, der vorher des Teufels Holzwagen gezogen hatte, seines Herrn Vater war, und er unterhielt sich mit ihm. Der Herr gab ihm einen Ring von seinem Finger, auf dem stand sein Vor- und Zuname, und er befahl ihm zu Haus seinem Sohn zu sagen, dass er seine Leute nicht so peinigen solle, und da und da stehe ein Kasten voll Geld, das solle er alles den Armen austheilen; und er dankte dem Knecht dann auch noch, dass er ihn von seiner Qual erlöst habe. Darauf kehrte der Knecht nach Haus zurück. Dort erzählt' er dem Herrn, wie es ihm gegangen war, und gab ihm die Papiere aus der Hölle und seines Vaters Ring, und der Herr sah, dass das der Ring war, mit dem er seinen Vater begraben hatte. Und der Knecht sagte ihm dann auch, was für einen Lebenswandel er jetzt führen solle, und dass er das Geld in dem Kasten unter die Armen austheilen solle. Danach ging der Knecht nach Haus. Er lebte aber mit seiner Frau nur noch etliche Tage zusammen, da war sie auf einmal verschwunden. Und eines[496] Nachts erschien sie ihm im Traum und befahl ihm, dass er eine andre heirate und auf sie nicht länger warte.

Quelle:
Leskien, August/Brugman, K.: Litauische Volkslieder und Märchen. Straßburg: Karl J. Trübner, 1882, S. 494-497.
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