Von einem Besenbinder.

[41] Es war einmal ein Taglöhner, der hatte einen Sohn und der ließ sich einen kleinen Wagen machen und kaufte sich eine schimmelfarbene Stute. Er fuhr nun in den Wald, stieg auf einen Baum und hieb Äste zu Besen. Als er auf dem Baume war und Äste abhieb,[41] kam ein Kaufmann gefahren mit viel Ware, der sagte zu ihm ›Du wirst vom Baume fallen.‹ Der Kaufmann war noch nicht weit gefahren, da fiel jener auch wirklich vom Baume. Er setzte nun dem Kaufmanne nach, und als er ihn eingeholt hatte, fragte er ihn »Wenn du wustest, daß ich vom Baume fallen würde, so must du auch wißen, wann ich sterben werde, und das sollst du mir sagen.« Der Kaufmann sagte ›Wenn deine Stute zum dritten Male einen streichen läßt, dann stirbst du.‹ Damit fuhr er weiter, und jener gieng wieder an seine Arbeit. Als er genug Besen gemacht hatte, lud er seinen Wagen voll und fuhr von dannen. Die Stute gieng nicht schnell genug, er hieb ihr eins auf und sie ließ einen streichen – da ward er schon unwol. Dann gab er, schmikscht, der Stute zum zweiten Male einen Hieb; die Stute, pirst, ließ einen zweiten streichen – da legte er sich schon auf dem Wagen nieder. Da kamen drei Kaufleute auf einem Frachtwagen gefahren, die hatten viel theuere Ware; da kam der Besenbinder gerade an einen kleinen Graben, über den die Stute nicht hinüber wollte; er gab ihr, schmikscht, einen Hieb und die Stute ließ den dritten streichen; da fiel er rücklings vom Wägelchen und war todt. Die Kaufleute liefen herbei ›Was ist das? Was ist dir geschehen?‹ Er war und blieb aber todt.

Da nahmen sie ihn, legten ihn auf das Wägelchen und einer fuhr mit ihm und die andern mit dem Frachtwagen in ein Wirtshaus. Den todten Besenbinder trugen sie ins Haus und eben so die Besen, und als sie die Pferde gefüttert und alles besorgt hatten, giengen sie ins Wirtshaus und begannen zu zechen; der Besenbinder aber machte sich auf, schlich sich in eine Kammer und kroch unter die Bank. Hier belauschte er etwas und erhielt erst zweimal hundert und dann zweihundert Thaler auf einmal, damit er schweige.1 Er gieng sodann in die Stube und sagte zu den Kaufleuten ›Was ist doch eure Ware gegen die meinige! Vorhin bekam ich für die kleinen Besen je hundert Thaler und jetzt für einen von den größeren zwei hundert Thaler.‹ Die Kaufleute sagten zu ihm »Laß uns tauschen; nimm du unseren Frachtwagen mit den Pferden und wir nehmen deinen ganzen Wagen.« Er that aber als wolle er nicht tauschen und sagte ›Was ist eure Ware gegen die meinige!‹ Da fiengen sie an ihn trunken zu machen und setzten ihm so lange vor bis er in den Tausch willigte. Der Besenbinder[42] legte sich sodann sogleich zu Bette, die Kaufleute aber schrieben einen Zettel und steckten ihm den in die Tasche; auf dem stund geschrieben, daß es nicht mehr gestattet sei den Tausch aufzuheben. Sodann giengen alle zu Bette.

Als sie früh aufgestanden waren, wollte der Besenbinder mit seinen Besen weiter fahren; die Kaufleute sagten aber sogleich »Wir haben ja gestern getauscht.« Jener erwiderte ›Wer kann das sagen?‹ Sie sagten »Der Schenker ist auch Zeuge.« Auch zogen sie das Briefchen aus des Besenbinders Tasche und zeigten es ihm. Da sagte er denn ›Was ist zu machen; habe ich einmal in der Trunkenheit getauscht, so habe ich getauscht.‹ Er nahm also den Frachtwagen, spannte an, fuhr damit in die Stadt und verkaufte alle Ware sammt Pferden und Wagen fürs halbe Geld.

Reichlich mit Geld versehen, sah er sich nun in der Stadt um und erblickte jene wie sie mit den Besen angefahren kamen. Die Kaufleute machten sich ein Aushängeschild, kauften rote Bänder und hiengen die kleinen unten hin und die großen oben. Ein Herr schickte seine Dienerin um Besen zu kaufen; sie faßte einen von den kleineren an und fragte ›Wie theuer ist der Besen?‹ »Hundert Thaler das Stück.« Sie spuckte aus und sagte ›Seid ihr von Sinnen? Er ist ja nur einen halben Groschen wert.‹ Da schlugen die Kaufleute die Dienerin und mishandelten sie auf alle Weise. Als die Dienerin nach Hause kam und ihrem Herrn das vorgefallene erzählte, gieng der Herr selbst hin. Der Herr kam, griff nach einem der größeren Besen und fragte ›Wie theuer sind sie?‹ Sie sagten »Zweihundert Thaler das Stück.« Da sagte der Herr ›Ihr wollt die Leute betrügen.‹ Und er gieng zur Obrigkeit und verklagte sie. Sie wurden sodann vor die Obrigkeit gebracht und die nahm ihnen alles ab; Pferd und Wägelchen verkaufte sie und gab die Kaufleute sodann frei.

