[403] 853. Der Werwolf zu Merl.

Der Schmied zu Merl hatte eine Tochter, die fuchsrote Haare hatte. Diese war in der Schule sehr ausgelassen, lernte den Katechismus nicht und besuchte unregelmäßig die Christenlehre, so daß der Pfarrer sich genötigt sah, sie derb zu züchtigen. Darob ergrimmte der Vater und da er einen Riemen besaß und sich durch Umschnallen desselben in einen Werwolf verwandeln konnte, so wollte er dem Pfarrer einen bösen Streich spielen. Als dieser sich nämlich tagsdarauf zu der etwas entfernten Kirche begab, um die hl. Messe zu lesen, kam jener Schmied als Werwolf und jagte ihm Angst ein. Da dachte der Pastor: »Warte, du verwandelst dich sobald nicht mehr«, ging in die Kirche und betete über ihn. Es war aber ein Student in der Messe, der Latein verstand. Als dieser nach Hause kam, sprach er zu seiner Mutter: »Heute hat der Pastor keine gute Messe getan.« – »Und warum denn?« fragte diese. – »O«, erwiderte er lachend, »für den sie war, der sieht Merl sobald nicht wieder.« Der[403] Pastor hatte dem Schmied die Gewalt abgenommen, sich wieder in einen Menschen zu verwandeln, so daß er Wolf blieb und im Walde verschwand.

Etwas abweichend wird erzählt: Der Mann, mit dem der Pastor in Streit lebte, befand sich während der hl. Messe in der Kirche. Als der Pastor sein Gebet gesprochen hatte, stieß ein anwesender Student seinen Nebenmann in die Seite und sagte: »Haut as et fir ê gangen!« Kaum hatte er das gesprochen, da erhob sich jener Schmied und verließ die Kirche. Draußen angelangt, war er in einen Wolf verwandelt, legte die Vorderpfoten auf das Fenstersims und schaute in die Kirche hinein. Von der Zeit an ward er nie mehr gesehen.

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 403-404.
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