[375] 801. Bachtellchen und sein Ende.

Bachtellchen von W. war in der ganzen Moselgegend als ein schlimmer Gauner bekannt und gefürchtet. Er gebot als Hauptmann über eine zahlreiche Diebesbande, welche alle Wege und Stege unsicher machte.

Man erzählt von ihm außer vielen Raubgeschichten, die alle seine Verschmitztheit an den Tag legen, manche Züge großer Unerschrockenheit, wodurch er bei dem Volk als ein mehr denn natürliches Wesen gehalten und gescheut wurde.

Als Bachtellchen einmal im Winter, da die Mosel nur noch mit einer dünnen Eisdecke überzogen war, über den Fluß zu gehen wagte, rieten ihm seine Spießgesellen ängstlich davon ab, weil das Eis sicher unter ihm einbrechen und er ertrinken werde. Bachtellchen dagegen verlachte sie und sagte: »Wer zum Hängen bestimmt ist, wird nie ertrinken!« Er schritt mutig vorwärts und gelangte glücklich ans andere Ufer.[375]

Ein andermal, da er, eingefangen, zur Folter verurteilt wurde, damit er seine bösen Taten und Mithelfer offenbare, hatte er sich für den Fall, daß er die Folterqualen überstehen würde, einen Häringssalat ausbedungen. Er hielt wirklich die größten Torturen aus und vergaß nicht, nach überstandener Pein den versprochenen Salat zu fordern. Als man ihn später fragte, wie ihm auf der Folter zumute gewesen, antwortete er: »Ei, schlecht genug! Man hatte mir alle Gelenke so sehr auseinandergereckt, daß ich glaubte, in jedem Gelenk ein Glas roten Weins zu sehen, dann aber krümmte man mich so schrecklich zusammen, daß ich mir ganz gemütlich einen Kuß auf das untere Ende des Rückens hätte geben können.«

Endlich schien das Maß seiner Sünden voll zu sein, als er wieder in die Hände der Polizei fiel und diesmal zum Tode verurteilt wurde. Tag und Stunde waren anberaumt und viele Zuschauer hatten sich eingefunden, um der Hinrichtung des Bachtellchen auf dem Hammberge bei Ehnen zuzusehen. Der Henker warf ihm den Strick um und gefaßt stieg Bachtellchen die Leiter zum Galgen hinan. Kaum aber baumelte er oben, als seine Gestalt sich plötzlich veränderte und statt seiner ein Bündel Stroh am Galgen hing. Die Richter und Zuschauer waren entsetzt und bekreuzten sich, wohl ahnend, daß der Teufel, dem Bachtellchen sich verschrieben hatte, hier mit im Spiele sei.

Abermals eingefangen und auf das Hochgericht geführt, ward er wieder durch den Teufel aus seiner gefährlichen Lage befreit.

Der Krug geht aber so lange zum Brunnen, bis er endlich bricht. Für Bachtellchen sollte auch einmal die letzte Stunde geschlagen haben. Nachdem einer seiner Mitgesellen ihn oft darum befragt hatte, wie er es doch mache, um immer dem Henkerstod zu entgehen, verriet er ihm das Geheimnis mit den Worten: »Solange ich bis zur Richtstätte hin die Erde unter meinen Füßen spüre, werden mich die Richter vergebens hängen.« Jener ging hin und verriet die Sache den Richtern. Sobald Bachtellchen nun wieder eingefangen wurde, brachte man ihn auf einem Karren bis zum Galgen und legte um denselben Dielen, damit er beim Aussteigen mit den Füßen die Erde nicht mehr berühre. Als Bachtellchen alle diese Anstalten sah, die zur Sicherung seiner Person getroffen waren, entfiel ihm der Mut und er rief halb scherzend, halb ernst: »Na, heut ist wohl Johanni am letzten! Nun geht es zum Teufel!« Bald schwebte er hoch oben am Balken, von dem er diesmal nicht mehr erlöst wurde.


Lehrer Linden zu Rollingen

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 375-376.
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