Als sie heraus kamen, begegneten sie dem Besenbinder und sagten ›Warum hast du uns so betrogen?‹ Jener erwiderte: ›Ihr versteht nur nicht mit meiner Ware umzugehen; wartet, ich komme sogleich wieder, bleibt nur hier stehen‹. Der Besenbinder gieng in eine Schenke, gab dem Schenker hundert Thaler und sagte ›Ich werde nachher wieder kommen, und wenn ich auch viel Schaden anrichte, so sage du nur nichts; wenn ich aber fort gehen will, so werde ich pfeifen und den Hut schwenken‹ und sagen »Was bin ich schuldig;« dann sag du »Alles ist bezalt.« Der Besenbinder gieng sodann zu einem zweiten[43] und dritten Schenker, traf mit ihnen dieselbe Verabredung und gab jedem hundert Thaler. Dann gieng er wieder hin zu den Kaufleuten und sagte ›Kommt her, ich will euch wenigstens bewirten, da ihr mit meiner Waare kein Glück gehabt habt.‹ Er führte sie nun in die erste Schenke. Da zechten sie, lärmten und schlugen alles entzwei, der Schenker aber sagte nichts. Der Besenbinder sagte ›Genug hier, wir wollens nun wo anders versuchen.‹ Beim Weggehen pfiff er, schwenkte den Hut und fragte. ›Ists bezahlt?‹ Der Schenker sagte ›Alles ist bezahlt.‹ Sie giengen nun in ein zweites Wirtshaus; hier gieng es wie im ersten. Sodann besuchten sie die dritte Schenke, wo es eben so gieng. Die Kaufleute dachten nun, daß der Hut das gethan habe, und wollten mit ihm Hüte tauschen, und einer bot ihm hundert Thaler Zugabe; er aber sagte ›Ich tausche nicht anders, als wenn ich dreihundert Thaler Zugabe bekomme. Wenn ich mit meinem Hute gehe, so kann ich verzehren was und wie viel ich will, ich brauche nichts zu bezahlen.‹ Da gab ihm einer dreihundert Thaler Zugabe und sie tauschten ihre Hüte. Sie schieden dann von einander und der Besenbinder gieng nach Hause zu seiner Frau.

Jene aber giengen in ein Wirtshaus und machten es so, wie jener gethan; sie schwenkten den Hut und fragten ›Ist alles bezahlt?‹ Der Schenker sagte ›Wenn ihr bezahlen werdet, so wirds gut sein.‹ Als sie nun das im guten nicht wollten, bekamen sie Prügel und musten doch alles bezahlen. Als sie weg giengen, stritten sie sich; einer sagte zum ersten ›Du hast es nicht recht gemacht; hast du nicht gesehen daß jener zweimal schwenkte? Gib ihn nur mir, ich werde es beßer können.‹ Sie giengen nun in eine zweite Schenke und machten es so, aber es ergieng ihnen eben so wie in der ersten. Da sagte der dritte, der Besenbinder habe den Hut dreimal geschwenkt und verlangte sie sollten ihm den Hut geben. So giengen sie denn ins dritte Wirtshaus und thaten so, wie sie verabredet hatten; aber es ergieng ihnen fast noch schlimmer als vorher.

Da beschloßen sie den Betrüger aufzusuchen und giengen in sein Haus. Als der sie erblickte, legte er sich auf ein Bret, nahm ein scharfes Meßer zu sich und seine Frau muste ein Leintuch über ihn spreiten. Seine Frau wartete vor der Thüre auf jene, und sie fragten sie ›Wo ist dein Mann, der Betrüger?‹ Sie sagte ›Er ist todt und liegt auf dem Brete.‹ Da verabredeten sie sich, es solle einer noch wenigstens sein Waßer jenem auf den Kopf laßen. Als einer hinein[44] gieng und das that, schnitt jener ihm mit dem Meßer, schnickscht, alles ab. Der aber sagte nichts als er heraus kam, um auch jene dran zu kriegen. Der zweite wollte das nun auch thun und gieng hinein, aber es ergieng ihm eben so wie dem ersten. Er gieng hinaus und schwieg ebenfalls. Da gieng auch der dritte hinein, der auch nicht beßer davon kam. So liefen sie denn verstümmelt von dannen; der Besenbinder aber lachte darüber, daß er sie so dran gekriegt hatte. So ward er ein reicher Mann.

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Quelle:
Schleicher, August: Litauische Märchen, Sprichworte, Rätsel und Lieder. Weimar: Böhlau, 1857, S. 41-45.
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